Der große Innenhof

'Ich brauche nicht mehr als dein Einverständnis', erwiderte sie ihm sanft, lehnte den Kopf gegen seinen Hals und genoss für einen Moment die Wärme und die Sicherheit, die Anwars Körper ihr vermittelte. Sie glaubte den Worten ihres Bündnispartners, zweifelte nicht eine einzige Sekunde lang an der Überzeugung, welche ihnen innewohnte - Anwar war mutig genug seine Drohung wahr zu machen, völlig egal, wer vor ihm stand, doch mit seinen Worten wurde ihr auch wieder bewusst, dass sie niemals eines dieser Pärchen sein würden, die unbeschwert über einen Markt schlendern würden. Sie würden sich stets nur im Geheimen treffen können, ständig in der Befürchtung von jemandem entdeckt zu werden.
'Ich habe dich vermisst', ließ sie Anwar nach einer Weile wissen, die sie mit den trüben Gedanken verbracht hatte und schüttelte sacht den Kopf um eben diese trüben Gedanken wieder zu vertreiben. Sie hatte gewusst, auf was sie sich einließ - sie hatte gewusst, was es bedeuten würde und trotz all dieser Einschränkungen änderte es nichts. Weder an ihm, noch an ihr.

Eine Weile lang hörte man nur das entfernte Rufen von ein paar Wachen, die gerade die ihre Schicht beendet hatten und sich nun in ihre Quartiere zurückzogen. Der Himmel bewölkte sich und die ersten Schneeflocken fielen vom Himmel. Mit einem mal durchbrach ein kratzendes Geräusch die Stille. Alwin war in einiger Entfernung zu sehen, er hatte sich einen dicken Wams angezogen und einen kleinen Schal um den Hals geworfen. Freudig rannte er auf Caladhiel und Anwar zu. Schaut mal! Rief er lachend und deutete auf das Schwert das er hinter sich auf dem Boden entlang zog. Ein kalter Wind wehte in der Festung und unter Alwins Stiefeln hörte man ein leises knirschen, das die dünne Schneeschicht von sich gab.

Überrascht von der glücklichen und nur allzu bekannten Kinderstimme, die sich ihnen näherte, hob Caladhiel den Kopf und lenkte ihren Blick zu Alwin hinüber. Sie zog die skeptisch die Augenbrauen ein Stück in die Höhe als ihr Blick auf das Schwert fiel, das der Junge hinter sich herzog und war bereits in der nächsten Sekunde auf den Beinen, Anwar sacht noch einmal über die Flanke streichend. 'Schwerter ... jetzt fängt der Junge schon mit Waffen an ...', ließ sie den Drachen resigniert wissen, verbarg jedoch ein Kopfschütteln und trat langsam zu dem Jungen hinüber.
Ihr war nicht wohl dabei, den Jungen bereits jetzt mit einer Waffe umher laufen zu lassen, wollte sie ihn doch niemals in einem Kampf stehen sehen, der sein Leben gefährdete, wenngleich sie dies auch kaum vermeiden konnte. "Hat dir das Schwert einer der Soldaten gegeben?", fragte sie leise und strich dem Jungen sacht über die Haare, versicherte sich noch einmal mit einem prüfenden Blick, dass seine Kleidung dick genug war, um ihn vor dieser Kälte zu schützen und er sich hier draußen nicht den Tod holen würde.

Nein... das lag da einfach so rum und ich dachte mir ... naja du kämpfst doch auch immer mit Schwertern... und die anderen Leute hier auch. Die Kinder auch! Nur ich nicht! Deswegen wollte ich üben, damit ich genauso gut werde wie die anderen! Sagte er eifrig und wischte sich über die rote Nase, kurz darauf nieste er zweimal hintereinander und schüttelte sich kurz. Pass auf! Ich kann das schon... Stöhnend versuchte Alwin das große Schwert hoch zu heben, doch er konnte es lediglich ein paar Millimeter über den Boden bewegen ehe er das Gleichgewicht verlor und auf den kalten Boden plumpste wie ein nasser Sack.

Ein leises, warmes Lachen entfuhr der Elfe als der Junge auf dem Boden landete und streckte die Arme aus, sie um den Jüngeren legend und ihn wieder zurück auf die Füße stellend. Prüfend musterte sie ihn erneut, nur um festzustellen, dass er sich bei dem Sturz nichts getan hatte und begann dann sanft seine Kleider von dem Schnee zu befreien, der daran haften geblieben war. "Du willst also auch mit Schwertern kämpfen, wie wir?", fragte sie und legte eine Hand an seine kühle Wange, lenkte ihre Augen weg von dem Schwert, das inzwischen unbeachtet ein Stück hinter dem Kind lag, das mit roter Nase vor ihr stand.
Sie wünschte sich, er hätte diesen Wunsch nicht geäußert, denn sie fühlte mit diesen Worten all ihre dunklen Befürchtungen bestätigt - die Angst greifbarer werdend, die sie davor hatte, dass ihm eines Tages etwas geschehen würde, doch vermutlich war es besser, wenn er sich zu verteidigen wusste. Mit einem resignierten Seufzen schüttelte sie den Kopf und brachte dann das Lächeln zurück auf ihre Züge. "Dann holen wir dir aber ein kleineres Schwert, Alwin, mit dem du besser mit den anderen Kindern üben kannst, ja?" 'Eines, das nicht scharf ist', fügte sie nur noch in Gedanken dazu.

Anwar musste schmunzeln als er den Jungen beobachtete, der aufgeregt nickte und es sich verkneifen musste nicht vor Freude zu hüpfen. Du solltest dir nicht so viele Gedanken machen... er ist ein Junge Cala, dachtest du er will später einmal Kammerzofe werden? Ertönte es in dem Kopf der Reiterin. Er verstand ihre Befürchtungen durchaus, doch er trug als Ziehsohn der Hochmeisterin eine gewisse Gefahr mit sich.
Als Alwin dann lautstark darauf bestand das Beorn mit ihm übte, schnaufte Anwar so stark, das sich ein Teil des Schnees vom Boden aufwühlte.

'Ich weiß, Anwar und du hast Recht', stimmte sie dem Bündnispartner zu, dessen dunkle Stimme in ihrem Kopf erklang und sie daran erinnerte, dass sie vielleicht mit Alwin ein wenig zu sorgsam umging. Anwar hatte Recht mit seinen Worten - es war voraussehbar, dass er eines Tages kämpfen würde, um diejenigen zu verteidigen, die er liebte. 'aber Alwin ist ein Kind und ich hatte gehofft, ich könnte ihn vor dem Krieg bewahren, gerade wegen alledem, was er in Dras-Leona hat, erleiden müssen. Er ist mein Sohn, Anwar, auch wenn er nicht mein eigenes Kind ist', fügte sie nach einer Weile hinzu und nickte Alwin mit einem sanften Lächeln zu, gab damit ihr Einverständnis zu seiner Bitte mit Beorn üben zu können. Sie würde mit dem alten Veteranen vorher noch einmal darüber sprechen und ihm eindringlich klar machen müssen, dass er mit ihm nicht so umgehen sollte wie mit den einfachen Soldaten, ihn nicht derartig beleidigen sollte.

Im schwachen Sonnenschein der aufgehenden Sonne waren zwei Gestalten zu sehen. Eine davon elfischer Natur, die andere hatte weit grobere Gesichtszüge, einen vorangeschrittenen Bart im Gesicht, der bereits leichte Grauverfärbungen aufwies. Beide trugen die leichte Lederrüstung der Reiter, auf dessen Brustpanzer ein roter Drache zu sehen war. Garvin trug ein silbriges Bastardenschwert an seiner rechten Seite, welches in eine schlichte Lederscheide gehüllt war. Sein Gesicht war schweißüberströmt und von zahlreichen Kratzern und Schrammen zu sehen. Seit seinem letzten Besuch in der Festung hatte er sich äußerlich verändert. Eine neue Narbe war nun, unterhalb seines rechten Auges zu sehen und eine weitere Verlief über seine Lippe. Freudig rannten einige der Bediensteten zu den beiden Männer und erkundigten sich wie es ihnen ging. Vor etwa acht Monaten waren die beiden Kameraden dazu auserwählt worden, die versprengten Truppen in Surda und an der Küste zu vernichten. Gerüchte hatten sich breit gemacht, da über einen langen Zeitraum nicht von ihnen zu hören war. Doch nun waren sie wieder da.
"Ich bin Zuhause." Murmelte Garvin und lachte leise, musste es sich verkneifen eine Träne über seine Wange kullern zu lassen. Es war alles noch wie damals, als hätte die grässliche Fratze des Krieges diesen Ort nie berührt.

Die hochgewachsene Erscheinung einer Elfe erschien wenig später in den umherwuselnden Dienern, die allesamt damit beschäftigt waren, nach den beiden heimgekehrten Kriegern zu sehen und ihnen Wasser entgegen zu bringen. Ihre Stimmen drangen an die spitzen Ohren der Anführerin des Ordens und auf deren feinen Zügen bildete sich nach und nach ein feines Lächeln ab. Sie war erleichtert, die beiden lebendig und an einem Stück wieder hier zu sehen, denn einmal abgesehen von ein paar Schrammen und Kratzern schien ihnen nichts zu fehlen.
"Wir haben schon befürchtet, ihr beide würdet euch noch mehr Zeit mit dem Heimkommen lassen", erhob sie die Stimme, doch keines ihrer Worte klang auch nur annähernd so böse, wie sie im ersten Moment den Anschein gemacht hatten. Langsam trat sie ein paar Schritte nach vorn, scheuchte mit einer knappen Handbewegung die Diener wieder in die Festung hinein und gab ihnen im Vorbeigehen die Anweisung, die Zimmer der beiden Krieger wieder herzurichten und für ein Bad und neue Kleidung zu sorgen, denn das brauchten sie in diesem Moment wohl neben etwas zu trinken und essen wohl am dringendsten.
"Es ist schön euch wieder gesund hier zu wissen", setzte sie nach einem Moment des Schweigens ihren ersten Worten hinterher und löste die strenge Haltung, in der sie zuvor noch verharrt hatte. "Wir haben die Hoffnung darauf, dass ihr wohlbehalten heim kehren würdet, nicht verloren und wie es scheint war diese Hoffnung und der Glaube an euer beider Fähigkeiten nicht umsonst."

Einen Moment lang verharrte Garvin noch in seiner strengen militärischen Haltung, dann löste sie die Hand von seiner Stirn und er umarmte seine Vorgesetzte kurzerhand. "Ihr dachtet doch nicht etwa das wir euch hier allein lassen würde? Die Festung würde doch alt aussehen ohne uns." Der Soldat klopfte Caladhiel auf den Rücken und löste dann seine Umarmung, brachte wieder einen, den militärischen Etiketten gemäßen Abstand zwischen sich und der Elfe. "Apropo alt... wie es wohl Beorn geht? Ach darum sollte ich mir keine Sorgen machen... der wird wohl noch mit achtzig Steine kauen und Jungeiter verprügeln..." Sein Lächeln war nicht verschwunden. Mit einem tiefem Atemzug zog er die frische Luft ein und sah sich um. Es herrschte Idylle, zumindest sah alles danach aus. Er hörte einige Kinder lachen und Jungreiter auf dem Übungsfeld trainieren. Viele der Bediensteten huschten durch die überdachten Übergänge, riefen sich im vorbeigehen die Pläne für den heutigen Abend zu. Doch daraufhin wurden ihm sein beißender Hunger und seine trockene Kehle bewusst. "Es ist erstaunlich wie sehr die Grundbedürfnisse nach unten rücken, wenn man ein bisschen Luxus hat:"

Behutsam, fast in der Befürchtung, sie könne ihn allein durch die Umarmung verletzen, erwiderte Caladhiel die Geste sacht, ein warmes Lächeln auf den feinen Zügen ehe auch sie wieder einen Schritt zurück machte. Ihre Augen striffen erneut über die beiden zerlumpten Gestalten der beiden Krieger, schienen nun zum ersten Mal wirklich die zahlreichen kleineren Verwundungen wahrzunehmen und in ihrem Gesicht begann sich Besorgnis abzuzeichnen. "Geht hinein", begann sie mit ruhiger Stimme, welche deutlich machte, dass sie in diesem Augenblick keinen Widerspruch erwartete. Die Zeit, in der die Welt Helden brauchte, war vorüber - war nach dem Rückzug der Fyhamer abgelöst worden von dem Frieden, den, so hoffte die Elfe, sie lange Jahre halten würden.
"Lasst euch etwas zu essen und zu trinken geben. Ruht euch aus - ich denke, ihr werdet das benötigen", fuhr sie fort während ihr Blick sich von den beiden Kriegern abwandte und zurück zu der Festung glitt. Sie hörte das kindliche Lachen der Jungen, die dort noch mit Holzschwertern trainierten bis sie alt genug waren, eine richtige Waffe zu führen. Das Reich, jedes Volk hatte dafür verbissen und mit aller Macht gekämpft, dass diese Kinder noch lange so unbeschwert lachen konnten. Diese Kinder, die Hoffnung und die Wärme in den Augen dieser beiden zurückgekehrten Soldaten war es wert jeden neuen Kampf wieder aufzunehmen, um das zu bewahren, was ihnen allen wichtig war.
"Und lasst euch neue Kleider geben. Ihr seht furchtbar aus", endete sie ihre Ausführung und zum ersten Mal seit langer Zeit huschte ein belustigtes Lächeln über ihre Züge und der Glanz in ihren Augen verriet den sanften Spott hinter den trocken gewählten Worten.

"Danke." Meinte Garvin nur leise und nickte dankbar, ehe er sich zu Teyran drehte. "un... acht Monate unterwegs gewesen. Ich denke, fürs erste haben wir unsere Pflicht erfüllt." Es war eine schier endlose Zeit gewesen, Tage kamen ihm wie Wochen vor, Woche wie ganze Jahre während sie ständig auf einen neuen Trupp der Fyamer stießen. Sie waren hartnäckig gewesen, hatten sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt diesen Kampf zu verlieren doch letzten Endes hatte die guten gewonnen. Zumindest Gavins Meinung nach. Der Soldat sah nach links und sein Blick fiel auf einen kleinen, blonden Jungen der gerade mit Pfeil und Bogen auf eine Strohpuppe schoss. "Eine halbe Elle höher halten." Rief Garvin ihm in vorbeigehen zu. Der Junger, welcher sich erschrocken umgedrehte hatte nickte nur argwöhnisch, versuchte es aber mit den neuen Anweisungen. Kurz rüttelte Garvin an seiner Schwertscheide, die inzwischen recht lose hin und her baumelte, dann hörte er wie sich ein Pfeil durch die Übungspuppe bohrte. "Danke!" Rief der Junge dem alten Soldaten zu ehe er sich wieder seinem Training widmete. "Ihr seht furchtbar aus... also ich finde." Begann Garvin lachend und sah dann in einer kleinen Pfütze sein Spiegelbild. "Nun gut ich sehe furchtbar aus..."

Langsam ließ Caladhiel ihren Blick über die alte Festung schweifen, in deren Innenhof sie nun stand. Der weiße Stein, aus dem die Feste gebaut worden war, der riesige Innenhof, in welchem inzwischen wieder zahlreiche Reiter, Schüler und Bedienstete umher liefen und die einzelnen Waren in die Räume brachten, um die Vorratskammern zu füllen und die Zimmer der Reiter wieder bewohnbar zu machen. Beinahe einhundert Jahre lang waren sie nicht mehr hier gewesen - Jahre, in denen sie nach einem neuen Land gesucht hatten, in welchem sie leben konnten, Jahre voller Entbehrungen bis sie eine neue Heimat gefunden hatten, in welcher sie hatten neue Reiter ausbilden können, ihre Reihen wieder aufstocken können bis sie Astayas Ruf ereilt hatte und sie selbigem gefolgt waren. Nun hallten wieder die Schreie der Drachen über die Feste und die Insel Vroengard, die in den Herzen der alten Reiter noch immer die wahre Heimat geblieben war.
Es war jetzt ein eigenartiges Gefühl wieder Schritt für Schritt nach vorn zu treten, die festen Stiefel auf dem alten, weißen Stein aufzusetzen und das leise Klappern ihres Schwertes in der Scheide zu hören, Vindr, das schwarze Schwert der Reiter, gefertigt aus dem Sternenstahl der Elfen, das die Farbe ihres Drachen trug. Der silberne Reif des Hochmeisters der Reiter ruhte auf der Stirn der Elfe, deren dunkle Augen noch immer über die Feste wanderte bis sie den schweren Flügelschlag eines Drachen hinter sich spürte und sich langsam umwandte, den Arm ausstreckte und ihrem Bündnispartner so noch einmal ihren Aufenthaltsort signalisierte. Sie hörte seinen lauten Schrei, der selbst durch ihr Mark und Bein ging und sie spürte seine Aufregung als wäre es ihre eigene, spürte seine Freude darüber wieder Zuhause zu sein und als der Drache wenig später landete, lächelte sie und trat auf ihren Drachen zu.
"Es ist lange her, nicht wahr, Anwar?", fragte sie leise und tätschelte dem Drachen sacht die Flanke. "Es wird Zeit, dass Alagaesia wieder sieht, dass die Reiter zurück sind."

Ein großer Schatten legte sich über den Innenhof und ein mächtiges Geschöpf sank langsam in Richtung des Steinbodens. Der Innenhof war für Reiter und vor allem für dessen Drachen ausgelegt, weswegen Anwar keinerlei Problem damit hatte einen kelhigen Schrei von sich zu geben und die Flügel weit auseinander zu falten, als er auf dem Boden aufgekommen war. Es war ein Ausruf der Freude, auch wenn dies vermutlich kaum Jemand als solchen Deuten konnte - bis auf Caladhiel.
"Viel zu lange." Verlautete dieser und senkte den Kopf, um Auge in Auge mit seiner Bündnispartnerin sein zu können. Seine Augen gaben ein faszinierendes Funkeln von sich, während er sich noch immer kurz nach links und rechts umdrehte, neugierig darauf, was sich verändert hatte und was gleich geblieben war. "Wir führen uns auf wie Jünglinge die zum ersten mal diese Festung sehen, hoffen wir das uns gerade niemand zusieht." Die große Schnauze stieß sanft gegen den Troso seiner Reiterin, ehe der den Kopf gänzlich auf den Boden ablegte. Viel zu lange waren sie abstinent gewesen. Sicherlich hatten sie gute Gründe dafür gehabt, dennoch fühlte er sich fast schuldig dafür, was diesem Königreich in den hundert Jahren, in denen sie Abwesend waren, geschehen war.
Allein an diesen Platz hier waren zahlreiche Erinnerungen gebunden, unter anderem die Ernennung von Caladhiel zur Hochmeisterin.

"Damals habe ich dich aber noch auf dem Arm tragen können und du warst nachts damit beschäftigt, die Vorratskammern auszuräumen, weil die Hunger hattest", erinnerte Caladhiel ihren Bündnispartner sacht und machte einen halben Schritt zurück, als Anwar ihr sacht gegen die Brust stieß, nachdem er gelandet war. Schon jetzt füllte der große, schwarze Drache den gesamten Innenhof der Feste aus und überragte seine gleichaltrigen Brüder um zahlreiche Meter, so dass sich die Reiterin jedes Jahr aufs Neue fragte, wie groß der Drache noch werden wollte. Damals war er so klein gewesen, hatte sie mit seinen großen Augen fragend angesehen und noch heute erinnerte sie sich daran, wie sie aneinander gekuschelt in dem kleinen Bett der Novizen gelegen hatten, nachdem Anurin sie einmal mehr gerügt hatte und heute standen sie hier - als Hochmeister der Reiter und Anführer des gesamten Ordens, zurückgekehrt aus dem selbst gewählten Exil, in das sie nach dem mühsam errungenen Sieg gegen Fyham gekehrt waren.
Während der Schlacht hatten sie viele Reiter und Unschuldige verloren, hatten viele Opfer hinnehmen müssen und viele der einstigen Freunde und engen Vertrauten beerdigen müssen. Caladhiel erinnerte sich noch heute an die Schreie der Drachen als sie zu Boden gestürzt waren, erinnerte sich an die verstümmelten Leichen ihrer Reiter und Wehmut keimte in ihr auf, als sie daran dachte, dass auch sie in dieser Schlacht viel verloren hatte. Caleb war durch die Hand eines Fyham-Soldaten gestorben, Alwin war ermordet worden als ein Attentäter in die Feste hatte eindringen können und Anwar und sie hatten zahlreiche Narben davon getragen, die sie beide zeichneten.
"Wir sind wieder Zuhause, Anwar", lächelte sie und trat wieder zurück zu ihrem Drachen, lehnte sich gegen seinen massigen Hals und strich darüber. "Hier gehören wir her."

Es war seltsam wie wenig nötig war, um ein Gefühl in Anwar auszulösen, das so lange Zeit nicht einmal er selbst zu Gesicht bekommen hatte. Die breiten Nüstern blähten sich ruhig auf und wieder ab, woraufhin ein leichter Schwefelgeruch die Luft erfüllte. "Ich kann mich gut daran erinnern wie viele Probleme mit diesem Ort verbunden waren." Seine Lefzen zogen sich zu einem, wenn auch etwas verzerrten Lachen und er genoss den Moment in dem es nur ihn und Caladhiel auf dem großen Platz aus Stein gab.
"Wir sollten die Insel erkunden - möglicherweise hat sich in den letzten hundert Jahren etwas in der Vegetation geändert - oder aber wir nehmen dies einfach nur als Grund um kurz verschwinden zu können und einen ruhigen Moment zu erhaschen." Doch kurz darauf schob er seine Reiterin ein Stück weit zur Seite, bis er sie mit seinem gesunden Auge ansehen konnte.
"Du sorgst dich, nicht wahr?" Es war weniger eine Frage, als mehr eine Feststellung. "Dir ist bewusst das alles was wir hier tun, egal wie klein es auch sein mag, gut für die Menschen in diesem Land ist, nicht wahr? Sie haben inzwischen vergessen wer die Drachenreiter sind und wofür sie eigentlich bestimmt sind - Sie wurden sich selbst überlassen und es gibt zu wenige Menschen die versuchen, einen Konflikt langfristig zu lösen."

"Natürlich sorge ich mich, Anwar - das, was ich bislang von diesem Land miterlebt habe, ist traurig ... wir haben einst so viel Gutes hier getan, wir haben den Menschen einen neuen König gebracht, wir haben die Schlacht gegen Fyham gemeinsam, Seite an Seite, mit allen anderen Völkern überstanden und nun kommen wir nach einhundert und siebzehn Jahren zurück und alles, was von unserem Werk übrig ist, ist Asche", erklärte Caladhiel leise, wenngleich sie auch wusste, dass ihr Drache die Antwort längst kannte, die ihr auf der Seele gebrannt hatte und die sie nicht mehr hätte aussprechen müssen - sie spürte den Wehmut des Drachen ebenso wie ihren eigenen Schmerz. Sie hatten damals so vieles geopfert, hatten so viele Regeln gebrochen, um selbst einen neuen Weg zu finden und nun standen sie dennoch hier und mussten diesen Kampf erneut auf sich nehmen, um eines Tages vielleicht Frieden für das Land zu erhalten, indem die zukünftigen Generationen in Ruhe und Glück aufwachsen konnten, fernab von Krieg und willkürlichem Mord.
"Wir werden es wieder schaffen, Anwar", versuchte sie ihren Drachen noch einmal zu überzeugen und legte den Kopf in den Nacken, blinzelte hinauf in die helle Sonne, die aus einem klaren Himmel auf sie beide herab schien und ihr eine wohlige Gänsehaut über den Rücken jagte, während der Ferne das Kreischen der Möwen erklang, die ihre Bahnen über dem stürmischen Meer und den hohen Klippen Vroengards zogen und die alten Herren zu begrüßen schienen. Einst hatte sie Anurin geschworen, sein Erbe weiter zu führen, ihren alten Meister niemals zu vergessen und noch heute vergaß sie nie die Lehren, die er Anwar und ihr einst beigebracht hatte, als sie noch Kinder gewesen waren - ohne ihn würden sie beide nicht hier stehen. "Wir werden wieder den Frieden zurück bringen und die Menschen daran erinnern, dass die Reiter keine Geschichten sind."

Er wollte beinahe Fragen was sie erwartet hatte - was Sie vermutet hatte, wie es mit den Menschen weiter verlief wenn sie nicht da waren. Es gab immer einen Weg um fortzufahren, daran bestand kein Zweifel und genau das war vermutlich auch das spezielle an dieser Welt. Die verschiedenen Völker, egal wie geschlagen und gegeißelt, fanden irgendwann doch wieder eine Epoche in der sie langsam auferstehen konnten. Doch damit dieser Prozess beginnen konnte, musste man zuvor alles verbrennen.
Vielleicht war es ein Lauf der Zeit den man nicht beeinflussen konnte, ein Kampf gegen Windmühlen der so dumm war wie der Kampf gegen die Flut. Sie kam beständig immer und immer wieder, zerstörte und war doch notwendig. Doch all diese Gedanken sprach er nicht aus, auch wenn er vermutete, das Caladhiel spürte, das er anderer Meinung war als Sie. Doch er wollte Ihr ihren Kampfgeist nicht nehmen. Es war schon immer das gewesen, was sie zum Unikat und letzten Endes auch zu einer geborenen Anführerin gemacht hatte.
"Natürlich werden wir es wieder schaffen - mir würde niemand sonst einfallen der dieser Bürde gewachsen wäre. Und außerdem. Das erste mal soll immer das schwerste sein, vielleicht wird es jetzt einfacher die Welt daran zu erinnern wer wir sind und wofür wir bestehen?"
Er stupste Sie sacht mit der großen Schnauze an, ehe er den Kopf wieder auf den Boden legte. "Allein wenn du bedenkst, dass alle diese Leute dir hier gefolgt sind.." Sein ausschweifender Blick ging über das Tal. ".. und das sie auf deine Worte hin alles tun. Ich das es in erster Linie wie eine Bürde und eine Last wirkt, derart viel Verantwortung zu tragen. Sei dir jedoch auch bewusst das du eines der wenigen Wesen bist, die diese Verantwortung überhaupt erst verdient haben. Und das ist ermutigender als alle Ergebnisse die wir anstreben können."

Caladhiel lächelte für sich selbst über die Worte ihres Drachen, welche ein warmes Gefühl in ihrem Inneren hervorriefen, welches sie gänzlich und vollkommen einnahm und sacht trat sie einen Schritt näher zu ihm hinüber, streckte einen Arm aus und legte ihn auf die ledrige Haut seines Halses. Anwar war über all die Zeit so groß geworden, dass es ihr selbst immer schwerer fiel, sich daran zu erinnern, wie der kleine, schwarze Drache sich vor über zweihundert Jahren an sie gepresst hatte als Anurin sie beide hierher gebracht hatte - jetzt standen sie hier in der Position, in der er einst gewesen waren, bildeten Schüler aus und erneuerten alte Schwüre, die sie einst gegeben hatten. Die Drachenreiter hatten schon immer die Aufgabe gehabt, das Land vor dem Schrecken zu beschützen, das ihm drohte - es vor den Schatten zu verteidigen, die die Finsternis wieder und wieder ausstieß und einmal mehr wurde sich Caladhiel darüber bewusst, welche Ehre es eigentlich für Anwar und sie war, diese Aufgaben auszuüben. Welche Ehre es war, all diese Menschen und Elfen um sie zu haben und sie führen zu dürfen.
"Anwar ...", begann sie und ein entschlossenes Lächeln tauchte auf ihren Zügen auf, das selbige erhellte und den alten Kampfesmut in der Elfe wieder aufglimmen ließ, den sie einst noch verloren geglaubt zu haben schien. "Es wird Zeit", ließ sie folgen und trat an dem Hals vorbei, nur um sich wenig später auf den Rücken ihres Drachen zu schwingen und die tiefen Atemzüge zu spüren, die seinen gesamten Leib sich heben und senken ließ.
"Lass uns fliegen. Lass uns dem Land zeigen, dass die Reiter zurückgekehrt sind."

Anwar blähte erneut die Nüstern auf, diesmal jedoch deutlich stärker als vorher, sodass kurz darauf leichte Rauchschwaden über dem weißen Boden zu erkennen waren. Ein einziger, lauter Schrei des Drachen hallte durch die Festung und klang noch mehrere Sekunden nach, woraufhin sich die breiten Läufe nach oben bewegten und die Flügel sich ausbreiteten. Die dünne Haut zwischen den einzelnen Knochengliedern war fein, fast wie dünner Samtstoff, den man über ein Gatter gespannt hat und wie durch eben jenes konnte man auch durch Anwars Flügel das Licht der Sonne erkennen, welche bereits an einem hohen Punkt stand. Wie lange er die Hügel und Berge schon nicht mehr gesehen hatte - er konnte zwar die Zahl der Jahre nennen, doch wirkte sie surreal und falsch neben der eigentlichen, gefühlten Zeit. Es waren Bruchstücke aus einer längst vergangenen Erinnerung, die aber dennoch die Existenz seiner Reiterin und auch seine eigene war.
Er flog tiefer, über einige der schneebedeckten Gipfel und streifte beinahe mit einigen seiner Klauen den Boden. Sekunden nachdem er über die Gipfel geflogen war, konnte man auf diese die ersten Spuren seines Fluges erkennen. Weit aufgebäumte Schneeschwaden, welche sich nur langsam wieder zu Boden setzten, aufgewirbelt von einem einzigen Flügelschlag. "Näher an die Freiheit werden wir nie gelangen." Sie hatten zu viele Verpflichtungen als das sie ganz und gar die sein konnten, die Sie eigentlich waren und nicht die, die Ihrer Bestimmung folgten. Doch trotz allem fühlte sich dieser Moment losgelöst von allem anderem an.
Ein letztes Luftholen vor einem baldigen Hammerschlag. "Was denkst du, kannst du dich noch festhalten?"

Einen alten Mann erkannte man nicht an seinem krummen Gang, an dem Stock den er bei sich trug, an dem grauen Haar oder den zittrigen Gliedern. Selbst wenn Garvin all diese Zeichen mit sich trug, so war es das glückselige Lächeln des Alters das ihn mehr zeichnete als alles andere. Es wurde nicht durch Medizin oder ähnliches verliehen sondern von einer Gewissheit, der man leider erst im Alter erlag. Jeder Augenblick den er erlebte hatte und noch erlebte war kostbar, ein Geschenk. Jedes Gespräch, jeder Freund den er wiedertraf, jede Nacht in der er sich ruhig zu Bett legen konnte. Es gab so viel für das er dankbar sein konnte. Nicht zuletzt zusammen mit diesen wundervollen Personen zusammen zu leben und selbst im hohen Alter noch neue Erfahrungen machen zu dürfen, was den Glauben an etwas anging.
Sein Kopf hob sich langsam, doch wusste er bereits an dem dumpfen Klang, der an seine Ohren kam, dass er dem heran nahenden Drachen Platz machen sollte. „Caladhiel.“ Murmelte er mit einem Lächeln auf den Lippen. Er hatte nicht erwartet die Hochmeisterin so bald wieder zu sehen, hatte befürchtet dass sie sich fortan um die Belange der Reiter außerhalb der Festung kümmern musste. Doch war es nicht das erste Mal das diese Frau ihn überraschte. Doch neben ihr konnte er auf dem Rücken den großen, schwarzen Drachen noch eine andere Gestalt erkennen. Er wusste nicht wer genau es war, doch war es sicherlich ein gern gesehener Gast wenn die Hochmeisterin selbst ihn hierher brachte. Die verschwommenen Schemen stiegen von dem Drachen und daraufhin machte Garvin sich auf den Weg, die beiden zu begrüßen, wobei sein Stock, welcher klopften über den Boden tappte, fast genauso viele Geräusche machte wie das laute Atmen des Drachen.
„Hochmeisterin Ithilwen.“ Die Freude in seiner Stimme war kaum zu überhören. „Es freut mich dass Ihr so bald wieder Heimgekehrt seid. Nun und wie mir scheint, habt Ihr einen Begleiter mit euch gebracht, oder?“ Er konnte helles Haart erkennen, feine Gesichtszüge, doch die einzelnen Konturen und Feinheiten am Aussehen des Anderen, blieben ihm verborgen.

"Ihr seid wirklich alt geworden" meinte Anurin leise und trat zu dem Mann, welchen er am aller wenigsten hier erwartet hatte. Anurin hatte Garvin nicht wirklich gekannt, wenngleich er jedoch diesen durch einen der vielen Spiegel genauso hatte beobachten können wie all die Menschen die ihm am Herzen hingen. Das ein Mensch so alt wurde wie Garvin war nunmehr doch etwas außergewöhnliches und Anurin vermutete, dass eine Prise Magie - wenngleich auch nur durch die Lebensessenz selbst - durchaus eine Rolle spielte. "Ich bin ein alter Freund der Hochmeisterin" erklärte er dann schließlich, fürchtete er doch um das Herz des alten Mannes, sollte er diesem geoffenbaren wer er wirklich war. Was hätte er davon?
Langsam beugte sich Anurin hinab um mit der gebückten Gestalt des alten Mannes gleich auf zu sein und küsste diesen sanft auf die Stirn. "Ich danke euch, dass ihr stets auf die Hochmeisterin acht gegeben habt, Meister Garvin" flüsterte er leise und lächelte während er sich wieder aufrichtete, seine langen blonden Haare über das Gesicht des Alten strichen. Anurin warf einen Blick über die Mauern, auf welchen bereits die orang-roten Strahlen der Abendsonne krochen. "Ich befürchte allerdings, dass ich nicht lange bleiben kann"

„ Eine originelle Antwort, meistens finden die Leute eine nette Umschreibung für ein hohes Alter, allerdings scheint ihr von dem gleichen Schlag zu sein wie unsere Hochmeisterin.“ Er kannte die Stimme nicht, doch die Danksagung für die Dienste unter Caladhiel wiederum verwunderte ihn. Eine gute Minute lang konnte man ein recht irritiertes Gesicht sehen, welches versuchte, die Geste einzuordnen, ehe er letzten Endes nur nickte und seine Haltung straffte, dem militärischen Gebärden doch recht nahe. „Ich hatte schon etwas in der Art vermutet. Es ist meist alles recht rasch. Nun, ich hoffe ihr genießt eure Zeit mit der Hochmeisterin, es ist nicht übertrieben zu sagen, dass sie eine inspirierende Person ist. Letztlich hat sie einen Soldaten sogar zu einem Gelehrten gemacht, wenn auch zu einem eher unbegabten. Vielleicht kennt ihr die Geschichten der früheren Anführer, oder gar dem Beginn der Reiter. Schaut in Ihr Herz und ihr erkennt all die Güte die man in dem ersten Reiter fand, welcher Drachen und Elfen einigte, sowie den Sinn der Gerechtigkeit von Anurin. Doch .. ich will euch nicht weiter behelligen. Der Abend kommt auf und mit ihm die Kälte und wenn ihr noch die letzten Sonnentrahlen genießen wollt, so solltet ihr euch beeilen.“

"Den Gerechtigkeitssinn von Anurin?" echote selbennamiger und wandte sich zu Caladhiel um, nachdem Garvin außer Hörweite war. Er hob die Brauen, während sich ein Lächeln auf seinen Lippen zeichnete. "Ich hatte eigentlich gehofft, ich könnte dir etwas besseres beibringen. Oromis Sinn für Gerechtigkeit oder etwas in dieser Art" er sah dem Alten noch einmal nach. Wenn ihr noch die letzten Sonnentrahlen genießen wollt, so solltet ihr euch beeilen er hatte recht. Ihre Zeit war knapp bemessen und sie hatten noch eine Sache zu erledigen.
Langsam schlenderte Anurin durch den großen Innenhof, Caladhiel an seiner Seite während einige junge Elfen in der Abendsonne auf Bänken saßen und Bücher lasen, während weitaus jüngere Menschen einander mit Holzschwertern über den Platz jagten. "Du hast Leben nach Vroengard gebracht" meinte Anurin zufrieden und legte einen Arm um Caladhiel. "Ich danke dir. Danke, dass ich all dies noch einmal erleben durfte. Caladhiel, ich danke dir für jeden Tag, den wir zusammen waren.

Still hatte sie dem Gespräch zwischen Garvin und Anurin beigewohnt und leise in sich hinein gelächelt, sich jedes noch so kleine Wort dieses Gesprächs sehr genau einprägend. Als Garvin damals zu ihnen gekommen war, war er jung und ungestüm gewesen - einer der Husaren, der reitenden Kämpfer - er hatte seinen Platz in der Welt verloren nach dem Kampf gegen Scorpio und eines Tages hatte er vor der Festung gestanden und Caladhiel hatte es nicht übers Herz gebracht, ihn wieder gehen zu lassen. Seit so langer Zeit diente er jetzt dem Orden, hatte einst unter Beorn gekämpft bevor er selbst dessen Nachfolge übernommen hatte und nun seinen Lebensabend hier genießen durfte, nachdem er zu alt geworden war um zu kämpfen. Sie bereute es nicht den Soldaten einst hierher geholt zu haben, bereute keinen einzigen Moment, den sie hier mitansehen hatte können - keinen Streit zwischen Teyran und ihm, keine Übungsstunde und keinen Kampf, den sie sich mit ihm geliefert hatte. Garvin gehörte hierher.
Als sie nun wieder Anurins Stimme hörte, wandte sie sich dem anderen zu, erkannte die tiefe Zufriedenheit, die ihn ausfüllte und die untergehende Sonne am Himmel, die davon kündete, dass ihnen nicht mehr viel Zeit blieb - dass dies hier vielleicht die letzten Worte sein würden, die sie mit ihm wechseln konnte, ihre letzte Gelegenheit dazu all das zu sagen, was sie schon immer hatte sagen wollen. Es gab so unendlich viele Dinge, aber kein einziges Wort davon drang über ihre Lippen, stattdessen schüttelte sie sacht den Kopf und blieb mit ihm auf dem Hof stehen, schluckte erneut den Kloß in ihrem Hals hinunter, der ihr das Sprechen schwer machte und ließ ihren Blick den seinen suchen. "Du brauchst mir nicht zu danken - nicht dafür", sagte sie lediglich leise und lächelte sacht während ihr Blick noch einmal durch den großen Innenhof wanderte. "Ich bin das, was du aus mir gemacht hast. Das hier ist unser Zuhause, der Ort, an dem unser aller Herz schlägt und ich wollte, dass du es noch einmal siehst. Dass du noch einmal siehst, wohin du gehörst.", flüsterte sie leise und war für einen kurzen Moment versucht, ihn leise darum zu bitten, nicht zu gehen - ihm zu sagen, dass sie ihn nicht verlieren wollte, bevor sie sich wieder daran erinnerte, dass es unfair wäre. Sie wollte es ihm nicht noch schwerer als ohnehin schon machen.
"Danke ... für das, was du getan hast, für uns alle. Für mich."