Thronsaal

Mit finsterer Miene hatte sie beobachtet, wie sowohl Olo, als auch Clara den Raum verließen und die Geräusche ihrer Schritte von dem hastigen, ängstlich wirkenden Gestotter eines Jungen abgelöst wurde, dessen letzte Worte in dem Fluchen der Wachen untergingen, welche dem kleinen Boten folgten. Langsam zog sie eine Augenbraue in die Höhe und lenkte ihre Augen zu dem Brief, den er in den Händen hielt, ließ ihren Blick über das Siegel darauf schweifen und legte die Stirn in Falten. Das Siegel auf dem Schreiben kam ihr nicht bekannt vor, geschweige denn, dass sie irgendjemanden wusste, der die Dreistigkeit besaß sich ein Familienwappen auszudenken und dieses mit kostbarem Siegelwachs auf ein Schreiben zu träufeln.
Langsam hob sie die Hand, wehrte mit jener Geste die Entschuldigung des Soldaten ab und schüttelte sacht den Kopf ehe sie einen Schritt nach vorn tat und den Jungen vor ihr genauer musterte. Er sah aus wie ein einfacher Bürgerlicher - einmal abgesehen von der hellen Farbe seiner Augen schien er jemand, der unter der Masse nicht weiter auffiel und dem niemand weiter Gehör schenkte.
Die Neugierde war es schließlich, die die junge Monarchin dazu brachten eine Hand auszustrecken, nachdem sie sich mittels eines einfachen Zaubers vergewissert hatte, dass, was immer an oder in diesem Brief war ihr nicht physisch schaden würde. Ein leises Seufzen angesichts der Taten, zu denen sie gezwungen worden war, entrang sich ihrer Kehler während sie einmal mehr verfluchte inzwischen so stark darauf achten zu müssen, dass es kein erneuter Mordanschlag auf sie sein würde. Sie war inzwischen paranoid geworden, was Briefe oder Fremde im Schloss anbelangte, nicht zuletzt auch wegen der Vakna, welche ihnen noch immer das Leben schwer machte und dafür sorgte, dass sie, aus Furcht vor Asper, kaum mehr Ruhe fand. Sie schüttelte erneut den Kopf, lenkte sich von den tristen Gedanken ab und brach behutsam das Siegel des Pergament-Bogens in ihren Händen, begann dessen Inhalt zu lesen.

"Aaah!" Der junge Mann war leicht zur Seite gesprungen, als die Soldaten erschienen waren, er hob unschuldig die Arme und blickte abwechselnd von der Königin zu den Soldaten. Er wirkte so unschuldig. "Ich hab' Euch gesagt, ich muss der Königin persönlich einen Brief bringen!", meinte er, runzelte die Stirn und blieb regungslos stehen. Die Soldaten waren leicht zu umgehen. Das Schloss war ihm halbwegs bekannt. Die letzten paar Wochen hier waren nicht umsonst gewesen.

Coreen, die Königin Ceunons, öffnete also nun den Brief, auf dem bloß ein einziger Satz, mit schwarzer Tinte, fast schon wie ein kleines Kunstwerk aufgeschrieben wurde. Die kunstvoll verzierten Buchstaben ordneten sich an und deren Schönheit schien fast schon Magie gleich zu sein, doch Coreen selbst sollte wissen, dass hierbei keine Magie im Spiel war. Es war bloß Zeit. Viel Zeit und eine ruhige Hand.

~ Die Ratten wachen über Euch. ~

Bloß noch eine Unterschrift und ein einziges Tintenfleck schienen auf das glatte Papier zu stehen. Doch da wanderte Coreen's Blick leicht nach unten, wo am rechten, unteren Rand mit unglaublich kleinen Buchstaben der Satz stand:


Diese Wörter waren nicht so schön geschrieben worden. Der Autor schien hierbei eher versucht zu haben, die Schrift so klein zu machen, dass es fast schon unmöglich war diese zu entziffern.

" Coreen ! ", erklang plötzlich die Stimme des Königs hinter Serdash. Alvias schritt, ohne auf ihn zu achten, an ihm vorbei und auf seine Ehefrau zu. Er trug noch immer seine Schlachtrüstung und der Schmutz der Schlacht haftete noch immer an dieser. Die Schlacht war nun schon über eine Woche vorüber und die Armee war inzwischen heimgekehrt. Zumindest der größte Teil davon. Die Flotte, die sie den Fyhamern entrissen hatten, war inzwischen mobilisiert worden und belagerte die Insel Beirland, auf die ihre Feinde sich zurückgezogen hatten. Ein Teil der Armee blieb weiterhin in Einsatzbereitschaft in Dras Leona und Belatona, aber ein Großteil der Soldaten war zurück zu ihren Familien zurückgekehrt. “ Lasst uns bitte allein “, verkündete Alvias mit einer Stimme die keinen Widerspruch zuließ, als er oben bei dem Thron angekommen war. Keiner der Wachen oder Diener wagte es zu widersprechen und einer nach dem Anderen verließ den Thronsaal.
“ Wie geht es dir ? “,wandte er sich daraufhin mit sanfter Stimme an die junge Königin und das ganze herrische Gebaren fiel mit einem Schlag von ihm ab.
Aus seinen Augen glänzte eine gewisse Müdigkeit, als er sich neben Coreen auf ein Knie herab ließ.

Das Papier in ihren Händen verlor ebenso rasch an Bedeutung wie der junge Bote, der eben diese überbracht hatte, als die Stimme ihres Gemahls hinter dem Jungen erklang und einer Welle der Erleichterung Platz machte, die jegliche Skepsis, die sie zuvor noch eingenommen hatte, beiseite fegte. Das Stück Pergament segelte, ohne dass sie ihm einen weiteren Blick zukommen ließ, zu Boden bevor die junge Frau sich ebenfalls zu Boden sinken ließ, einen besorgten Blick in das Gesicht ihres Ehemannes werfend. Sie erkannte die Müdigkeit in seinen verhärteten Gesichtszügen, in denen noch immer der Dreck und das Blut des Schlachtfelds prangte.
"Ich hatte Angst um dich", beantwortete sie seine Frage lediglich, konnte sich eines erleichterten Lächeln nicht erwehren und schloss die Arme um ihn. Sie wollte nicht wissen, wie die Schlacht geendet war, welche Strategien angewendet worden waren oder wie viele Opfer es gegeben hatte - er war ohne größere Verletzungen zurückgekehrt und für diesen einen Augenblick war es ihr gänzlich gleichgültig, ob sie egoistisch erschien, weil sie den Tod all dieser tapferen Soldaten nicht betrauerte.

" Danke ", murmelte Alvias leise und erwiderte die Umarmung der jungen Königin, wobei er darauf achtete, nicht zu fest zuzudrücken, um das Kind nicht zu verletzen. " Ich hoffe unserem Kind geht es gut ", sagte er leise zu ihr und musterte sie kurz von oben bis unten.
Sie schien wirklich erleichtet, ihn wieder zu sehen und er hatte nicht vor, sie mit Neuigkeiten von der Front zu langweilen.
Coreen trug die typische Kleidung einer Königin. Kostbare, von Gold durchwebte Gewänder liefen ihren Körper hinab und gaben ihr ein edles Aussehen.
Mit einem Seufzen ließ sich Alvias neben der jungen Frau auf den Thron sinken.
" Ich habe genug vom Königsein. ", meinte er mit leiser Stimme und strich sich über die Stirn. " Es nervt. Niemandem kann man mehr vertrauen, weil alle nur den eigenen Vorteil im Umgang mit mir sehen. Es gibt kaum noch Freunde, die wirklich ehrlich zu mir sind. "
Alvias warf einen Blick zu Coreen hinüber. " Aber wem sag ich das, du hast ja genau die gleichen Probleme. "

Die Anspannung in Serdash löste sich, als der König allen befahl den Thronsaal zu räumen. Auf den Lippen des Jungen hätte sich fast schon ein Lächeln breit gemacht, doch zügelte Serdash seine Fröhlichkeit und verschwand wie der Wind, bevor auch nur die geringste Idee aufkäme, ihn in irgendeiner Art und Weise über den Brief zu befragen.
Natürlich hatte er nahe zu alle Antworten parat. Nein Euer Majestät, ich habe ihn nie gesehen. Nein Eure Majestät, er hat nicht anderes gesagt. Nein Euer Majestät, ich habe ihn nicht deutlich erkennen können. Ja Eure Majestät, er gab mir Geld um Euch die Nachricht zu überbringen. Wenn man bedachte, dass einiges sogar stimmen dürfte, war Serdash davon überzeugt, die Geschichte enorm verdrehen zu können. Was soll's!, dachte sich der kleine Mann erleichtert, während er sich gerade schleunigst aus dem Schloss machte. Es schien, als wäre der kleine Mann auch nie dagewesen ... nur dieser eine Brief war seine Hinterlassenschaft und die Königin dürfte sich in diesem Moment wohl kaum dafür interessieren. Und dies, obwohl der Brief tatsächlich wichtiger sein dürfte, als die Gefühle der Königin für den König.
Auf dem Rückweg dachte Serdash nochmal darüber nach, was er gerade eben sehen durfte. Die Beziehung zwischen Coreen und Alvias basierte niemals auf Liebe. Sie ... schien erleichtert zu sein, dass ihm nicht passiert war, doch war dies in keinem Fall mit Liebe assoziierbar. Höchstens wäre dies ein Hinweis einer sehr starken und engen Freundschaft. Der junge Mann durfte zwar noch nicht in den Genuss der Liebe kommen (auch wenn diese seiner Meinung nach den Geist zu sehr verwirrt), doch hatte er bereits genug Liebende und Verliebte erblickt, deren Liebe man förmlich spüren konnte. Beeindruckend.
Serdash war kein großer Menschenkenner. Doch langsam fing er an zu verstehen, wie das menschliche Hirn arbeitet. Er hatte sich ebenfalls eingebildet, sie hätte ihm nicht in die Augen geblickt. Sie hat ihn nicht gespürt. Jedenfalls nicht emotionell.

Oder aber er hat sich alles eingebildet. Hätte ja auch sein können. Warum zum Teufel sollte die Königin den König nicht lieben? Soweit Serdash gehört hatte, war das eine der wenigen Beziehungen, die doch auf Liebe basieren sollten ...

tbc: Mal schauen.

Ein leises Lachen war von der Seite der jungen Frau zu vernehmen, kaum dass er seine Worte beendet hatte und ehrliche Erheiterung blitzte in ihren dunklen Augen auf als sie zu ihm hinüber sah und schließlich langsam mit den Schultern zuckte bevor sie zu einer Antwort ansetzte. "Irgendwann gewöhnt man sich an das höfische Gebaren und die Falschheit der meisten Adligen, die nur auf ihren eigenen Vorteil aus sind und ich habe die leise Befürchtung, du wirst dich ebenfalls daran gewöhnen müssen, Alvias."
Sie kannte die Missgunst, die er seinem Amt entgegen brachte gut genug, um sich selbst darin wiederzufinden - ihren eigenen Trotz wiederzufinden, als sie an den Hof gekommen war und sich in einem Netz aus Intrigen und Lügen vorzufinden, das sich immer enger um sie zugezogen hatte. Der Hof hatte sich in den Jahren, die sie fort gewesen war nicht verändert und bildete den wohl größten Kontrast zu den einfachen Menschen, mit denen sie die letzten Jahre verbracht hatte. Ihre Gedanken blieben einen kurzen Moment an eben diesen geistigen Worten hängen, schufen eine neue Idee, welche sich in den Wirren ihres Geistes rasch zu einem neuen Plan zusammen setzten und sie letztendlich dazu brachten, ihre Hand auszustrecken und sie auf die seine zu legen.
"Wenn du wirklich Ehrlichkeit willst, wissen willst, was die einfachen Menschen von alledem halten, dann misch dich unter sie. Es ist Spätsommer und die Ernte der Bauern auf dem Feld beginnt. Viele Tagelöhner helfen ihnen dabei und es werden kaum Fragen darüber gestellt, wer man wirklich ist - mit etwas magischer Hilfe könnte man dir ein einfacheres Aussehen geben und du hättest die Möglichkeit, ihre unvoreingenommene Meinung zu hören. Das zu hören, was weder Adel, noch Wache und erst recht nicht der König jemals von ihren Lippen zu hören bekommt.", begann sie und lenkte ihren Blick zu ihm hinüber, wartete einen kurzen Moment, den sie brauchte, um die richtigen Worte zu finden, ihr Vorhaben vorzutragen und eine passende Erklärung zu finden. "Das Reich wird nicht zerfallen, wenn du fort bist und es geht nicht darum, die einfachen Menschen zu kontrollieren um Rebellen zur Verantwortung zu ziehen. Du solltest nur den Grund wiederfinden, weshalb du einst dieses Amt übernommen hast und weshalb niemand dazu besser geeignet ist, auch wenn es mich schmerzen wird dich erneut ziehen zu lassen."

" Wen interessieren die Adligen ? ", fragte Alvias überrascht und drehte den Kopf nach Links, zu der Seite, auf der Coreen saß.
" Diese falschen Schlangen kümmern mich nicht weiter. Das haben sie noch nie. " Ein leichtes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, während er die junge Königin betrachtete. " Von ein paar Ausnahmen selbstverständlich abgesehen. Das, was ich wirklich vermisse sind Menschen, die mich behandeln als wäre ich nichts besseres. Die mir meine Fehler vorhalten, wenn ich welche mache, und die keine Angst vor mir haben, nur weil ich zufällig eine Krone trage. " Der König betrachtete nachdenklich den leeren Thronsaal, während er über Coreens Vorschlag nachdachte.
" Mich unters Volk mischen ? Das wäre möglich....aber wer kümmert sich um diese Zeit um die Regierungsgeschäfte ?
Coreen wird das sicher für eine Weile übernehmen, so wie sie es bereits getan hat, während ich beim Heer war...
Ist sie hier im Schloss auch sicher genug ? Die Gefahr durch die Attentätergilde besteht nach wie vor...
Ich lasse ihr die Leibwache da, ich werde sie nicht benötigen, wenn mich Niemand erkennt....und es wäre dem Nicht-Erkennen auch nicht unbedingt zuträglich sie mitznehmen... "
" Ich glaube ich werde deinen Vorschlag annehmen. ", entschied er schließlich und ließ seinen Blick wieder zu der jungen Frau hinüber wandern.
" Aber erst werde ich ein paar Tage im Schloss verbringen. Ich will dich nicht schon wieder so rasch verlassen. Und vor allem unser Kind nicht. "
Aufmunternd drückte er ihre Hand. " Du leistest fantastische Arbeit hier. "

Sie lächelte sacht, dankbar für die Worte, die er geformt hatte und neigte kaum sichtbar den Kopf, um das Lob, das ihr im ersten Moment noch so völlig unverständlich vorgekommen war, entsprechend zu würdigen bevor sie zu einer Antwort ansetzte. "Das, was ich tue und wie ich entscheide, gibt mein Gewissen mir vor und ich werde mich nicht von der Macht eines einzelnen beeinflussen lassen, denn genau das ist es, was mir beigebracht wurde um stets aufrecht und mit einem reinen Gewissen vor jemandem stehen zu können", begann sie zu erklären, wischte jedoch im nächsten Moment das schwerfällige Thema wieder von dem imaginären Tisch, wollte sie sich doch keinerlei Gedanken darüber mehr machen, aus welchen Gründen sie Entscheidungen traf, noch dass sie Alvias damit weiter belasten wollte.
"Aber du siehst müde aus", setzte sie nach einem Moment erneut an. "Ruh' dich aus, ich denke, es wird niemand dir verübeln können, wenn du dich von den Strapazen der Schlacht und der langen Reise ein wenig ausruhst. Ich kümmere mich hier um alles", bot sie an und lächelte dankbar als er sich langsam erhob und zu keinerlei Widersprüchen mehr ansetzte, die es ihr schwerer gemacht hätten, sich in diesem Punkt durchzusetzen.

tbc: für Alvias - irgendwo, wo Ruhe und ein Bad vorhanden sind

Mit langen Schritten näherte sich Gabriel dem Thron. Ein grauer Mantel hing über seine Schultern herunter und umflatterte seine Beine. Er hatte drei Tage in der Stadt verbracht, ehe man ihn zu der Königin gelassen hatte. Seit sich herumgesprochen hatte, dass die Urteile, welche die noch junge Königin Coreen Armar sprach, gerecht waren und nicht zugunsten der Adligen ausfielen war immer eine Menge los in den Audienzzeiten. Jeder Besucher musste sich anmelden und jeder wurde Nacheinander vorgelassen, egal wie wichtig die betreffende Person war, welche den Rat der Königin suchte. Nur um die weniger wichtigen Angelegenheiten kümmerte sich ein Heer von Untergebenen. Die Blutsgerichtbarkeit jedoch stand allein dem König und den Adligen zu. Da Gabriel sich kaum an die Adligen wenden konnte, hatte er bei der Königin um eine Audienz ersuchen müssen. Hier hoffte er, endlich Gerechtigkeit für seine Schwester zu erreichen. Die Königin war seine letzte Hoffnung, das Ganze auf legalem Wege zu klären. Beinahe hatte er schon die Hoffnung aufgegeben, dass noch Gerechtigkeit auf dieser Welt herrschte. Er würde nicht zulassen, dass der Adlige mit seinen Taten einfach davon kam.
Am Thron angekommen senkte Gabriel den Kopf und ließ sich vor der Königin auf die Knie fallen. " Majestät ", verließ es leise, aber deutlich seine Lippen.

Stirnrunzelnd musterte sie die zusammengesunkene Erscheinung des jungen Mannes, der sich vor dem Thron auf die Knie hatte sinken lassen und an dessen Hand sie einen dicken Verband erkennen konnte, welcher auf eine Verletzung schloss, die er sich erst vor weniger Zeit zugezogen hatte. Was war nur in diesem Land los, dass es noch immer so viel Ungerechtigkeit gab, die es notwendig machte, dass sich jeden Tag aufs Neue Bauern an sie wandten, von denen längst nicht mehr alle nur darum baten ein neues Stück Land zu erwerben - viele von ihnen berichteten von Streitigkeiten, von der Willkür der Wachen oder von furchtbaren Strafen, die ihnen von ihren Lehnsherren auferlegt worden waren und die sie kaum mehr fähig waren, zu ertragen.
"Erhebt Euch", erhob sie ruhig die Stimme und straffte die Haltung, ohne den Blick von dem Bauernjungen abzuwenden und verbarg ihr leises Seufzen als er das Gesicht hob und sie Zorn und Schmerz in seinen Augen wiederspiegeln sah. Wie es schien würde auch dieses Gespräch nicht so werden, wie sie es sich erhofft hatte. "Weshalb seid Ihr hergekommen?"

Ohne den Blick zu heben und die Schmerzen seiner protestierenden Muskeln ignorierend stand Gabriel auf. " Ich danke euch, dass ihr mich empfangt. ", begann der junge Student, " Ich bin hier, um euer Urteil in einer...delikaten Angelegenheit zu erbitten. "
Noch immer hielt Gabriel den Blick gesenkt und betrachtete die Stufen, die zu dem Thron hinauf führten.
" Vor ein paar Tagen war ich mit meiner Schwester in einer der Tavernen der Stadt. Auf einmal tauchte ein Cousin des Adligen Lord Ott auf, welcher den Tisch meiner Schwester als seinen deklarierte. Als sie sich weigerte schlug er sie. " Gabriel hob nun zum ersten Mal während dieses Gesprächs den Kopf und sah Coreen direkt an, während so etwas wie Stolz über seine Schwester in seinen Augen aufklomm." Meine Schwester wehrte sich. Im Anschluss jedoch tauchte Lord Ott persönlich auf, welcher meiner Schwester die Kleidung vom Leib riss.... Er forderte die Besucher der Schänke auf, sie anzuschauen und...und er fragte sie, ob sie ein dreckiges Stück Fleisch kaufen wollten... " Der junge Mann brach ab und senkte verlegen den Blick erneut.
" Als ich dazwischen gehen wollte, schlug er auch mich. Es kam zu einem Kampf. Durch Zufall tauchte auch mein Vater in der Schänke auf. Lord Ott griff sich einen Totschläger und prügelte ihn halb tot... " Gabriel stockte. Seine Stimme klang belegt, als er nach einer kurzen Pause weitersprach.
" Erst, als ich ihn um Gnade anflehte, hörte er auf, auf meinen Vater einzuschlagen. Dann meinte er, er wolle sich mit meiner Schwester ein wenig vergnügen und brachte sie nach oben in ein Zimmer des Gasthauses. " Die Hände des jungen Studenten ballten sich zu Fäusten und seine Fingernägel gruben sich tief in seine Handballen. " Dort vergewaltigte er sie. Die Wache blieb völlig untätig dabei. "
Gabriel hob den Blick erneut und sah die junge Königin flehend an. Ein seltsamer Glanz war in seine Augen getreten.
" Sie liegt schon seit Tagen im Bett. Sie ist traumatisiert und bekommt kaum noch etwas von ihrer Umwelt mit. Sie spricht kaum etwas und verweigert das Essen. Bitte, Majestät...ich glaube sie gibt sich selbst die Schuld an dem Geschehenen....Ich bitte euch, sorgt dafür, dass der Gerechtigkeit genüge getan wird. Ich glaube es würde meiner Schwester helfen zu wissen, dass der Mann, der ihr das angetan hat, bestraft wurde. "

Fassungslos hatte sie der Geschichte des jungen Mannes gelauscht und waren ihre Züge zuvor noch ebenmäßig und ruhig gewesen, so nahmen sie jetzt einen ernsten, verhärteten Ausdruck an während sie die Hände zu Fäusten ballte und langsam den Kopf schüttelte, versuchte zu begreifen, dass das, was der junge Mann ihr gegenüber gesagt hatte, wirklich der Wahrheit entsprach. Er würde nicht lügen - nicht, was diese delikate und prekäre Geschichte anbelangte, von der jede Familie froh sein würde, wenn sie kein Gehör finden würde.
"Es wird Gerechtigkeit geben, das verspreche ich Euch", erhob sie die Stimme und lenkte ihren Blick zu der Wache hinüber, die zuvor mit bleichem Gesicht an den großen Türflügeln gestanden hatte, die zum Thronsaal führten. "Bringt diesen widerwärtigen Adligen hierher! Sofort und ich will keine Entschuldigungen seiner- oder eurerseits hören! Er hat sich augenblicklich hier einzufinden", ordnete sie mit befehlsgewohnter Stimme an und erhob sich langsam von ihrem Platz, kaum dass der Soldat den Saal verlassen hatte. Es wurde Zeit, dass dieser Adlige endlich in seine Schranken gewiesen wurde - dieses Opfer war zuviel gewesen und selbst, wenn es dem Mädchen nun nicht mehr viel helfen würde, es würde in jedem Fall weitere junge Frauen vor einem ähnlichen Schicksal bewahren.
"Er wird für seine Taten büßen."

"Lasst mich los!" fluchte eine männliche Stimme welche sich gegen die Wachen wehrte, nach vorne stolperte und sich mit der Hand durch die Haare fuhr. Sein Gesicht war übel. Seine rechtes Auge war angeschwollen und dunkelblau. An seiner Stirn war eine Platzwunde genäht worden und seine dicke Lippe war von dunkler Krust überzogen worden.
"Was hat diese Farce zu bedeuten?" fragte er, ehe sein Blick auf Gabriel fiel
"Du!" zischte er und stürmte auf den Jungen zu

Ein einziges Wort folgte von den Lippen der jungen Königin und der Adlige wurde von einer unsichtbaren Kraft nach hinten gerissen, landete auf den Knien einige Meter von Gabriel entfernt während Coreen nun langsam die Stufen vom Thron hinab trat. "Wie es aussieht habt Ihr gut getroffen", raunte sie Gabriel mit einem schmalen Lächeln zu ehe jenes Lächeln wieder verblasste als ihr Blick sich auf den Mann richtete, der so unsanft zuvor auf den Boden befördert wurde. "Ihr wagt es", begann sie mit unheilvoller Stimme und schritt auf den Mann zu, die Augenbrauen skeptisch ein Stück in die Höhe gezogen während sie ihren Blick über seine lädierte Erscheinung wandern ließ, das zornige Funkeln in seinen Augen wahr nahm. "hier einen Bittsteller anzugreifen? Ihr wagt es, Blut im Schloss vergießen zu wollen? Erinnert Euch gefälligst an Eure Erziehung oder ich sehe mich dazu gezwungen, Euch daran erinnern zu lassen, Lord!"

"Natürlich nicht euer Majestät" erklärte Ott leise zwischen zusammen gepressten Zähnen, ehe er auf Gabriel zeigte.
"Aber ich dachte eigentlich... es würde keinen Unterschied machen ob in der Küche ein Schwein geschlachtet wird oder das Blut eines Bürgerlichen fließt..." mühsam richtete er sich auf.
"Wenn es... um diesen Zwischenfall in der Schenke geht, Majestät so möchte ich euch sagen das die Familie, wenn es denn sein muss eine Entschädigung erhält, wenngleich ich es auch unangemessen finde - ihr werdet mir doch zustimmen, dass der Pöbel nunmal daran erinnert werden muss wo sein Platz ist - wir können es uns nicht leisten, dass sie glauben sie könnten sich erheben!" er klopfte sich den Staub ab.

"Ihr dachtet?", echote Coreen lediglich mit seltsam ruhiger Stimme ehe sie langsam den Kopf schüttelte und trat einen weiteren Schritt auf ihn zu. Inzwischen funkelte auch in ihren Augen der Zorn über das Handeln des Adligen und über seine Uneinsichtigkeit. "Beim nächsten Mal überlasst Ihr das Denken vielleicht wieder den Bürgern dieser Stadt, denn darin scheinen sie weitaus geschickter zu sein als Ihr!", fuhr sie im nächsten Moment wütend auf und verschränkte die Arme vor der Brust während sie seine Erscheinung noch einmal musterte, sich ernsthaft darüber Gedanken zu machen begann, was sie nun am besten mit ihm anstellen sollte. Ihr war danach ihn hinrichten zu lassen, ihn langsam zu Grunde gehen zu lassen während er vor dem Volk jämmerlich um sein Leben flehte, damit jeder dieser Stadt sah, dass dieser Bastard eben nicht das tun und lassen konnte, was er wollte.
"Die Bürger dieser Stadt müssen also an ihren Platz erinnert werden? Was glaubt Ihr, wer Ihr seid, dass Ihr darüber entscheiden könnt? In diesem Reich wird es keine Willkür gegenüber dem Volk geben - nicht von Eurer Seite aus und nicht von der Seite eines anderen Adligen! Es obliegt dem König und mir über die Vergehen eines Bürgers zu urteilen und nicht Eurer Hand", sprach sie weiter, wandte sich um und trat von ihm zurück. "Eine unangemessene Entschädigung also glaubt Ihr ... nun, ich denke das sieht die Familie, der Ihr dieses Leid zugefügt, anders. Ihr werdet die Familie dafür entschädigen, was geschehen ist - jeden Monat aufs Neue, damit Ihr nicht vergesst, welchen Fehler Ihr begangen habt - was nun wiederum Eure Strafe anbelangt, so lege ich Euer Schicksal in die Hände dieses jungen Mannes. Er wird entscheiden, was mit Euch geschehen wird."

Überrascht hob Gabriel, der die ganze Zeit ein wenig abseits von der Szenerie gestanden hatte, den Kopf und sah die junge Königin an.
Er sollte über das Schicksal eines Adligen entscheiden ? Dann wurde ihm klar, was das bedeutete. Die Königin hatte ihn tatsächlich angehört und über die Sache gerecht entschieden. Einen Moment lang überlegte er, welche Strafe angemessen wäre. Der Tod wäre zu schnell, er wollte, dass der Adlige Zeit hatte, darüber nachzudenken was er verbrochen hatte und es zu bereuen. Dann fasste er einen Entschluss und straffte die Schultern.
" Auge um Auge, Zahn um Zahn ", begann der junge Student, " Meine Schwester ist traumatisiert, sie weigert sich zu essen und zu sprechen. Nachts wacht sie schreiend auf, weil sie Albträume hat. Sie bekommt kaum noch etwas von ihrer Umwelt mit. "
Gabriel fixierte das Gesicht seines Gegenübers scharf und ließ seinen Blick dann zu Coreen hinüberwandern.
" Ich möchte, dass man ihn blendet und ihm die Trommelfelle durchsticht. Das wird ihm die Möglichkeit geben, über seine Verbrechen nachzudenken und zu bereuen. Außerdem wird es andere Frauen vor weiteren Übergriffen dieses...Mannes beschützen. "

"Was?" schrie Ott nun auf und wirbelte herum.
"Du kleiner Bastard wagst es? Und ihr? Ihr gebt ihm das Recht? Es gibt kein Recht auf dieser Welt das den Pöbel mit dem Adel gleich stellt! Natter!" er verengte das nicht geschwollene Auge und ließ seine Hand zum Rapier wandern, zog diesen aus der Scheide, trat zurück und hob seine Hand, langsam - drohend.
"Dieses Urteil ist eine Farce Majestät! Ich verlange, dass dieses Spielchen aufhört! Es sind nur Bauern! Menschen von niedrigerem Stand! Sie sind nichts Wert! Jede Vase die ich hier zerstören könnte wiegt das Leben dieses Mädchens tausend mal auf! Macht keinen Fehler! Wenn mein Vater von alledem erfährt..."

"Dann was?", fragte sie lediglich völlig ruhig, ließ sich nicht von der Drohung des Adligen beeinflussen, die er ausgesprochen hatte. Sollte diese eine Familie doch aufbegehren, sie würde sich nicht einschüchtern lassen, würde keinen einzigen Schritt zurückweichen und damit das Volk, welches die größte Macht im Reich besaß, enttäuschen. "Dann wird er gegen König und das vereinigte Reich aufbegehren? Wollt Ihr mir drohen, Lord Ott und mich damit glauben lassen, dass Ihr nun auch noch Verrat begehen wollt?", fragte sie noch, atmete einmal durch um ihre Wut zu zügeln, die in ihr aufloderte als wäre sie ein alles verzehrendes Feuer, die nur darauf wartete, dass Ott einen weiteren Fehler beging, woran sie ihn aufhängen konnte.
"Ihr solltet schweigen bevor Ihr es noch schlimmer macht. Ich habe meine Entscheidung getroffen und wenn ich Euch daran erinnern darf, dann ist mein Wort wie das meines Gemahls das Gesetz in dem vereinigten Reich der Menschen. Ihr habt lange genug Selbstjustiz verübt und seid dafür nicht zur Verantwortung gezogen worden. Jeder Mann oder jede Frau, jedes Kind in diesem Reich hat einen großen Wert und es ist gleichgültig, welcher Berufung sie nun nachgehen."

"Was? Was?" fragte er, während sich in seinem Geist ihre Worte überschlugen, sich formten und zu einer Erkentnis welche ihn zu einer unumstößlichen Wahrheit führte. Er würde geblendet werden - ein Invalide werden und nie mehr ein normales Leben führen können. Panik keimte in ihm auf, umloderte sein Herz und seinen Geist - ließ seine Muskel brennen wie flüssiges Feuer.
Ein Schritt, ein Stoß - schneller als ein Herzschlag.
Der Rapier durchdrang Coreens Schulter, ihr Schrei ging in seinem Unter

Hemióne packte den Verrückten an den Haaren und zog ihn von Coreen zurück. Sie schlug ihm mit ihrem Schwertknauf in die Achsel und mit dem Stiefel trat sie ihm in die Kniekehle. Er brach vor ihr zusammen und sie stieg über ihn hinweg auf Coreen zu. Sie nahm den Griff des fremden Rapiers und hielt eine Hand auf Coreens Schulter. Während sie einige Worte in der Alten Sprache murmelte, zog sie das Rapier aus ihrer Schulter und hinterließ eine kaum sichtbare Wunde.
Sie warf das Rapier, welches weit aus schlechter gefertigt war als ihres in Richtung des Vergewaltigers und funkelte ihn böse an. "Wie könnt ihr es wagen, die Königin selbst zu bedrohen und anzugreiffen, in ihrem Schloss?!", fragte Hemióne entgeistert. Sie hatte ihre Freundin nach der großen Schlacht wirklich besuchen müssen. Also hatte sie sich bei den Fürsten Ilireas für anderthalb Wochen abgemeldet und war nach Ceunon geritten.

Überrascht von der Dummheit des Adligen und dem stechenden Schmerz, der durch ihre Schulter schoss, hob sie eine Hand zu der Wunde, taumelte einen Schritt zurück und starrte verwundert auf das Blut, das an ihren Fingern klebte, die sie auf die Wunde gepresst hatte. Die Wachen, die in dem Saal standen, reagierten schneller als sie auch nur ein einziges Wort geformt hatte und waren rasch bei dem Mann, hielten ihn in einem unnachgiebigen Griff fest und zerrten ihn wieder zurück, brachten Abstand zwischen ihn und die anderen beiden, um ihn davon abzuhalten, einen weiteren Angriff zu vollführen.
"Bringt ihn in die Kerker und sorgt dafür, dass er dort bleibt bis seine Strafe vollstreckt wird", presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor ehe ihr Blick zu der silbrigen Klinge glitt, die auf den Boden gefallen war und von der sich das dunkle Blut der jungen Herrscherin auf dem steinernen Boden des Thronsaals verteilte. Sie registrierte erst nach einigen Minuten, dass die Schwertwunde, die sie davon getragen hatte, auch schlimmer hätte ausgehen können - dass sie Glück gehabt hatte, dass der Adlige nur ihre Schulter erwischt hatte.

Eine Wachen, welche nicht schnell genug hatten reagieren können stürmten nun auf den Adligen zu und zwangen ihn mit übertriebener Gewalt auf dem Boden zu bleiben, ehe sie ihn unsanft hoch rissen und abführte

tbc: Kerker

Mit einem grimmigen Lächeln auf den Zügen beobachtete sie, wie der Adlige gemeinsam mit den Wachen, die ihn festhielten, aus dem Raum geführt wurde und löste langsam den Griff ihrer verkrampften Hand, die auf der Wunde lag, die der Adlige ihr zugefügt hatte. Hemióne hatte zwar dafür gesorgt, dass die Wundränder sich zusammen gezogen hatten, doch der kurze Moment, in dem die Magie der Elfe geflossen war, hatte nicht genügt um die Wunde vollständig heilen zu lassen - es genügte jedoch, dass von dieser inzwischen nur noch ein dumpfes Pochen ausging das ihr Kopfschmerzen bescherte. Wie sie diese Art von Männern hasste, die glaubten alles aufgrund ihres Standes tun und lassen zu können.
Langsam wandte sie sich wieder dem jungen Mann zu, der bislang schweigend die Sequenz beobachtet hatte und brachte es zu Stande ein aufmunterndes Lächeln auf ihre Züge zu bringen. "Es war richtig, dass Ihr hierher gekommen seid und ich bedauere kein einziges Wort, noch die Verletzung, die mir das richtige Handeln eingebracht hat. Ich werde Heiler zu Euch entsenden lassen, die sich um die Verletzungen kümmern werden, die dieser unangenehme Zwischenfall gefordert hat. Ein Bote wird Euch über den Zeitpunkt der Urteilsvollstreckung informieren und ich würde es begrüßen, Eure Familie dort anwesend zu wissen" , wandte sie sich an den jungen Mann bevor sie die paar Schritte zurück zu den Stufen trat und sich wenig später wieder auf ihren Platz sinken ließ, damit gleichermaßen das Zeichen für Gabriel gab, sich entfernen zu können.

tbc: für Gabriel - zurück auf dem Gehöft