Das vierte Gästezimmer

"Verzeih, ich wusste nicht, dass du Gäste hast ...", erklang eine leise Stimme von der Tür her, in der die zierliche Gestalt Astayas aufgetaucht war. Ihre Aufmerksamkeit wandte sich der fremden Frau zu und sie streckte die geistigen Fühler aus, tastete nach der anderen und nickte schließlich als sie feststellte, dass von dieser keine Gefahr auszugehen schien.

Kharas winkte ab.
"Du darfst jederzeit stören!"
Er nickte Halibel zu.
"Darf ich euch meine Tochter Astaya vorstellen?"

"Wirklich? Das freut mich zu hören, auch wenn das irgendwie... traurig ist. Es wäre vielleicht das beste, wenn jeder wüsste, wer er ist... und hin und wieder mal Gebrauch von seinem Verstand machen würde", antwortete Halibel, die leise lachen musste.
"Wird -oh", sie verstummte augenblicklich, als sie bemerkte, dass sie Türe aufging.
Mit einem Ruck hatte sie ihren Kopf herum gedreht und bemerkte das Mädchen.
Ein charmantes Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht und neigte ihren Kopf ein wenig zur Seite.

"Natürlich, gerne" antwortete Halibel auf seine Worte hin und stand auf.
Mit wenigen Schritten stand sie vor Astaya und umarmte diese auch schon.
"Ich bin Halibel Fa, freut mich euch kennen zu lernen!", sagte sie lächelnd.

Erschrocken zuckte Astaya zurück, war sie es doch nicht gewohnt, dass man ihr mit solch einer Herzlichkeit gegenüber trat, stattdessen hatte sie dich daran gewöhnt nur förmlich begrüßt zu werden.
"Die Freude ist ganz auf meiner Seite", kam es nun etwas stockend von der Jüngeren, die sich im Moment vollkommen überfordert mit der Situation fühlte und den Kopf fast hilfesuchend in Richtung des Ziehvaters wandte.

"Sie ist blind Halibel und kann sich nicht so schnell auf neue Begebenheiten einstellen, ihr habt sie erschreckt.
Ich bitte um Mitsicht..." erklärte Kharas in dem sorgenden und warnenden Tonfall eines liebenden Vaters.

"Oh... tut mir Leid. Beim nächsten Mal warne ich sie bestimmt vor", meinte Halibel in Kharas Richtung, ließ das Mädchen wieder los und nahm sie sacht bei der Hand.
"Verzeiht mir meine stürmische Art, doch ihr seht wie jemand aus, den man in die Arme schließen sollte", sagte sie mit warmer Stimme und drückte ihre Hand sachte, ehe sie sich um wandte und zurück zu ihrem Stuhl ging.
"Bei meiner Wenigkeit handelt es sich übrigens um Halibel Fa", stellte sie sich dann förmlich vor.

Astaya begann leise zu lachen bei den Worten der anderen. Halibel schien das Herz am rechten Fleck zu haben und ihre ehrliche Art war im Strudel all der Intriegen am Hofe Hivnirs wirklich erfrischend.
"Astaya", nannte sie schließlich noch einmal ihren Namen und schüttelte dann sacht den Kopf.
"Das ist ... ich war nur überrascht.", wehrte sie schließlich die Entschuldigung der anderen ab, machte deutlich, dass es für sie nichts zu verzeihen gab.

Kharas hob eine Augenbraue, hielt sie oben und zog schließlich noch die Zweite nach.
"Nun gut, Halibel ihr wolltet eure Männer davon unterrichten, dass sie im Schloss übernachten können?
Ich denke jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, bei der Gelegenheit könnt ihr slebst noch etwas schlaf finden!"

"Gut, dann werde ich dem nun nachgehen. Vielleicht finde stoße ich noch auf Zerra. Ich würde mich freuen sie einmal wieder zu sehen", sagte Halibel gut gelaunt und summend, während sie wieder aufstand.
Sie lief an Astaya vorbei und blieb dann an der Türe noch einmal stehen.
"Wir werden uns bestimmt noch heute wieder sehen, Truchsess, Astaya", sie nickte beiden zu und verließ dann das Zimmer.


tbc, mal schauen

Abwartend blieb Astaya noch einen Moment lang stehen ehe sie die Tür hinter sich schloss nachdem Halibels Schritte verklungen waren. "Truchsess", wiederholte sie schließlich die Worte der anderen und lächelte schwach für sich selbst, klang dabei jedoch alles andere als überrascht.

"Ich weiß´nicht ob ich darüber so erfreut sein soll...." er stand auf.
Ging mit schweren Schritten zum Bett und ließ sich auf eben jenes sinken, begrüßte die weiche Matratze welche unter einem Gewicht leicht nachgab.
Der Mantel, welcher am Stuhl hing wiegte sich Sacht im Wind welcher durch das Fenster herein kam.
"Eigendlich... will ich meine Ruhe, Frieden und glücklich Leben.
Aber ich habe eine Aufgabe und diese werde ich erfüllen!" er straffte die Schultern, doch seine Stimme, seine Worte.
Zum ersten Mal in ihrem Leben kam Astaya ihr Vater nicht vor wie ein mächtiger junger Mann, welcher voller Vitalität und ideen steckte.
Ihr Ziehvater war alt....

Mit langsamen Schritten kam Astaya auf den anderen zu und ließ sich zu Boden sinken, griff nach einer Hand des Ziehvaters und drückte jene sanft.
"Wir können nur Frieden haben, wenn wir zuvor alles getan haben um jenen zu erreichen", sagte sie leise. "Was immer kommen mag, es wird der Tag kommen, an dem unsere Zeit vorüber und das Zeitalter der Menschen angebrochen ist. Bis dahin ... müssen wir ihr Ende verhindern."
Es war gleichgültig, dass der andere die Bedeutung ihrer Worte kannte, dass es auch ihm klar war, was zu tun war - es ging ihr lediglich darum, dass er sie von jemand anderem als seiner eigenen Gedankenstimme hörte.
"Und das werden wir, Vater. Danach werden wir alle Zeit haben, die wir mit Ruhe, Frieden und einem glücklichen Leben füllen können."

Er nickte sanft.
"Ich würde die Menschen niemals im Stich lassen..." er schüttelte den Kopf.
"In diesem Zeitalter leitete ich die Geschicke aller Völker.
Ich lernte sie und ihre Kultur kennen, erlernte ihre Sprache.
Ich tat alles um sie stärker zu machen, den zusammenhalt zu fördern und miteinander verschmelzen zu lassen." er fühlte die leichte Wärme welche von Astayas Hand ausging und drückte fester zu.
"Zu lang lastet die Verantwortung bereits auf meinen Schultern.
Gehe ich nur ein weniges fehl wird alles scheitern..."
Ein seufzen entglitt ihm, fegte durch den Raum und entfleuchte raus in das Sonnenlicht.
Seine müden Augen lagen auf Astaya.
"Manchmal habe ich das Gefühl nicht gut genug zu sein...."

"Weshalb zweifelst du so sehr an dir?", fragte sie stirnrunzelnd, schrägte den Kopf an ehe sie jenen gegen seine Beine lehnte und die Augen hinter dem weißen Stoff schloss.
"Soviel wurde bereits mit deiner Hilfe erreicht. Wenn du jetzt verzagst, wie können sie dann Hoffnung haben? Die Menschen brauchen jemanden, an den sie glauben können, nach all dem Leid, das sie haben durchstehen müssen. Sie haben wieder Hoffnung gefunden und du solltest sie auch nicht verlieren."

Kharas schüttelte nur den Kopf.
"Ónen i-Estel Fireb. Ú-chebin Estel anim."
Er schüttelte den Kopf, konnte er sich doch nicht selbst vergeben für die Dinge die er getan hatte.
"Niemand sollte soviel macht wie ich besitzen...."

"Das Schicksal hat einen Plan mit jedem von uns und jenen Plan können wir nicht ändern, ganz gleich welche Entscheidungen wir treffen. Die Macht, die du hast, wird eines Tages vergehen, so wie alles Leben in diesem Reich und dann werden auch wir nur noch gesichtslose Namen sein, die in vergessenen Büchern stehen", erwiderte Astaya lediglich leise.

Kharas zog Astaya zu sich hoch und setzte sich das Mädchen wie zu alten Zeiten auf seinen Schoß, gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
"Wir werden weiterleben im Kosmos mein Schatz, durch die Hoffnugn und die Liebe aller Wesen!" er schaukelte sie auf seinen Knien hin und her.
"Ich werde dich nicht verlassen!" er legte seine Arme um ihren zierlichen Körper.
"Ich werde da sein, wann immer du mich brauchst!"

"Ich bin noch immer die, die ich war, als du gingst", wisperte die Jüngere leise und lehnte den Kopf an die Schulter des Älteren, gab sich für den Moment der Sicherheit hin, die der Ziehvater ausstrahlte. Weiterleben ... es war eine absurde Vorstellung für sie, hatte sie sich doch inzwischen damit abgefunden eines Tages einfach nicht mehr da zu sein. Sie hatte keine Vorstellung davon, was war, wenn sie sterben würde - was mit ihr dann war.
"Ich weiß ...", setzte sie schließlich auf seine Worte hinzu und schlang die Arme um ihn.

Ihr Ziehvater hielt sie sicher im Arm.
Strich ihr übers Haar.
"Von allen Wundern, die ich je gehört,
Scheint mir das größte, daß sich Menschen fürchten,
Da sie doch sehn: der Tod, das Schicksal aller,
Kommt, wann er kommen soll. "

"Jenes Schicksal liegt noch fern, Vater", versicherte sie ihm, hörte sie doch seine Gedanken als seien es ihre eigenen, spürte seine Emotionen, die auch in ihr hochwallten und wie wilde Wellen gegen die Küsten ihres Geistes schlugen.
"Ich werde dich nicht allein lassen und wir werden das Kommende bewältigen, was immer noch vor uns liegen mag."

Kharas nickte.
"Lass unsere Gedanken andere orte finden..." er überlegte kurz,
"Ah ja...
Lyonel und zerras Idee..." er schüttelte den Kopf.
"Löblich aber... ich fürchte die neativen Auswirkung einer Umsetzung!
Vor einer Revolution ist alles Bestreben, nachher verwandelt sich alles in Forderung."

"Sie werden niemals mit etwas zufrieden sein. Alles, was sie erreichen werden, wird immer nur eine Zeit lang gut sein bevor sie neue Pläne finden und nach neuen Möglichkeiten suchen. All das, was ihr beschlossen habt, Sir Lyonels und Fürstin Zerras Plan - es würde vielleicht sogar gut gehen, die Menschen würden glücklich sein selbst bestimmen zu dürfen, für den Moment jedenfalls", wagte Astaya zu äußern und seufzte leise, rührte sich jedoch nicht weiter.
"Dann würden erneute Kriege beginnen. Sie würden nach immer mehr Macht streben bis es wieder zu einer Monarchie käme. Der Stärkste würde sich erneut durchsetzen und alle anderen unter sich zwingen. Es ist immer so."

"Ich weiß...
Wir sollten mit Sir Lyonel reden, so bald wie möglich!" er seufzte.
Es durfte nicht schief gehen

Coreen hatte sich hierher zurück gezogen als Kharas eintrat.
"Hey kleine...." sagte er leise und trat ein.
"Willst du reden?"

Coreen nahm die Stimme des anderen nur entfernt wahr, schloss stattdessen die Augen und fuhr bereits im nächsten Moment wieder zusammen. Sie spürte die kleinen Nadelstiche auf ihrer Haut, roch getrocknetes Blut, hörte leisen Ritualgesang und sah die leeren, toten Augen des Wachmannes, den der Raz'ac ihr vor die Füße geworfen hatte.
Unhörbar fluchend strich sie sich über die bleiche Haut, nur um festzustellen, dass diese nicht mer mit Zeichen der alten Sprache tätowiert war.
Sie hatte geglaubt, dass die Ereignisse sie nicht dermaßen mitgenommen hatten, wurde jedoch jedes Mal wieder eines Besseren belehrt, wenn sie versuchte zu schlafen. Seit geraumer Zeit schon schlief sie nur noch mit Hilfe von Kräutertränken, die sie im Keller des Palastes gefunden oder sich selbst zusammengebraut hatte. Coreen kannte die Nebenwirkungen dieser Art von Tränken mehr als gut - Halluzinationen und Schwächeanfälle waren nur wenige davon.
Der Angriff der Raz'ac beschäftigte sie noch immer. Sie hatte eindeutig zu Kharas gewollt und hätte Coreen den Mund aufgemacht, hätte sie den Meister gefährdet. Andererseits ... sie hatte Destelle, Julian und Eluneya gefährdet mit ihrer sturen Haltung, sie war Schuld daran, dass Eluneya fast getötet worden war.
"Ich finde keine Worte dafür ...", antwortete sie ihm leise und fuhr sich über die Augen unter denen in den letzten Tagen dunkle Ringe aufgetaucht waren.