Eingangshalle

Er hielt sie reflexartig am Oberarm fest.
"Elatariel!" meinte er beinahe flehend und ein seltsamer Glanz lag in seinen Augen.

"Bist du nur zurückgekehrt um mir das zu sagen?", fragte sie ohne das Gesicht ihm zuzuwenden, startete jedoch nicht den Versuch sich aus seinem Griff zu wenden. Es hätte ohnehin keinen Sinn gehabt, sie war ihm kräftemäßig vollkommen unterlegen.

"Nein Elatrariel ich..." er brach ab, schüttelte den Kopf.
"Bitte tu es einfach... keine Fragen" es schnürte ihm den Brustkorb zu derart kalt zu ihr sien zu müssen, doch sie empfand anscheinend nicht das Gleiche für ihn wie er für sie.
Er musste sie schützen. Was sollte er tun? Was konnte er tun?
Was durfte er tun?

"Warum hältst du mich dann fest?", folgte es schlicht, ohne dass sie auf seine letzten Worte Rücksicht nahm und erst als sie sich sicher war, dass sie nicht sofort ihre Fassung verlieren würde, wandte sie den Blick zu ihm hinauf. "Vielleicht solltest du mit Alice anfangen, sie scheint sehr begeistert." Es war allein ihr Tonfall, der ihre Worte Lügen strafte.

"Was?" in ser Verwunderung ließ er sie los.
"Ab..." er schüttelte den Kopf und wandte sich um.
"In zwanzig Minuten will ich dich in meinem Gemach sehen!" dann rauschte er ab.

Die Elbin wandte sich ebenso ab, blickte ihm nicht nach und trat zurück in ihre eigenen Gemächer. Sie hatte einen Auftrag erhalten und sie hatte ihn zu befolgen, so sehr sie sich auch innerlich dagegen sträubte.

Ehrfürchtig betrat Avalee die große Eingangshalle direkt hinter Aylen, die unbeirrt eingetreten war.
Ihr rotes Haar flog bei ihrem schnellen Schritt leicht hinter ihr her, während Avalee nur zögerliche Schritte machte. Die Elfe hat ihr nicht gesagt, zu wem sie gingen und hatte ihr auch nur knapp davon erzählt, dass es sich bei diese Stadt um Ellesmera handelte.
Eine vergleichbare Halle hatte das Mädchen noch nie zuvor gesehen. Staunend drehte sie sich im Kreis und bewunderte dieses Kunstwerk von Architektur, Baukunst und der Liebe zum Detaill.
Unbemerkt hatte sich die Türe hinter ihr wieder geschlossen, während sie in die Mitte des Raumes getreten war.

„Wo bleibst du eigentlich?“, unterbrach Aylens Stimme die Gedanken des Mädchens, als sie nach einer Weile zurück in die Eingangshalle kam. Avalee stand noch immer an der selben Stelle, während die Elfe sich bereits nach Ethra erkundigt hatte.
„Er ist nicht da“, sagte sie, als sie bei Avalee ankam und strich sich seufzend durch das rote Haar.
„Dann müssen wir wohl hier so lange warten, oder wir nehmen uns ein Zimmer hier in Ellesmera, bis er wieder zurück ist"

Hektisches Hufgetrappel war in der großen Halle zu vernehmen ehe die schlanke Gestalt eines weißen Schimmels und der Reiterin erschien. Das Tier kam tänzelnd zum Stehen, Schweiß war auf den sehnigen Flanken zu erkennen - ein Zeichen, dass die Reiterin dem Tier in der letzten Zeit keine Ruhe gegönnt hatte. Mit einer flinken Bewegung sprang sie ab und zog die Kapuze vom Kopf, wischte sich kurz über die Stirn und gab die Zügel des Tieres an einen Diener weiter. In ihrem Arm ruhte noch immer ein von innen leuchtendes Stoffbündel, das sie umklammert hielt als sei es ihr Allerheiligstes. Elleméra war der einzig sichere Ort, der ihr einfiel um den Eldunarí vor Ethra zu verbergen - war hier doch die Magie am Stärksten, die diesen Wald durchflutete. Er würde nicht damit rechnen, dass er so nah war.
Mit einer Hand raffte sie ihr Kleid und eilte durch die Gänge, sich stets immer wieder umblickend. Wenn sie nur niemand hierher verfolgt hatte. In Ilirea selbst war ihr mit irritierten Blicken begegnet worden - die Menschen dort hatten sich offenbar gewundert, warum eine Elfe mitten in der Nacht so rasch abgereist war.

Ein Diener des Königshauses begegnete ihr auf dem Gang, er war dazu ausgesandt wordne über das Anwesen zu wachen.
"Seid Gegrüßt Lady Nyaralin!" meinte er mit einer knappen Verbeugung, nach dem begrüßungsritual der Elfen.
"Wir hatten nicht so früh mit eurer rückkehr gerechnet!"

Die Elfin vollführte die formale Geste der Begrüßung der Elfen und musterte ihr Gegenüber. Sie hatte nicht erwartet jemanden hier anzutreffen aber ein Diener Dellanirs bedeutete zumindest einmal nichts, was sie angreifen würde.
"Seid mir ebenso gegrüßt. Auch ich hatte nicht erwartet so rasch zurückzukehren, doch die Ereignisse ließen mir keine andere Wahl.", antwortete sie schließlich ruhig.

"Wenn man Fragen darf, welche Ereignisse?
Und wo ist Lord Ethra?
Ihm ist doch hoffentlich nichts zugestoßen?" fragte der Elf und hob die Augenbrauen.

"Lord Ethra verblieb in Ilirea um sich zu erholen, doch er ist wohlauf, sorgt Euch nicht um ihn", begann sie und seufzte innerlich. Er würde zumindest wieder wohlauf sein, wenn erst der Eldunarí versteckt und für ihn nicht mehr zugänglich war.
"Zwei der unsrigen griffen uns ohne Grund an. Sie schienen verblendet und ihre Seelen ins Dunkel getrieben."

"War der Name einer der beiden etwa Feon?
Ein Elf mit einem großen Schwert, und langen silber-violetten Haaren?" fragte der Elf höflisch und musterte Nyaralin mit besorgtem Blick.

Die Elfin neigte den Kopf und in ihrem müden Gesicht war für den kurzen Augenblick ein irritiertes Stirnrunzeln zu erkennen.
"Kennt Ihr ihn?", fragte sie nun nach, nickte dann auf seine Frage hin jedoch.

"Nicht persönlich, ich war Schriftführer als der Rat sich versammelte.
Wir erhielten einen Brief von Graf Vladimir, in welchem er uns informierte er hätte einen Elfen gefangen der Amok lief.
Der Entshcluss des Rates verbannte ihn schließlich aus Ellesmera!" erklärte der Elf.

Sie nickte und lächelte schwach. "Das sind die ersten guten Neuigkeiten, die ich heute vernehme", antwortete sie dann ehrlich erleichtert und musterte den Diener dann noch einmal genau. "Sagt, ist der Ratsführer zu sprechen? Ich muss dringend mit ihm reden."

"Ich nehme an, er wird sich momentan im Palast aufhalten!" sagte der Elf.
"Ich bin sowieso auf dem Weg dorthin, wollt ihr mich begleiten?"

Die Elfe war einen erneuten Blick auf das Bündel in ihrem Arm ehe sie nickte. Vielleicht war es gar nicht so verkehrt, wenn sie zu dieser Zeit nicht allein mit einem so mächtigen Gegenstand umher wanderte.
"Gerne. Mir ist die Gesellschaft meines Volkes doch lieber als es die Menschen sind."

"Nundenn, lasst uns aufbrechen!" sagte der Elf höflisch und ging voran.

Ethras Residenz war nicht weiter als einige hundert Meter in der Eingangshalle zu betreten.
Ein großes Gewülst aus Ruzeln und Ästen versperrte den Durchgang. Ethra ging auf eben jens Geflecht zu, legte die Hand auf und sang leise in der Sprache der Elfen.
Ganz langsam sah man wie sich das Wurzelwerk zurück zog und einen Durchgang schaffte.
Ethras Pupillen verengten sich, etwas rief nach ihm... etwas bekanntes

Eingehend musterte Avalee den Elfen, hinter dem sie her gelaufen war.
Sie beobachtete, wie mühelos er die Magie herauf beschwor und die Alte Sprache anwandte, ohne auch nur ein Wort zu sagen.
Fasziniert blinzelte sie, sah Aylen nur noch aus dem Augenwinkel heraus, die zwischen ihr und Ethra gelaufen ist.
Gerade als Avalee ihn etwas fragen wollte, fuhr ihr ein Schauer über den Rücken und der Elf verschwamm vor ihren Augen.
Eine Vision. Schon wieder. Etwas seltsames scheint ihre Gabe zu beeinflussen, geradezu anzuregen.
Bilder, Szenerien spielten sich vor ihrem inneren Augen ab, ganz ohne ihr Zutun.

Sie sah eine ferne Insel, auf der ein großer Turm gebaut wird. Drachen kreisen darum und werden von mal zu mal mehr.
Dann sieht sie einen Dolch, der auf einem blutbeflecktem Tuch lag. In seinem Griff ist ein sonderbares Wappen eingeprägt worden.
Der Ort verwischt und sie findet sich in einer kleinen Kapelle wieder. Einer Ruine, in deren Inneren sich ein einzelener Mann befindet -
dann plötzlich ein Garten. Ein unendlich schöner Garten von unglaublichen Ausmaße.
Eine Frau und ein Mann unterhalten sich darin. Besorgt, beunruhigt...

Avalee zuckte heftig zusammen, als sie wieder zu Bewusstsein kam und laut nach Luft schnappte.

Ethra wirbelte herum und seine ansonsten warmen blauen Augen wurden grau und stechend wie Eis, als sie Avalee durchfuhren.
Seine Augen verengten sich für eine Sekunden zu Schlitzen und er stand angespannt da.

Unwirklich nahm Avalee die ersten Sekunden wahr, in denen Aylen ihre Finger um ihre Arme legte und sie behutsam hoch zog.
Erst da bemerkte sie, dass sie scheinbar während ihrer Vision zu Boden gesunken war.
Blinzelnd strich sich Avalee ein paar Strähnen aus dem Gesicht und schaute dann aus einem etwas blassen Gesicht die beiden Elfen an.
"Verzeiht...", murmelte sie und atmete tief ein.

Ethra nickte nur, nichts anmerken lassen....
"Gehen wir weiter!" meinte er schneidend und setzte seine Schritte fort, weiter ins innere des großen Anwesens...