Das vierte Gästezimmer

Er hielt mitten in seiner Bewegung inne, unterbrochen von dem leisen fast unhörbaren Wort welches Astaya ausgesprochen hatte.
Er wandte sich langsam um.
"Was ist Astaya?" fragte er bedacht und näherte sich dem Mädchen, legte seinen Handrücken an ihre Wange

Das Mädchen zuckte mit einem Mal, schien plötzlich wieder zurück in der Wirklichkeit angekommen zu sein und verkrampfte sich. Ein Zittern fuhr durch den mageren Körper der Jüngeren, die haltsuchend nach Kharas griff als ihre Beine drohten einzubrechen.
"Ihre Gesichter waren verschwommen, nur eines war klar. Die Sonne steht über der Arena während die Kämpfer eintreten - einer von ihnen ist nicht so, wie ihr ihn kanntet. Etwas hat ihn verändert - er trägt Hoffnung im Herzen und den festen Willen etwas zu erreichen", begann sie leise. "Der Graf ist dort, ich habe ihn lächeln sehen und dann ... nichts mehr."

"Sorge dich nicht - ich werde keinerlei Schaden davontragen!" erklärte Kharas behutsam und strich ihr über den Kopf, spürte ihr seidiges Haar und erreichte dann ihren Verband.
Er küsste sie zärtlich auf die Stirn.
"Kann ich dich irgendwie beruhigen?"

"Er weiß, dass ich sah", kam es nach einer schieren Ewigkeit, in der Astayas Atem nur stoßatmig ging und sie sich versucht hatte auf seine Berührungen zu konzentrieren. "Er sah mich ...", folgte es schließlich schon fast wieder abwesend, dann jedoch schluckte das Mädchen, suchte ihr Zittern zu unterdrücken, das noch immer ihren Körper ergriffen hatte.

Kharas umarmte seine Ziehtochter, vermittelte ihr seine Wärme und sein Geist berührten den ihren, umarte diesen ebenso zärtlich und führte sie zurück in die gegenwart.
Dies hatte er immer getan wenn sie drohte ab zu driften.
"Pscht ganz ruhig, er hat dich nicht gesehen..."

"Ich weiß es nicht ... alles war verschwommen, nur sein Gesicht nicht. Sein Lächeln ... ich weiß es nicht." Die Worte verließen in ständiger Wiederholung und immer schneller die Lippen der Jüngeren während sich ihre Finger in den feinen Stoff des Mantels des Älteren gekrallt hatten. Nur langsam drang das Bewusstsein des anderen zu ihr vor und beruhigten sie, brachten sie wieder dazu das leise Zwitschern der Vögel vor dem Fenster zu hören, statt der lauten Schreie, die sie noch in der Arena vernommen hatte.

Beruhig dich, bitte.
Höre wieder auf meine Stimme, höre die Vögel fühle die Luft und rieche die Blumen!" redete Kharas auf sie ein. Er machte sich ernsthafte Sorgne um sie.
"Bist du dir sicher, dass du mitkommen willst?" fragte er leise

Es schien ein Schlag durch den mageren Körper des Mädchens zu gehen, dann herrschte plötzlich Stille in dem Raum. Erneut schien Astaya wie erstarrt zu sein, doch dann ebbte das Zittern ab und sie hob den Kopf.
"Ja. Ich muss mitkommen", sagte sie dann, klang jedoch noch immer nicht so sicher, wie sie es sich gewünscht hatte.
"Wie sonst wollen wir alles zum Besten wenden?"

Er nickte erst sacht und dann etwas kräftiger.
"Wenn es dein Wunsch ist - du bist alt genug um deine Entscheidungen alleine treffen zu dürfen!" erklärte er schlicht und sachlich.
Er seufzte und bugsierte sie aufs Bett.
"Du bist erwachsen geworden befürchte ich!"

"Ich werde immer die bleiben, die ich war als du gingst", setzte sie ihm leise entgegen, genoss für einen Augenblick das Gefühl zu sitzen und nicht befürchten zu müssen, sie würde sich gleich auf dem kalten Boden wieder finden, weil ihre Knie unter ihr nachgegeben hatten.
Die Welt würde sich wahrhaftig weiterdrehen und sie so bleiben lassen, wie sie es nun war - es mochte ihr Aussehen sein, das sich veränderte, doch ihr Geist würde stets dergleiche sein. Unsinnigerweise begann sie sich zu fragen, ob auch die Elfen eines Tages so zu denken begannen.
"Ich möchte dir helfen bei dem, was du erreichen willst. Nie würde ich etwas ohne dein Einverständnis tun."

Er schüttelte sacht den Kopf und strich ihr väterlich über den ihren.
Er seufzte und gab ihr einen Mantel zu greifen.
"Nimm ihn - ich schenk ihn dir!" meinte er.
Der Mantel war aus feinster Seide, gespickt mit blauen gestickten Lilien er hatte etwas magisches an sich.

Die dünnen Finger des Mädchens fuhren sacht über den Stoff, nahmen jede Unebenheit daran wahr und strichen selbige nach. Die Stickereien bildeten Linien, die Astaya erst nach einer Weile als Blumen wahr nehmen konnte und die Magie, die dem Stoff innewohnte, knisterte fast als sie damit in Berührung kam.
"Ich danke dir."

"Mir gebürt kein Dank!" meinte er leise und lächelte.
"Nun komm, zieh dir auch etwas an die Füße! Es wird ein sehr langer und weiter weg!" erklärte er Astaya

Wortlos gehorchte das Mädchen, auch wenn sie gänzlich unbegeistert von dem Gedanken war Schuhe tragen zu müssen. Sie schränkten ein, gaben ihr ein fremdes Gefühl und vermittelten ihr, dass die Verbundenheit zwischen ihr und der Welt eingeschränkt war. Doch Kharas würde Recht haben - sie würde den Weg, den sie zurücklegen mussten nicht barfuß bewältigen können.

Er schenkte ihr ein Lächeln, auch wenn er wusste das sie es niemals würde sehen können.
Sie tat ihm Leid, sah er sie doch nach den Jahren der Erziehung nicht mehr als ein Werkzeug sondern als sein eigne Fleisch und Blut an.
Er seufzte leise und hoffte das sie es nicht gheört hatte, während er sich selbst an weitere Reisevorbereitungen machte

"Sorge dich nicht um mich, Vater", kam es plötzlich unvermittelt von Astaya, die nun langsam aufstand und versuchte sich in den Stiefeln, die sie nun trug zurecht zu finden. Ihr Gesicht zeigte ein schwaches Lächeln, obgleich ihr Kopf noch immer gen Boden gerichtet war. Es musste wirken, wie ein Kind, das seine ersten Schritte tat.
"Ich werde dich niemals im Stich lassen."

"Unsere Wege werden sich irgendwann trennen - das wissen wir beide, dass ist es was das Schicksal uns vorraussagt.
Aber - wir werden uns in nocht weitaus fernerer Zukunft wieder sehen!" erklärte Kharas sanft und öffnete die Tür.
"Bereit zu gehen?"

Astaya ließ die Äußerung im Raum stehen und trat langsam an ihm vorbei aus dem Zimmer hinaus. Was immer sie dort in Dras Leona erwarten würde, das Schicksal einiger Wesen würde sich entscheiden und die Waage des Lebens würde entweder in die eine oder in die andere Richtung ausschlagen.

Kharas hatte Astaya in seine Gemächer gebracht und streichelte der jüngeren sanft übers Haar.
"Alles in Ordnung?"

Für einen kurzen Moment war die Jüngere dazu versucht zu nicken, entschied sich dann jedoch dazu ehrlich zu sein und schüttelte den Kopf. "Das ...", begann sie, brach ab um zu schlucken und setzte dann erneut an. "Coreen hat nicht alles erzählt, was ich gesehen habe ... ich weiß nicht, wer es war, dort war nur eine Gestalt aber seine Worte waren voller Hass ..."

"Ich werde meine Augen und Ohren offenhalten!" versprach ihr Ziehvater und seufzte.
Er zog sie näher zu sich um sie zu wärmen und sicheren Halt zu versprechen.
"Sonst noch etwas?"

"Da war Musik und irgendjemand sprach etwas von Gift ... da waren zwei Elfen", erklärte Astaya weiter und ließ sich gegen den Ziehvater sinken. "Sie hat einfach nicht mehr reagiert und niemand hat geholfen. Sie haben alle nur drum herum gestanden und zugesehen. Er war so verzweifelt ... so wütend ... "

"Elfen fallen in Trance wenn sie vergiftet werden - sie wird also überleben und es wird genug Zeit geben ein Gegengift zu finden, aber wir werden sehen..." er schüttelte den Kopf.
Jegliche Hoffnung all dies würde glimpflich ablaufen schienen in en Wind geschossen und dort zerstäubt worden zu sein.

Astaya verfiel in lethargisches Schweigen, schloss hinter der weißen Augenbinde die Lider und unterdrückte ihr Seufzen, das sich fast über ihre Lippen gebahnt hatte. Sie spürte den Unwillen und die Gefühle des Ziehvaters mit einem Mal viel zu deutlich und schlang intuitiv den Arm um den Älteren.
Mit einem Mal fühlte sie sich schuldig ihm diese schlechten Nachrichten überbracht zu haben, wünschte sich, es wäre einmal etwas Positives das sie ihm hätte übermitteln können - stattdessen waren es stetig neue Hiobsbotschaften, die seine Pläne noch weiter durcheinander trieben als es die Handlungen der Menschen im Allgemeinen taten.
Vorsichtig schielte sie nach oben und für den Moment war es vollkommen gleichgültig, ob sie nun sein Gesicht sehen konnte oder nicht. Schwach lächelnd festigte sie ihren Griff um ihn, versuchte zumindest ein Gefühl der Hoffnung zu übermitteln.

Kharas streichelte seine Ziehtochter.
"Mach dir keine Sorgen - uns kriegt nichts unter..." er schüttelte den Kopf.
"Wir werden der Welt frieden bringen. Wir werden dafür Sorgen, dass ein jedes Wesen in Frieden und Freiheit leben kann!"