Gasthaus "Zum steppenden Folterknecht"

"Wir beide mögen uns!
Die beiden werden vor Vollendete Tatsachen gestellt! Ich respektiere beide, besonders Anurin und du deinen Vater - wir sollten uns ihren Rat zu Herzen nehmen aber nicht unser Leben von ihnen bestimmen lassen!" erklärte Vrael.
"Und meine Ausbildung ist so gut wie abgeschlossen!" rundete er seine Aussage ab

"Ich will nicht, dass du meinetwegen bestraft wirst", erwiderte sie sacht und schob die Beine aus dem Bett, kam schwankend zum Stehen und brauchte einen Moment bis sie sich sicher war, dass sie nicht nach dem ersten Schritt wieder auf dem Boden liegen würde. Noch immer spürte sie die Schwäche in ihren Gliedern, verursacht durch den viel zu starken Zauber, der ihr alle Kraftreserven genommen hatte, die ihr Körper beinhaltet hatte.
Sie suchte mit einer Hand nach der nächsten Wand und bekam das raue Holz zu fassen, hangelte sich an der Wand ein Stück weiter bis sie mit dem Fuß gegen einen kleinen Holztisch stieß und daneben stehen blieb. Das Leben von ihnen bestimmen lassen - das ließ sie bereits seit ihrer Geburt, seit sie ein Mitglied der Arcanea war - Selbstbestimmung war nie etwas gewesen, das Astaya ihr eigen nennen konnte und sie hatte Angst davor Anurin zu begegnen. Hatte Angst davor, dass er versuchen würde sie umzubringen, wie es bei Luná der Fall gewesen war. Dass Vraels Ausbildung bald abgeschlossen war machte die Regeln für ihn nur um einiges härter.
"Wir sollten hier raus ... vielleicht hebt das die Stimmung ein wenig."

"Hm, vielleicht wäre das wirklich nicht so schlecht!" antwortete er ihr und ging zu ihr hinüber, strich mit seiner Hand sacht über die Schulter der Freundin.
"Wir schaffen das!"

"Ich sollte mich bei dem Wirt noch entschuldigen ... ich glaube, ich habe Chagal Angst eingejagt als ich ihn gefragt habe, was er uns verschweigt", wechselte sie plötzlich das Thema, wandte dann den Kopf zu ihm herum und lächelte entschuldigend. Er musste nicht unbedingt wissen, wie sehr sie dem alten Wirt zugesetzt hatte, der nur seine Tochter beschützen wollte.

"Ich komme mit!" sagte Vrael reflexartig, ehe er kurz zurück zuckte.
"... also.... wenn du willst..." setzte er schließlich sanft lächelnd hinzu.
Er hatte sie so lange nicht gesehen und die Angst, sie erneut zu verlieren sollte er sich auch nur einmal umdrehen war groß.

Halibel war mit Phineas in das Gasthaus gegangen, der für sie beiden eine Nische abseits des Schankraumes bestellte, zu der man sie geführt hatte. Die junge Frau konnte sich denken, weshalb er darauf bestanden hatte. Nicht nur, weil es besser war, wenn das Augenmerk der anderen Leute nicht zu schnell auf sie fiel, sondern auch, weil er sicherlich bemerkt hatte, dass in ihr noch immer dieselben Fragen brannten, die nun endlich eine Antwort von ihm verlangten.
Halibel saß auf einer Sitzbank, ihr gegenüber Phineas, der in sanften Zügen das Glas in seiner Rechten hin und her bewegte, sodass der Wein sich darin zu drehen begann.
Sie selbst hatte auch ein Glas des gleichen Weines, an dem sie nachdenklich nippte. Der Geschmack kam ihr bekannt vor und doch konnte sie niemanden versichern, diese Sorte schon einmal getrunken zu haben.
„Du weißt, was ich wissen will, oder?“, fragte sie nach einer Weile, als ihr Essen bereits gebracht worden war. Irgendein Braten mit Kartoffel und Erbsen, was an sich ganz gut roch, doch hatte Halibel dafür momentan keinen Sinn.
„Weswegen...? Was habe ich getan, dass sich die Familie Fa nicht mehr in diesem Land zeigen kann, ohne wilde Beschimpfungen und Mordandrohungen zu riskieren?“, wisperte sie leise.
„Bitte... ich möchte es wissen. Ich will es wissen, um das ganze besser verstehen zu können“

Seufzend senkte Phineas das Gesicht und begann schweigend zu essen. Nachdenklich hob er immer wieder die Gabel und führte das Essen zu seinem Mund, während er den fragenden Blick Halibels auf ihn spürte. Sie würde dieses Mal sicherlich nicht so einfach klein beigeben. Dymar wollte sie bestimmt nicht fragen. Das wagte sie nicht. Aber ihn... Phineas legte das Besteck endlich zur Seite und nahm einen Schluck von seinem Wein. Nur zögerlich stellte er das Glas wieder ab und sah dann zu Halibel auf. Sie waren hier geschützt vor Mithörern und auch kein Kellner würde sie so bald unterbrechen. Vielleicht sollte er es einfach wagen.
„Du hast... vielleicht schon das eine oder andere Mal den Namen Arash Huskar aufgeschnappt, in der Zeit, die du hier verbracht hast. Er hat dem Land viel Kummer bereitete und für zahlreiche Tote gesorgt. Du... hast anfangs die Gilde geleitet, von der Dymar und ich dir bereits erzählt haben. Nun, sie diente unter anderem dafür, ihn aufzuhalten...Daher hast du dich dazu entschlossen, dich bei ihm einzuschleichen, um dadurch an weitere Informationen zu gelangen, da du ihn noch von früher kanntest. Was wir nicht wussten, war, dass du ihn... geliebt hast. Sehr“ Phineas biss sich unmerklich auf die Lippe und nahm eine kurze Atempause. „Es endete damit, dass du dich ihm angeschlossen hast, am Tag der Versammlung, die du selbst einberufen hattest. Es war eine Falle gewesen. Einzelne Herrscher der Völker kamen ums Leben, viele Wachen... auch Mitglieder der Gilde. Einem hast du den Arm genommen... ehe du mit Arash verschwandst...“, erklärte er knapp und sah mit einem undefinierbaren Blick zu ihr auf.
„Darum wird dein Name nicht mehr... gerne gehört. Du giltst als Verräterin. Überall“

Die Stille, die auf seine Worte hin folgte, war die schlimmste, an die sie sich erinnern konnte. Halibels Lächeln wurde von der Wahrheit erstickt, wie die Flamme von einem Luftzug. Ihre Hände hatten das Besteck zwar aufgenommen, aber je wieder los gelassen. Leblos lagen sie neben ihrem Teller, welcher noch immer unberührt war. Und sicherlich auch unberührt bleiben würde.
Der Appetit war ihr regelrecht vergangen und hatte der Übelkeit Platz gemacht.
Die Worte von Phineas wirbelten in ihrem Kopf umher und ließ sie fassungslos in das Gesicht des Fürsten blicken. Verrat. Mord. Sie musste unzählige enttäuscht und verletzt haben, mit ihrem Handeln. Und mehr noch...
Wer war sie gewesen, wie hatte sie denken und leben können, um dazu bereit gewesen zu sein!? Um alles zu verraten. Ihre eigene Familie. Ihren geliebten Vater Schande zu bringen... wegen ihrer Liebe zu einem Mann?
Halibel kniff die Augen zusammen und sog scharf die Luft ein. Sie hatte einen Verbrecher geliebt, für den sie das alles hatte stehen und fallen lassen!? Und nun konnte sie sich nicht einmal mehr an ihn erinnern, egal, wie sehr sie es versuchte!? Arash Huskar. Ein schwarzes Loch in ihrem Gedächtnis.
Lautlos ballte die junge Frau ihre Hände zu Fäusten und stand ruckartig auf.
„Danke“, brachte sie mit erstickter Stimme hervor und mied es, ihm länger ins Gesicht zu schauen.
„Mir... ist der Hunger vergangen. Entschuldige“, fügte sie wispernd hinzu, wandte sich um und ging mit raschen Schritten davon.

tbc: mal schauen

Er hatte es ahnen können. Und wenn er genau überlegte, dann hatte Phineas auch gewusst, dass sie so reagieren würde. Aufmerksam hatte er sich beobachtet, hatte jede Emotion, die ihr Gesicht gestreift hatte, bemerkt. Sie würde sich selbst nie verzeihen können. Besonders nicht, wenn sie ihre Erinnerungen wieder erlangte. Aber vielleicht... war dies ja von Nöten? Phineas starrte auf die Speise hinab und seufzte leise. Auch er hatte keinen richtigen Appetit mehr.
Unwirsch kramte er in einer seiner Taschen und zog einen Beutel hervor, in dem sich sein Geld befand. Mit diesem bezahlte er bei dem Wirt und verließ dann selbst das Gasthaus.
Das war ein kurzer Besuch gewesen... und vielleicht mit dem Tag der Versammlung, das schlimmste Essen.

Tbc: ihr nach...