Kleines Gasthaus 'Zur träumenden Sonne'

„Ich denke, hier können wir frühstücken“
Zerra betrat mit Lyonel das Gasthaus und schaute sich sogleich nach einem freien Tisch um.
Noch bevor die Türe hinter ihnen zu fiel, hatte sie bereits einen Platz für sie gefunden, schlängelte sich an Stühlen und Tischen vorbei
und ließ sich schließlich mit ihrer Begleitung in eine der Nischen nieder.
„Soll ich versuchen, jemanden zu finden, der uns sagen kann, was es gibt – oder möchtest du?“, fragte Zerra, kurz nachdem sie sich gesetzt hatte und blickte sich im Raum um.
Ein Mädchen mit langem, blond braunem Haar lief geschäftig hin und her und ein Junge balancierte Geschirr von einem der Tische zur Theke.

out: in so coolen Wandnischen?... Ich liebe mediterranes Essen
übrigens, hübscher Gasthausname

in:

Lyonel war von der Stadt bisher fasziniert gewesen. Sie ware nicht weit gegangen, nur wenige Straßen vom Palast entfernt, aber die hellen Gebäude in der Sonne waren doch so anders als die hohen, dunklen Straßen in den Städten des Nordens oder die kleinen, ländlicheren Gebäude, die er aus Kuasta kannte.
Aberon, Stern des Südens, der Name war auf jedenfall gerechtfertigt gewesen.
Und diese kleine Nische erst, in der sie am Tisch saßen. Es hatte etwas Gemütliches und war trotzdem von zeitlosem Stil.
"Im höflichen Benehmen gibt es noch keine Gleichberechtigung.", sagte Lyonel scherzend, aber bestimmt, "das ist wohl meine Aufgabe."
Er erhob sich und winkte dem Mädchen, denn der Junge brachte gerade das Tableau mit Geschirr zum Spülstein.

"Die Dame und ich wünschen zu frühstücken."

"Ah, natürlich" Das Mädchen lächelte den beiden freundlich zu, machte jedoch nach wievor einen geschäftigen Eindruck.
"Wir haben Schwarzbrot und Graubrot, dazu kann ich ihnen Käse oder Wurst anbieten. Außerdem hat meine Mutter vor ein paar Minuten Suppe aufgesetzt und wir haben einen Früchtebrei zum Essen, sowie frische Wassermelone und anderes Obst. Dazu kann ich ihnen Wasser, Milch oder kalten Tee anbieten“, sagte Tari und schaute die beiden dann neugierig an.
„Ich hätte gerne etwas von der Wassermelone... Tee und... diesen Brei würde ich gerne einmal probieren“, sagte Zerra, die all das, bis auf den Tee, noch nie probiert hatte.

Lyonel nickte.
"Ich nehme das Gleiche.", sagte er, denn er war im Süden - und irgendwie gehörte es dann dazu, exotische Früchte auszuprobieren, schließlich war man nicht alle Tage hier. Außerdem kannte er Wassermelonen nur aus Erzählungen, gegessen hatte er selber nocht nie eine.


"Natürlich, die Herrschaften. Kommt sofort.", das Mädchen nickte, wobei ihre Haare leicht wippten und wuselte in Richtung Küche davon, sodass die beiden wieder alleine waren.

„Ich bin ehrlich gespannt... diese Wassermelonen... ich habe sie einmal hier bei Rhea gesehen.
Da ich allerdings nur kurz hier war, kam ich gar nicht dazu, sie zu probieren“
Zerra rutschte ein Stück weiter nach vorne zum Tisch hin und lächelte über diesen hinweg Lyonel an.
„Und erstes surdanisches Frühstück! Ich weiß noch... wie meine Mutter über die kleine Auswahl an Obst in Therinsford geschimpft hatte...
sie hatte all das wohl vermisst. Verständlich... es ist wirklich wunderschön hier. Das, was wir in der Stadt bereits gesehen haben, das war doch wirklich etwas anderes, oder?“

"Prächtig. Es ist so, als würde man nicht nur irgendwo anders sein, sondern auch noch nicht arbeiten müssen. Allein das Gefühl ist irgendwie eine Erholung.", stimmte Lyonel zu.
Wo hatte er Wassermelonen nur schon einmal gehört?
Irgendwas an ihm kannte diese Frucht vom Namen her, aber es wollte ihm nicht einfallen.
Entspannt stützte er sich auf den Armen, die er auf dem Tisch gelegt hatte, ab.
Da fiel ihm wieder ein, woher er Wassermelonen kannte.

"Kennst du den Legende der Wassermelonen?"

"Legende der Wassermelonen? Davon abgesehen, dass es albern klingt... nein", antwortete Zerra lachend und
stützte die Arme ihrerseits auf den Tisch.
"Erzähl sie mir, bevor ich gleich in solch eine Frucht beiße", sagte sie und grinste.
Hinter der Theke mühte sich der Wirt bereits damit ab, die Wassermelone klein zu schneiden.

"Unglaublich..." Zerra lehnte sich zurück und schaute dann auf, als der Junge, der vorhin noch das Geschirr getragen hatte, mit einer großen Platte voll Wassermelonenstücke zurückkam.
"Den Rest bringt meine Schwester gleich", sagte der Junge, nachdem er die Platte abgestellt hatte und verschwand dann wieder.
"Dann essen wir jetzt zum Gedenken an Citrull und Lanaton! Auf ihre raffinierte List, mit denen sie die Bewohner vor dem Verhungern retteten", sagte Zerra strahlend, nahm sich zwei der Stücke und hielt Lyonel eines davon hin.

Dankbar und hungrif griff Lyonel zu.
"Darauf, dass uns genauso raffinierte Listen einfallen, um Vladimir und seinen Spießgesellen das Handwerk zu legen.", sagte Lyonel und biss gleichzeitig mit Zerra in die Frucht.

Der Geschmack war, nunja, überraschend. Es war auf der einen Seite wässrig leicht, auf der anderen Seite auch fruchtig intensiv.
Ein Meisterstück der Natur.

„Oh... das ist... so gut“ Zerra fuhr sich überrascht über die Lippen und biss erneut in die Wassermelone.
Sie war sich sicher, dass es keine Frucht war, die diese hier übertreffen konnte.
Die Wassermelone war unheimlich fruchtig, gar nicht wie ein Apfel. Der Saft rann ihr erneut über die Lippen, der leicht rötlich schimmerte.

Genießerisch seufzte sie und strahlte Lyonel an.
„Eine wirklich gute Wahl, die wir da getroffen haben“, sagte sie, als auch schon der Rest ihres Essens und das Trinken gebracht wurde.

Auch Lyonel rann der Saft über die Lippen und wie ein Tier fuhr er sich mit der Zunge darüber, um nicht gar einen einzigen Tropfen des süßreizenden Trankes zu vergeuden.
"Ich liebe Aberon.", sagte Lyonel und grinste, als er nochmal seine Zähne in das rot schimmernde Fleisch der Fruchtschlug.
Es knirschte platzend, besser konnte man das typische Melonenkaugeräusch nicht beschreibend, was seine Mundhöhle anfüllte, als seine Zähne durch die rote, leckere Masse fuhren wie ein Schwert durch den Leib eines Gegners.
Irgendwie hatte das was.... spezielles.
"Ich liebe Aberon."

"Du kannst es vermutlich nicht oft genug sagen, oder?" Zerra fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und schmunzelte.
"Aber ich muss dir Recht geben... ich sehe das genau so. Ich liebe Aberon... zu Schade, dass Runa nicht hier aufwachsen konnte... Rhea ist wirklich darum zu beneiden. Xadrus und Kian auch..." Sie streckte ihre Hand nach ihrem Becher aus, zog dieses zu sich heran und trank zwei, drei Schlucke, ehe sie sich sehnsüchtig wieder der Wassermelone zu wandte.
"Wir sollten ein paar Kerne aufheben... und versuchen sie bei uns anzupflanzen"

"Nur jene, die voller Gewitztheit und reinen Herzens sind, sind in der Lage Wassermelonen anzubauen, sagt die Legende. Das ist der Zauber, den Citrull und Lanaton über diese Frucht gewoben haben, nachdem sie ihnen die Rettung verhieß.", sagte Lyonel und nahm einen weiteren Bissen von der Melone, den er gut kaute, um den Geschmack voll auszukosten.
"Ich denke, das sollte kein Problem sein, oder?"

"Nein, das sicherlich nicht", antwortete Zerra amüsiert und schluckte ihr Stück Wassermelone hinunter.
Sobald sie das rote Fleisch vollkommen agenagt hatte, legte sie die grüne Schale zurück und fuhr sich erneut über die Lippen.
"Köstlich... wirklich köstlich", seufzte sie und zog dann die Schale mit dem Früchtebrei zu sich. Den Löffel daneben, nahm sie in die Hand und tauchte ihn großzügig in den Brei.

...

Und so aßen die beiden fröhlich weiter ihre Frühstück und genossen die Zeit, die sie für sich waren, ungestört von Allem, was da draußen an Widrikeiten auf sie warten würde.
Sie lachten und scherzten viel und beide genossen den Morgen, an dem in Aberon die Sonne aufging und die Menschen mit warmen Strahlen auf der Haut kitzelte.

Es schien perfekt, eine wunderbare Idylle.

Doch dann stand Lyonel auf und trat zur Theke um, ganz, wie es sich einer Lady gegenüber geziemte, das Essen zu bezahlen.

Vorbei waren die schönen Stunden, denn durch einen kühlen Windhauch, der auf einmal durch das Gasthaus fegte, kündigte sich Unheil an.

Der Morgen hatte wirklich ausgesprochen gut angefangen, nicht nur das, seit dem sie hier waren, schien alles irgendwie... einfacher.
Sie hatten wieder Zimmer zum Schlafen, gutes Essen und die Stadt war einfach umwerfend.
Die Sonne schien und die leichte Kleidung machte das warme Klima wunderbar ertragbar.
Alles in allem hatte Aberon etwas paradiesisches an sich.
Zerra trank gerade ihren Becher aus und folgte mit ihren Augen Lyonel zur Theke hin, als jemand nahezu lautlos an die Nische heran trat und sich schließlich auf Lyonels Platz sinken ließ.
Das Herz blieb der Leibwache fast stehen.

„Guten Morgen, Zerra Ryuka, 1. Leibwache der Königin Runa, Tochter des Alten Palancars...“
Malian griff nach einem Stück Wassermelone und begrüßte seine ehemalige Mitstreiterin mit einem leicht spöttischem Unterton, ohne sie jedoch dabei anzusehen.
„Es ist lange her... nicht wahr?“ Er wandte die Wassermelone in seiner Hand und betrachtete sie emotionslos von allen Seite.
Dann biss er schließlich hinein.

„Malian...“
Ganz starr war Zerra da gesessen, im ersten Moment zumindest, dann atmete sie tief ein und lächelte knapp.
Zum Glück hatte sie sich heute Morgen dazu entschieden, ihr Schwert mit zu nehmen. Auch wenn ihr Yawe gegen Malians Bihänder vermutlich nicht reichen wird.
Ihre blauen Augen flogen über die Gestalt vor ihr, über das blonde Haar, die blauen Augen, dass regungslose Gesicht.
Er schien sich rein äußerlich kein bisschen verändert zu haben.
„Fünf Jahre....“, sagte sie endlich und nickte knapp. „Was willst du hier?“

"Was man unter alten Freunden so tut. Ein wenig plaudern, vielleicht etwas gemeinsam trinken.", sagte Malian leichthin und biss in die Wassermelone.
"Erzähl doch mal, Saphyr, wie ist es dir denn so ergangen, nachdem du... naja, du weißt schon... deine Freunde verraten hast?"
Er grinste ein Vampirlächeln.
"Und wie fühlt es sich eigentlich als Verräterin an, wenn man lebt?"

Die noch lebt, dachte Zerra bitter, als sie so in Malians Gesicht sah.
Ein anderes Verhalten, eine andere Haltung hätte sie von ihm auch nicht erwartet.
„Ich...“ Habe euch nicht verraten? Das hätte sie vielleicht noch vor zwei Tagen von sich behaupten können.
Zumindest hatte sie Zar'roc damals noch an niemanden verraten, aber nun?
Zerra unterstand der Versuchung und ihrem Verlangen nach Lyonel zu schauen.
Er weiß alles... zumindest das wichtigste. Und das werden sie gemeinsam nutzen...
„Ihr habt doch bis jetzt in Ruhe gelebt, oder? Ich habe euch in Ruhe gelassen... Runa weiß von nichts, Malian.
Und ich bereue es nicht, euch verlassen zu haben. Nach wie vor nicht“

"Du bereust es noch nicht, Zephyr, noch nicht.
Denn... kennst uns.
Und..."
Er lächelte sie liebenswürdig an, das Lächeln was ihn zum Traum aller Mädchen machte und sogar potentielle Schwiegermütter dahinschmelzen ließ.
"... du weißt, was wir zu tun in der Lage sind."
Er senkte den Blick und betrachtete die Melone.
"Gute Wahl, diese Frucht. Hat ER sie gewählt, oder hat Zephyr etwa angefangen, guten Stil zu entwickeln?"
Er lachte, man sah deutlich, dass es gekünselt war.
"Denn Verrat, das ist kein guter Stil."

„Ich habe euch nicht in dem Sinne verraten, Malian.
Verlassen und Verraten ist nicht dasselbe. Aber das habt ihr damals schon nicht verstehen wollen, oder?“, gab Zerra zurück und hatte dabei selbst ein nicht minder gekünsteltes Lächeln im Gesicht.
Als sie sich leicht nach vorne neigte und ihrem Gegenüber grimmig in seine Augen schaute, fielen schwarze Strähnen nach vorne.
„Ich werde es niemals bereuen, euch verlassen zu haben. Dafür seid ihr zu grausam, zu skrupellos... euer Weg, eure Ziele und Ideale sind nicht länger die meine... seit damals“, sagte sie mit leisem, bedrohlichem Ton und hoffte, Malian würde nicht auf ihn eingehen. Lyonel sollte in diese Sache nicht hinein gezogen werden.

Malian lehnte sich vor und kopierte ihren Tonfall.
"Ja, unsere Ideale sind nicht mehr Deine, sie waren es auch nie. Du warst, das sagt sogar Dunas, immer nur ein billiges Flittchen, was sich denen, die den Ton angegeben haben, untergeordnet haben. Erst war es Baldor, dann warst du damit nicht mehr zufrieden und hast dich dieser unfähigen Königin an den Hals geworfen wie ein kleines, verliebtes Kind."
Seine Worte steckten voller Hohn und Abscheu und jedes einzelne war ein Geschoss des Hasses.