Straßen von Dras-Leona

Warum auch immer sie die Sprache des Wesen begriff und den tieferen Sinn seiner Worte ausmachen konnte, entzog sich ihrem Verstand. Es brauchte eine Weile, in der sie sich die schlimmsten Szenarien ausmalte, die entstehen konnten, wenn sie auf die Abmachung mit jenem Wesen einging, dann aber nickte sie.
"So sei es."
Ethra würde ihr niemals verzeihen aber ebenso wenig würde er ihr verzeihen, dass sie fortgegangen war und Vladimir sie fast geschändet hätte. Es machte also kaum mehr einen Unterschied.

Das Wesen krabbelte nach unten und drückte seine Hut auf Nyaralins Schulter, ein stechender Schmerz fuhr durch ihren Körper und das Wesen war veschwunden, doch ein Zeichen prangte auf ihrer Schulter...

Nyarálin verzog das Gesicht angesichts des Schmerzes, schaffte es nur mit Mühe einen Aufschrei zu unterdrücken, stattdessen biss sie sich auf die Unterlippe bis sie warmes Blut schmeckte. Ihre Hand rutschte automatisch zu ihrer Schulter. Sie spürte die filigranen Umrisse einer Zeichnung, die zuvor noch nicht dort gewesen war und strich eben jene nach. Es vermittelte ihr etwas Tröstliches nicht mehr ganz allein hier an diesem schrecklichen Ort zu sein.

אם ללדת ילד בתוך שלוש שנים אני אביא לי הנשמה Ethras! hallte es dunkel in ihrem Kopf nach und das Gefühl ihre Tättowierung würde gefrieren ließ sie nicht los

"Sorge dich nicht darum", wisperte sie ins Nichts, die Hand noch immer verkrampft auf der Zeichnung auf ihrer Schulter. "Wenn du das willst, dann sorge dafür, dass ich Ethra schützen kann und er am Leben bleibt ...", setzte sie nach einer Weile hinzu und erhob sich auf zitternden Beinen wieder, blieb noch einen Augenblick an die Hauswand gelehnt stehen.
Jeder, der diese Szenerie mitansah musste sie für geisteskrank halten - sie stand inmitten einer großen Stadt, in einer dunklen Ecke, hatte ihre Seele und ein Kind verkauft, das es noch nicht einmal gab und unterhielt sich mit dem Nichts. Es war wirklich reichlich viel geschehen für den kurzen Zeitraum.

Ein groß gewachsener, älterer Mann kam um die Ecke.
Ging einige Schritte, ehe ihm die zusammengekauerte gestalt auffiel.
"Kann ich ihnen Helfen?"

Ruckartig fuhr der Kopf eben jener genannten Gestalt herum und die Kapuze fiel von ihrem Kopf, entblößte blonde Haare, die in wirren Wellen über die weißen Schultern fielen. Die spitzen Ohren waren zwischen eben jenen mehr als deutlich zu erkennen und auf dem sonst so weißen Gesicht zeichneten sich dunkle Dreckspuren ab, die daher rührten, dass Nyarálin versucht hatte die Tränen fortzuwischen und nicht darauf geachtet hatte, dass ihre Hände voller Schmutz gewesen waren.
Sie musste einen abstrusen Eindruck machen.

Zuerst schaute der Mann erstaunt, entblößte dann jedoch bei einem lächen dreckige und kaputte Zähne.
"Oh, eine Elfe..." meinte er leise.
"du bist auf dem Sklavenmarkt einiges Wert!"

Sie starrte den anderen an, die Worte, die er sprach drangen mehr wie durch Watte zu ihr hindurch während sie sich langsam auf die Füße kämpfte. Sie nahm ihr eigenes Zittern wahr, dass es ihr kaum möglich machte eine wirklich koordinierte Bewegung zu tun. Sie kam hier wirklich vom Regen in die Traufe.
"Was ...?", wisperte sie leise, völlig verständnislos. Ekel überkam sie als sie den Mann ihr gegenüber genauer musterte.

"Keine sorge...
Komm einfach mit, ich verschaffe dir ein Bad und frische Kleider!" meinte er leise und beschwichtigend, denn dreckig wie in jenem Moment würde sie kaum jemand kaufen.

"Nein."
Sie wusste nicht, wie sie es geschafft hatte ihrer Stimme einen derart festen und bestimmten Ton zu verleihen. Ihre Beine trugen sie weiter von ihm weg, obgleich die Vorstellung eines Bades und frischer Kleider verlockend war. Sie würde sich mit Sicherheit nicht von einem niederen Menschen verkaufen lassen.

"Jetzt komm schon!" meinte der Mann und griff fester nach ihrem Arm.
Die Tättowierung an ihrer schultern wurde warm, geradezu brennend heiß
Und mit einem bösartigen geräusch platzte ihrem Gegenüber der Kopf Blut und Gehirnmasse spritzten auf ihre Kleidung.
אף אחד לא יפגע בך hörte sie in ihrem Kopf

Sie blieb erschrocken stehen, starrte an sich hinunter und nahm erst jetzt wahr, wie dreckig sie aussah, dann fiel ihr Blick auf die Leiche vor ihren Füßen. Nichts von dem Mann, was der Mann einmal gewesen war, war mehr zu erkennen und sie wich erneut ein paar Schritte zurück um weg von dem metallenen Geruch des Blutes zu kommen, der ihr in die Nase stieg.
Sie wusste nicht, ob sie sich bei dem Geist bedanken sollte oder ihn fürchten sollte - in jedem Fall hatte er sie davor bewahrt gefangen genommen und verkauft zu werden, dennoch ... es war mit dem Tod eines Menschen einher gegangen. Eines Unschuldigen wäre falsch gewesen - er würde jetzt immerhin niemanden mehr verkaufen. Sie brauchte neue Kleidung ... dringend.

Langsam kam ein Tumult in den Straßen auf, der Leichnam war nicht lange unbemerkt geblieben.
Nyaralin musste sich beeilen wenn sie hier noch rechtzeitig rauskommen wollte

Die Stimmen der Menschen hallten in ihren Ohren und ohne, dass sie auch nur noch einen Gedanken an den Toten vor ihr verschwendete, wandte sie sich um und hastete davon. Wenn sie geschnappt werden würde, bedeutete das, dass noch mehr Menschen sterben würden oder dass sie direkt zu Vladimir geführt werden würde und das war das Letzte, was sie nun wollte.

Ein kleiner Gedanke, welcher verloren wie der letzte funken des endenden Tages durch Alagaésia schwiff traf Nyaralin, drang in ihren Geist und ihre Seele.
Es war Ethras Gedanke, bestehend aus nur einem verzweifelten Wort.
Hilfe

Eine Gestalt wie eine Fledermaus kam um die Ecke und sah Nyaralin.
"DU!" rief er zornentbrann.

Ruckartig fuhr die Elfin herum und ihre Augen weiteten sich erschrocken als sie den anderen wahr nahm, hatte sie doch gehofft ihm für die nächste Zeit entkommen zu sein. Es war ein Fehler hierher gekommen zu sein. Wie viel Glück mochte sie wohl haben, dass sie erneut die Chance erhalten würde, Vladimir mit einem Stein den Schädel einzuschlagen? Jene Chance schien verschwindend gering.

Er ging zügig auf sie zu.
"Bleib stehen! Du verfluchte kleine Schlampe!
Komm her du Löwenzahnfresser, Klingenohr, Dömne!" er fuhr ein beachtliches Repertoire an Schimpfwörtenr für Elfen ab.

Statt ihn näher kommen zu lassen, wandte sich die Elfe um und begann zu laufen, spürte erneut wie die Panik sie übermannte. Der andere würde sie umbringen und selbst der Geist in ihrem Kopf würde vielleicht nicht die Kraft haben sich ihm zu widersetzen - sie wollte es in keinem Fall ausprobieren.
'Ethra!'
Der geistige Schrei des Gefährten war gefüllt mit nackter Angst und Verzweiflung und war das einzige, zu dem sie noch fähig war, denn bereits im nächsten Moment überschlugen sich ihre Gedanken wieder.

Eine explosion ershcütterte die Straßen hinter Nyaralin und versperrte Vladimir mit einer Burg aus Staub und Schutt den weiteren weg.
Scheinbar hatte ihr unterbewußtsein - oder etwas anderes einen Funken Feuer in der Nähe der Fässer mit Seithr-Öl beschworen...

Eigentlich hatte Destelle diesen Tumult schon von der Taverne aus gehört, aber sie dachte es sei nichts interessantes. Und siehe da, eine Elfin. Sie stach heraus wie eine Blüte in dieser zwielichtigen Stadt, genau wie Destelle.
Die Wirtin musste sich eingestehen, dass die Elfin schöner war als sie selbst, Mitte 30er war sie schließlich alt. Oooh, nein Destelle vertreib den Gedanken. Ein kalter Schauer ging ihr über den Rücken, nicht nur wegen Vladimir, sondern auch wegen den Gedanken daran irgendwann alt und gebrechlich zu sein.

Wie es kommen musste, würde sie die Elfin vor Vladimir retten, auch wenn die Explosion die meiste Arbeit tat und die Elfe somit etwas Zeit verschaffte. Der Mann sollte zur Kenntnis genommen haben, dass Destelle, die Wirtin, nicht wehrlos ist. Nicht nur ihr Status in Dras-Leona aber auch die versteckten Küchenmesser waren ihre Waffen.
Trotzdem sollte sie aufpassen, nicht das sie jetzt getötet wird. Vladimir war noch einflussreicher als sie selbst...
"Vladimir! Warum jagst du so eine anmutige Schönheit? Lass sie in Frieden.", schrie sie ihm entgegen, als sie sich durch die Massen gezwungen hatte.

Erst hinter der nächsten Ecke blieb Nyarálin stehen, rang keuchend um Atem und warf einen Blick hinter den Häusern hervor, die sie zuvor noch verborgen hatten. Etwas brannte und der seichte Wind trug den dichten Rauch durch die Straßen. Menschen murmelten etwas Unverständliches aber irgendwo war die Elfe sich sicher, dass auch das Vladimir nicht aufgehalten hatte.

Der Schutthaufen wurde durch ene gewaltige Krfat auseinander gerissen.
Die einzelnen Trümmerteile erstarrten in der Luft und Vladimir ging langsam hindurch.
Sein Blick fiel auf Destelle.
"Hast du niedere Made mich gerade geduzt?" fragte er und eine ader an seiner Stirn pulsierte.

Destelle schloss langsam atmend die Augen, sie schob sich eine rote Strähne aus dem Gesicht. "Was zum Teufel? Was habt Ihr denn auf dem Kopf?", meinte Destelle und verschränkte die Arme. "Nun ja, es tut mir Leid, Sie gedutzt zu haben.", sie verbog sich ganz wenig, das Lächeln auf ihren Lippen war trotzdem kaum zu erkennen. Sie liebte es, ihn wütend zu machen.
Mit ihm herumzuspielen...war so witzig!
"Warum haben Sie denn eine Frau gejagt? Ist der Sklavenhandel nicht erfolgreich?"

Wie alle Männer die einen auf "böser Bub" spielen. Er war ein Vollidiot und sie hasste ihn. Deswegen drehte sie sich auch wieder um, die Elfin hatte bisher genug Zeit um zu verschwinden, aber sie wusste genau wo sie hin lief. "Tja, tut mir leid mein Herr, aber ich muss verschwinden. Meine Zeit kostet mir Geld und als eine der Hauptquellen der Stadtkasse sollte ich meine Gäste betreuen!"
Mit diesen Worten verschwand sie auch schon durch die Menge, so geschickt wie keine andere Frau. Ihr Schatten verschwand dann irgendwann in eine der dunklen Nebengassen...