Das vierte Gästezimmer

"Ihr erwartet von mir sicherlich, dass ich meine Geschichte erzähle.", stellte sie fest und nahm auf einem nahen Stuhl platz, wundersamer weise ohne rot zu werden. Anscheinend konnte Destelle sich kontrollieren. "Es war notwendig, meine Haare und mein Gesicht zu verschleiern und die beste Möglichkeit war Schlamm. Auf dem Weg hierher gab es genug davon.", sie lächelte leicht, elegant hob sie ein Fuß und legte ihn über dem anderen.
Jetzt, wo sie sauber war, konnte sie ruhig als Geschäftsdame oder eine Person mit einem hohen Rang durchgehen, sie war elegant aber schlicht. Ihre türkisfarbenen Augen glühten und standen im Kontrast mit ihren roten Haaren, die wegen dem orangefarbenen Licht in Surda, besonders hervorstachen.

Kharas hob die Brauen.
"Ich glaube, ich habe niemals verlauten lassen, dass ihr mir eine Erklärung schuldig seid.
Dies ist nicht das Königreich Frau Lemour! Hier kann jeder herumreisen wie er Lust hat!" erklärte er freundlich.
Er lächelte sie nett an und ging einige Schritte in den Raum, öffnete einen Schrank und nahm drei Tassen heraus.

Coreen biss sich auf die Unterlippe um das Grinsen zu verbeißen, wobei sie dieses Mal wirklich Mühe damit hatte. Stattdessen stand sie nun ebenfalls auf und trat zu Kharas hinüber, nahm die Teekanne von der kleinen Feuerstelle und stellte eben jene auf dem Tisch ab. Es waren so gewohnte Gesten in den letzten Wochen geworden, dass es ihr vorkam, als habe sie noch nie etwas anderes getan.

"Ich glaube es würde Euch trotzdem interessieren.", meinte sie, ihn mit dem Blick verfolgend. Hmmm... Die Sonnenstrahlen taten ihr gut, so dass sie sich etwas entspannte.
"Ich war in Dras-Leona als Wirtin der Taverne 'Rouge Amours' tätig. Vladimir, der Grad Dras-Leonas, war mir schon immer auf die Fersen, er wollte Steuern, die ich schon bezahlt habe und solche Sachen. Eines Tages wollte ich einkaufen, als ich in den Straßen eine Elfe vor Vladimir und später vor einem Raz'ac gerettet habe, mehr oder weniger. Danach sind wir zu meiner Taverne, am nächsten Tag sollten wir nach Ilirea gehen. Sie sagte mir, dass sie die stellvertretende Ratsherrin Ellesméras, Nyaralin ist. Sie hat mir erzählt, dass die Drachenreiter sich nicht um die Menschheit kümmern, dass Vladimir ein Schatten ist und dass die Elfen sich bald um ihn kümmern werden.
Kurze Zeit später ist der Steuereintreiber gekommen, daraufhin ist sie geflüchtet. Ich habe ihm zwar die Steuern bezahlt, aber da ich der Elfe Unterschlupf gewährt habe, wollte er mich auf Ort und Stelle hinrichten. Irgendwie schaffte ich es zu fliehen.
Und jetzt stehe ich hier.", erklärte die Frau.

"Einen großen Teil der Geschehnisse - ausgenommen eure eigene Geschichte wissen wir bereits..." meinte Kharas und nichte während er Destelle zuhörte.
Er schenkte in alle drei Tassen Tee ein und versah die Unterteller mit den nötigen Kleinkram, große braune Zuckerkristalle und silberne Teelöfel.
"Und wir werden gegen Vladimir vorgehen!"

Coreens Blick ruhte eine lange Zeit auf Destelle während sie den Ausführungen der Wirtin lauschte und Kharas schließlich zunickte, ein Zeichen dafür, dass sie verstanden hatte, was in dem anderen vorging. Sie schloss kurz die Augen, streckte die geistigen Fühler aus und berührte sacht den Geist des Meisters.
'Ich kenne die Elfe, von der die Dame spricht ...' Dann wechselte sie plötzlich das Thema als sie die verkrustete Wunde am Bein der anderen wahr nahm. 'Sie ist verletzt.'

"Das ist gut zu hören. Genau deshalb bin ich auch nach Surda gekommen, um vor Vladimir fliehen zu können.". Sie blickte hin und her zwischen Coreen und Kharas, obwohl sie Kharas doch viel öfters und länger ansah. Ein stechender Schmerz durch fuhr ihren Bein. Ah! Verdammt ich dachte es war geheilt.
Damit sie ihr Bein etwas entlastete, stellte sie beide Füße nebeneinander, so dass die Wunde weniger belastet war. Qualvolle Erinnerungen schwirrten in ihrem Kopf, als sie sich an die Zeit in der Kutsche mit dem netten Mann erinnerte.

"Zeigt mir bitte eure Verletzung!" bat Kharas und kam näher an Destelle heran, stellte zuerst die drei Tassen auf dem Tisch ab.
Er zog besorgt die Stirn zu Kraus und kniete sich neben Destelle, krempelte das Kleidungsstück hoch.
"Coreen wärst du so nett mir ein scharfes Messer zu holen?"

Die junge Frau nickte und trat zu einer der Schubladen hinüber, griff nach einem Messer und zog eben jenes hervor. Langsam trat sie zu Kharas zurück und reichte ihm die Waffe, den Griff in seine Richtung haltend während die Klinge selbst in die ihre zeigte.
"Genügt das?", fragte sie leise und kniete sich neben ihn.

Destelle blieb stumm und zeigte Kharas die Wunde, die Baldor ihr zugefügt hatte. Jetzt wurde sie schon etwas rot, wenn er da so hin kniete. "..." Sie blieb die ganze Zeit über ziemlich stimmt, beobachtete alles und versuchte nicht nervös zu wirken.

Kharas nickte und nahm das Messer entgegen, ritzte damit leicht die kaum verheilte Wunde an.
"Waise heíl!" sprach er und die Wunde wurde angenehm wamr, während sie sich schloss.
Der Duft von Tannennadeln und Wacholderbeere stieß Destelle von Kharas entgegen, ehe er sich erhob.
"Nun ist alles verheilt!"

Überrascht starrte Destelle auf die verheilte Stelle, ließ ihr Finger kurz darauf gleiten um sich zu vergewissern, dass es wirklich verheilt ist. "Danke sehr. Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen alles zurückzahlen sollte, ich habe all mein Vermögen in Dras-Leona verloren. Womöglich fackelt Vladimir meine Taverne gerade ab."
Ihre Augen wanderten zu Kharas und fixierten ihn wie eine Zielscheibe. Ich bin einem echten Magier begegnet...und er hat mich geheilt! Ich kann es ja kaum glauben., ihre Augen funkelten, als sie ihr Kleid wieder hinunter zog. "Magie zu beherrschen muss etwas wunderbares sein."

"Es ist eine große Verantwortung!" meinte Kharas und setzte sich auf einen Stuhl.
"Jeder Bauer kann jemanden NICHT in einen Frosch verwandeln - die Kunst besteht darin es nicht zu tun, wenn man wieß wie einfach es ist!" erklärte der Magier und lachte.

Auch Coreen erhob sich langsam, nahm Kharas Worte wahr und bemerkte erneut Destelles Blick. Dass sie Kharas nicht begann auszuziehen war wirklich alles. Innerlich schüttelte sie den Kopf während sie sich ebenso wieder auf ihren Platz sinken ließ.

Destelle wandte den Blick ab. Sie hob eine Tasse auf und nahm daraufhin langsam einen Schluck. "Könnte ich irgendwo in Aberon oder hier im Palast arbeiten? Ich habe keine Wohnung und muss ja irgendwie überleben.". Der Tee war angenehm und gutschmeckend, es erinnerte sie damals, als ihre eigenen Eltern den Tee zuhause machten.
Entspannt lehnte sich sich zurück und schloss die Augen, sie spürte wie die Wärme des Tees durch ihren Körper ging und wohltuend wirkte.

Kharas überlegte kurz.
"Ich denke, wir könnten die Prinzessin davon überzeugen euch einen Kreidt zu gewähren. Ich würde für euch bürgen.
Dann könnt ihr hier ein neues Gasthaus eröffnen,wie klingt das für euch?" fragte Kharas und setzte sich an das andere Ende des Tisches.

"Am besten in anderem Ambiente", setzte Coreen leise für sich selbst hinzu und schaffte es innerhalb weniger Sekunden ihr Gesicht von einer unbegeisterten Miene zurück in ein freundliches Lächeln zu verwandeln.

"Nein, nein danke.", die plötzliche und unerwartete Antwort ließ sie selbst staunen. Ein weiteres Gasthaus würde ihr Leben genau so gestalten wie es vorher war und das wollte sie nicht. Keine zweite Taverne. Sie nahm noch ein Schluck vom Tee und stellte ihn dann wieder auf dem Tisch. "Mag sein, dass ich nicht mehr die jüngste bin, aber ich habe noch genügend Zeit um viel zu erleben...", sie machte eine Pause um ihre Worte gut zusammenzufassen, "Ich möchte die Elfen aufsuchen und den Pfad der Magie erlernen. Ob es mir gelingt ist unklar, aber ein Versuch ist es Wert.", sagte sie zum Schluss und erwartete die Reaktion der beiden.

Stumm war sie jener Stimme gefolgt, die sie zu rufen schien und die Tür, zu dem ihr zugewiesen Zimmer, öffnete sich vor der jungen Frau. Sie nahm die Geister der Anwesenden wahr und lächelte schwach.
"Die Elfen werden Euch ohne Grund nicht lehren, werte Dame", antwortete sie auf Destelles Worte hin und in ihrer leisen Stimme klang ein fremder Ton mit. Sie schloss die Tür hinter sich bevor sie sich erneut umwandte, blieb jedoch dort stehen, wo sie war. Sie war nicht gebeten worden näher zu treten.

Kharas Gesicht zeigte ein großesLächeln, als er aufstand und an Astaya heran trat, sie zärtlich umarmte.
"Hallo Astaya!"

Sie gab den sachten Druck zurück. "An dir hängt das Schicksal", wisperte sie leise, lediglich für ihn hörbar ehe sie sich von ihm löste. Sie nahm die Verwirrung Coreens wahr, die inzwischen fast entrüstet auf ihrem Platz saß und Astaya wusste, dass es der anderen inzwischen fast zu viele Besucher geworden waren.

"Deswegen werde ich auch versuchen die Elfen davon zu überzeugen mich die verzweigten Pfade der Magie zu lehren.", antwortete sie dem Mädchen entgegen. Sie wirkte wie ein Geist, blass mit einer Augenbinde. Ich kenne lediglich 1 Elf, ihre Kultur ist mir verborgen., dachte sie sich und musterte sie daraufhin.

"Ihr wollt einen Elfen überzeugne euch Magie zu lehren?" Kharas lachte ungläubig.
"Ebenso könntet ihr einen Zwerg bitten, euch die Kunst des Stollenbauens zu lehren!"

"Ein fragwürdiges Unterfangen", antwortete auch Astaya und suchte sich mit einer merkwürdigen Sicherheit in den Bewegungen einen Platz, ließ sich sacht darauf sinken und legte die Hände in den Schoß. Von ihrem Gesicht war keinerlei Mimik abzulesen, geschweige denn, dass sich ihr Kopf in die Richtung eines der anderen gedreht hätte.

"Das stimmt wohl. Aber wer sonst könnte mich unterrichten? Ins Königreich gehe ich nicht wieder."
Sie musterte das Mädchen weiterhin, aber irgendwie konnte sie aus ihr nicht schlau werden, also wandte sie den Blick ab. Sie sah aus dem Fenster, wo die Stadt Aberon sichtbar war. Sie nahm noch ein Schluck von dem Tee.