Das vierte Gästezimmer

Kharas setzte sich neben seine Schülerin.
"Verzeih mir Coreen - ich scheine Ärger magisch an zu ziehen... du hattest das Pech in letzter Zeit immer dazwischen zu stehen..." er strich ihr die Haare hinters Ohr.
"Ich habe einige Fehler begangen in letzter Zeit..." er legte väterlich den Arm um sie.
"Du brauchst jemanden an den du dich anlehnen kannst Tochter!"

Verständnislos blinzelte sie zu dem anderen hinüber, schien nicht zu begreifen, was er da soeben gesagt hatte und ob sie seine Worte ernst nehmen konnte oder dies ihr Geist ihr nur einfach vorgaukelte.
"Das ist nicht wahr ... es ist meine Schuld gewesen, was geschehen ist. Die Raz'ac, die angegriffen haben, wollte zu dir ... sie haben nach dir gesucht und ich ... ich habe ihnen nichts sagen können. Ich hab damit Julian und Destelle gefährdet, ich war Schuld, dass Eluneya fast von diesen Wesen getötet wurden!"
Ihre Stimme überschlug sich während der Worte, die sich nun zum ersten Mal aus ihrem Mund quälten und ausgesprochen um einiges grausamer waren als nur gedacht.
"Irgendwer hatte sie geschickt und sie haben gedroht, dass sie Julian töten, wenn ich nichts sagen würde, dass sie mich töten würden und trotzdem ... habe ich einfach nichts sagen können. Ich seh die Augen des toten Wachmannes noch immer vor mir ..."

Kharas nahm sie in den Arm.
"Pscht...." er wiegte sie sacht hin und her.
"Du sagst es doch selbst, sie wollten zu mir! Es war mein Fehler, hätte ich sie bemerkt - hätte ich besser auf dich geachtet dann wäre all dies niemals geschehen!" er strich ihr sanft übers haar.
"Soll ich dir helfen all diese trüben Gedanke los zu werden?"

Die gesamte Fassade, die Coreen in den letzten Wochen in so mühevoller Kleinstarbeit aufrecht erhalten hatte, begann langsam zu bröckeln und verlor immer mehr Steine angesichts des warmen Tonfalls, den der Hofmagier und jetziger Truchsess anschlug.
"Diese Gedanken werden nicht schwinden ...", antwortete sie schließlich erstickt. "Es sind nicht nur die Gedanken, es ist ... es sind die Erinnerungen an all das, was geschehen ist. Ich spüre die Nadeln auf meiner Haut noch immer, ich rieche das Blut in dem Keller ... es ist nur eine Sache von dem Ganzen ..."

"Öffne deinen Geist..." meinte Kharas leise und strich ihr über die Wange.
"Lass uns diese Last gemeinsam tragen!"

"Aber du trägst genug Last", widersprach sie und schüttelte heftiger als geplant den Kopf, wobei die dunkelbraunen Wellen wild auf und ab sprangen. "Ich will nicht auch noch dafür verantwortlich sein, dass dein Gesicht von noch mehr Schatten verdunkelt wird", setzte sie nach ein paar Sekunden, die Stille zwischen ihnen gelegen hatte, noch hinzu und seufzte schwer. Sie würde in keinem Fall darauf eingehen.

"Coreen, es ist mein Wunsch!" sagte er leise.
"Lass mich deinen Geist umarmen und dir die Wärme schenken die du brauchst. Als väterlichen Freund...." er lächelte sie sanft an.

"Und es ist mein Wunsch als einfacher Mensch auf dem Gesicht des Meisters nicht noch mehr Sorge zu sehen als ich sie nun bereits tue", erwiderte sie. Sie schätzte das Angebot, konnte jedoch nicht mit dem Gedanken leben Schuld an dem Dunkel in seinem Gesicht zu sein und so legte sie schlicht die Hand auf Kharas' Schulter.
"Was für eine Schülerin wäre ich, wenn nicht auch ich mir Sorgen machen würde? Das habe ich mir inzwischen abgeschaut."

"Ich weiß nicht, wie gut es ist zu viel von mir zu lernen!" meinte Kharas, ließ jedoch die Bedeutung jener Worte offen.
"Der junge Ziran hat eine erstaunliche Wandlung vollzogen, ich bekam mit wie er eine Bittstellerin abwies, welche sich ihm anbot..." er tippte sich aufs Kinn.
"Ich frage mich an wem das liegen könnte..." es fiel auf, dass er nicht "woran" gesagt hatte...

Coreen lachte leise, wobei in jenem Lachen ein bitterer Unterton mitschwang.
"Ziran ist ein guter Mensch, der etwas Besseres verdient hat als ein Eheweib, welches kaum fähig ist zu denken und eine dumme Göre, die sich stetig nur in Schwierigkeiten zu bringen weiß", gab sie zurück und zuckte scheinbar gleichmütig mit den Schultern, wennauch ihre eigenen Worte wie ein Dolchstoß schmerzten.

"Coreen..." schallte er sie.
"Hör mir zu!
Ich stolper durch dieses Zeitalter - habe freiwillig der Liebe abgeschworen! Doch du solltest nicht die Fehler deines Lehrmeisteres wiederholen! Du solltest niemals so werden wie ich!" er strich ihr übers Haar.
"Du bist besser als ich, stärker und ehrlicher!" seine blauen Augen sahen sie durchdringlich an.
"Ich glaube Ziran braucht euch, und ich glaube ihr braucht ihn!"

Verdattert blinzelte sie den anderen an, schien nun vollends verwirrt von den Worten des Lehrmeisters zu sein. Das war nicht der Kharas, den sie kannte - etwas hatte ihn verändert, aber sie vermochte nicht zu fragen, was der Auslöser für seine Wandlung gewesen war.
Sie zweifelte an seinen Worten für den Bruchteil einer Sekunde. Ziran ... als ob er sie wirklich brauchen würde, als ob sie stärker war als Kharas. Langsam schüttelte sie den Kopf, doch ihr fielen keine Worte ein, die sie ihm entgegen setzen konnte.

"Mach deine eigenen Erfahrung - aber wenn es etwas gibt auf das man hören sollte, wenn es von mir kam dann war es dieser Rat..." er trat zum Fenster und sah in die Nacht hinaus.
So war es nicht geplant gewesen und erst jetzt... erst jetzt fällt mir auf, dass ich einen sehr alten Freund verriet
"Ich werde nicht ewig da sein Coreen, ehrlich gesagt habe ich das garnicht vor..." er senkte sanft den Kopf.
"Ehrlich gesagt besitze ich viel zu viel Macht...
Ich werde euch anleiten, euch stark machen und dann werde ich gehen!" er lachte leise.
"Ich kann nur hoffen, dass ich meine Fehler nicht wiederhole!"

"Wohin willst du gehen?"
Eine einzige Frage, zu mehr war Coreen nicht fähig während sie Kharas Gesicht weiterhin stirnrunzelnd musterte. Sie konnte es sich nicht vorstellen eines Tages in einer Welt zu leben, in der Kharas nicht mehr da war - zu sehr hatte sie sich inzwischen an seine Anwesenheit gewöhnt.

"Nach Hause..." sagte Kharas wahrheitsgemäß.
"Dem Ort an dem ich mich zu Hause fühlte...
Ich bin gerne bei euch... Aber langsam ist es genug, dann wird ein anderer euch anleiten!" er drehte sich um und schenkte Coreen ein Lächeln.
"Jetzt häng keinen drüben Gedanken nach, ich glaube Ziran wartet auf dich!"

Coreen standen noch viele Gedanken im Kopf, die unausgesprochen verklingen sollten angesichts der Reaktion ihres Meisters. Es war offensichtlich, dass er nicht hatte weiter darüber sprechen wollen und so beließ sie es dabei ehe sie sich mühevoll aufrichtete, jedoch einen Moment brauchte bis ihre Füße festen Halt auf dem Boden fanden.
Sie hatte die ganzen Nebenwirkungen wohl doch unterschätzt. Langsam bewegte sie sich zur Tür und legte die Hand auf die Klinke ehe sie den Raum verließ.

Kurz bevor Coreen den Raum verlassen hatte rief Kharas ihr noch nach.
"Gib bitte acht auf dich, ich will nicht auf noch dich verlieren!"

"Und nun muss ich das schlimmste verhindern...." meinte er zu sich selbst, wies Astaya über gedanken an alles zu packen und dann bald mit Coreen nach Ceunon zu ziehen.
Er packte seine Sachen und stürmte nach unten, dort ließ er sich ein weißes Pferd ohne Sattel bringen und ritt wie der Wind davon.

tbc: Ellesmera