Kharas Gemächer

"Coreen..." setzte Kharas an und versuchte einschmeichelnd mit seiner Schülerin zu reden.
"Es ist... coreen..." er schüttelte den Kopf.
"Mach deine Ausbildung zu Ende in Ordnung?"

"Zu gegebener Zeit", wehrte Coreen völlig ruhig ab, deren Blick noch immer auf die kleine Teekanne gerichtet war, welche sie zuvor über einer größeren Kerze positioniert hatte, damit diese den Inhalt erwärmte. Langsam begann Dampf aus der Kanne empor zu steigen - ein Zeichen dafür, dass es nicht mehr allzu lange dauern würde bis der Tee gut war.
Sie war nicht wütend darüber, dass er nicht mit ihr redete, immerhin war sie in seinen Augen noch immer ein Kind und genauso behandelte er sie. Aber sie war genauso ein feinfühliger Mensch, der leicht spürte, wenn etwas nicht stimmte.
"Setz dich. Der Tee dürfte gleich fertig sein."

Er küsste sie Sacht auf die Stirn, ehe er sich niedersinken ließ.
Langsam begann seine Körpermaske zu fallen, die spitzen Ohren wurden sichtbar ebenso wie ein Bart, welchen sich Kharas einst aus purer Lust an der Optik zugelegt hatte.
Er musste erschöpft sein.
"Ich werde vielleicht für lange, lange Zeit nicht mehr da sein!"

"Das habe ich mir schon gedacht", antwortete sie und stand wieder auf, trat zu einem der Schränke hinüber und nahm zwei Tassen heraus. Es war eine Geste, die nur aus dem Grunde so ruhig geführt wurde, dass Coreen sie inzwischen im Schlaf beherrschte, denn in all der Zeit, in der sie hier war, war das Tee trinken zu einem täglichen Ritual geworden. Ein Ritual von dem sie sich nun erhoffte, dass dieses auch Kharas wieder Ruhe brachte.
Innerlich jedoch brodelte es in ihr während die Gedanken in einem wirren Karusell immer wieder um ihren Verstand kreisten und ihr die verschiedensten Möglichkeiten aufwiesen, was denn hätte geschehen können, dass es ihn so sehr aus der Bahn warf.

"Ich vertraue dir fast mehr als irgend jemandem sonst" fing Kharas auf einmal an, den Rücken ihr zugewandt und sah nachdenklich aus dem Fenster.
"Ich lebe so lange, ich habe so viele Leute kennen gelernt.... sie sind gekommen... und gegangen..." er schüttelte den Kopf und deutete auf den Schrank.
"Dieses Möbelstück hat vor mir vielen bedeutenden Männern gehört, es war das Prachtstück ihrer Sammlung, dort hingen ihre schönsten Gewänder, sie alle starben doch der Schrank blieb bestehen - Zeitlos, ein stummer Zeuge...." er schüttelte den Kopf.
"Ein Parasit.... genau wie ich!"

Stirnrunzelnd blickte Coreen über die Schulter zurück, blinzelte, weil sie nicht begriff, worauf er hinaus wollte, geschweige denn weshalb er in einem einfachen Holzschrank einen Parasiten sah. Sie begriff, weshalb dieser Schrank und auch Kharas selbst zeitlos waren, auch weshalb sie beide stumme Zeugen aber Parasiten ...?
"Ich verstehe nicht ...", murmelte sie leise und stellte die Tassen auf dem Tisch ab. Sie gab es ungern zu aber sie begann sich langsam wirklich ernsthafte Sorgen um den Meister zu machen. Wenn er schon begann wirr zu sprechen ... sie mochte sich nicht vorstellen, was geschah, wenn sein Verstand ihn endgültig verließ und ihn ins Dunkel treiben würde.
"Wieso ein Parasit?"

"Weil wir danebenstehen wie andere sterben - sie vertrauen uns ihre Geheimnisse an, wir bewahren sie auch über ihren Tod hinaus..." er schüttelte den Kopf.
"Wir bleiben bei ihnen, überleben sie und gehen fort zum nächsten" leise seufzte er.
"So will ich nicht mehr Leben, nicht mehr seitdem ich für Ethras Tod verantwortlich bin...
Nicht mehr seid ich Astaya habe
Und nicht mehr seid ich dich als meine Schülerin aufgenommen hab!" er schüttelte den Kopf.
"Ich müsste euch alle überleben, alle....
Kein Vater sollte sein Kind zu Grabe tragen müssen!"

"Dann bist du kein Parasit", erwiderte Coreen lächelnd und trat schräg hinter ihren Meister, der in diesem Moment so furchtbar alt wirkte, wie niemals zuvor. Vorsichtig legte sie eine Hand auf seine Schulter und schüttelte den Kopf während sie begann zu erklären.
"Du bist so etwas wie ein großes Tagebuch. Deine eigenen Erfahrungen sind in dir niedergeschrieben und wie ein Buch, das man aufschlägt, teilst du uns diese mit und überlässt uns die Entscheidung, was wir daraus lernen. Jedes Wesen, dem du begegnet bist, hat seine Erinnerungen und Gedanken in dich hineingeschrieben und sowohl dich verändert als auch alle, die aus deinem großen Buch noch lernen werden und denen all diese Gedanken ein Licht sein werden an ihrem dunklen Himmel."

"Ich kann niemandem ein Licht sein, solange ich nicht weiß wohin Astaya entführt wurde..." erklärte Kharas leise und griff nach Coreens Hand auf seiner Schulter, streichelte jene sacht.
"Ich will euch allen ein Licht sein - euch alle beschützen glaube mir!
Ich versuche auch mich selbst nicht zu verlieren! Aber dies ist so schwer geworden, es ist so schwer geworden mir selbst zu trauen nach der Sache mit Ethra....
Lady Nyaralin wird es erzählen es Publik machen! Und dann ist alles wofür ich jemals gekämpft habe verloren! Dann zählt dies alles nichts mehr!" er seufzte, fühlte sich gefangen in seinem eigenen Körper.
"Und nun... nun ist Astaya fort...."

Und genau da war der Moment, in dem er mürde geworden war und auf den Coreen gewartet hatte. Der Moment, in dem er ihr endlich gesagt hatte, weshalb er so durcheinander war und die junge Novizin sog angesichts der Offenbahrung scharf Luft zwischen den Zähnen ein, bemühte sich jedoch darum Haltung zu bewahren. Kharas war nicht in der Lage sich jetzt um sie zu kümmern - hier war es jetzt von Bedeutung, dass sie ihm half, auch wenn seine Ziehtochter inzwischen fast zu einer Art Freundin für Coreen geworden war.
"Kharas ... du zweifelst so sehr an dir und an all deinen Taten, dass du manchmal vergisst, dass nicht alles, was du getan hast schlecht ist", entgegnete sie ihm sacht und es trieb ihr die Tränen in die Augen den Meister so sehr verletzt und schwach vor sich stehen zu sehen.
"Du hast mir damals beigebracht, dass egal wie dunkel die Nacht um uns herum ist, immer ein Licht leuchtet, welches uns den Weg weist. Du musst diesen Weg nur gehen und ihn nicht verlieren."
Sie übte sachten Druck auf seine Schulter aus und nickte entschlossen. "Ich schwöre dir - wir finden Astaya und wir holen sie wieder zurück. Aber du darfst so lange nicht aufgeben. Es ist nichts verloren, so lange wir nicht die Hoffnung verlieren."

"Coreen..." begann nun Kharas mit brüchiger Stimme, sich immer noch nicht zu seiner Schülerin umdrehend.
Er versuchte gegen die Tränen an zu kämpfen, stark zu sein wie er es immer gewesen war.
Immer hatte er gelacht, hatte er Lieder Gesunden. Astaya hatte seine Lieder und Geschichten geliebt als sie klein war...
Astaya


"Ich war nicht immer.... der den du kennst, ich habe sehr viel fürchterliche Taten begangen und auch wenn sie mir damals rechtens und notwendig erschienen... sind sie doch furchtbar." er schluckte und spürte einen Kloß im Hals der ihm die Kehle zuschnürte.
"Es ist nicht deine Aufgabe und es ist eigendlich zuviel verlangt, aber es kann sein das ich von dieser Reise nicht zurück komme....
Würdest du mir meine Sünden abnehmen?"

Zaghaft und zögerlich hob sie die Hand, strich ihm eine Träne von der Wange, die hinabperlte und drohte zu Boden zu tropfen und dort wie feinstes Glas zu zerspringen. Sie ließ die Hand an seiner kühlen Wange ruhen während ihre Augen sein Gesicht warm in Augenschein nahmen.
"Was für grausame Sünden könnte ein liebender Vater schon auf sich gezogen haben?", stellte sie die sanfte Gegenfrage, nickte dann aber schwach.
Es war ihr gleichgültig, wer er war bevor sie ihn kennen gelernt hatte. Was damals gewesen war. Er war der Mann, den sie kannte und den sie für jeden einzelnen Wesenszug respektierte, ganz gleich, welche Eröffnungen von ihm folgen würden.
"Erzähle, was du erzählen möchtest, Kharas aber ich kann nichts ungeschehen machen, so sehr ich mir das auch wünschen würde."

Kharas nickte, setzte sich langsam hin und versuchte mit zittrigen Fingern seine Tasse Tee zu trinken.
Hier war er, der letzte Augenblick.
Seine blauen Augen trafen Coreen und er versuchte ihr jenes liebevolle und warme Lächeln zuzuwerfen welches er sonst immer für die übrig hatte.
Er atmete tief ein und aus um sich selbst zu beruhigen und spürte wie der Knoten im Hals, der ihn zu ersticken drohte sich langsam lockerte.
"Ich tötete meinen Bruder, und obgleich sein Ansinnen finster war muss ich doch eingestehen das ich es war, dass es der Stern war der über meinem Schicksal stand welches ihn in sein dunkles Trieb.." fing er an zu erzählen, leise beinahe flüsternd.
"Als ich jung war beschäftigte ich mich viel mit düsterer, verbotener Magie - ich entwickelte Zauber und Apparate...." das zweite Geheimniss, welches auf seiner Seele lastete viel von ihm ab.
"Ich ging einst einen Packt mit einm Geist ein, welchen ich nur schwerlich lösen und somit knapp dem Tode entrinnen konnte!" sein drittes Geheimniss löste sich von ihm, wie ein Herbstblatt von einem alten Baum.
"Ich setzte Ethra den Eldunarí ein, in der Hoffnung er würde die Drachen besser verstehen und überzeugte ihn schlußendlich das Böse in dieser Welt zu werden - führte somit den Tod tausender ein und schließlich sein eigenes Verderben...." das vierte Geheimniss welches ihn so erschüttert hatte, wenngleich Coreen es auch schon kannte.
"Und.... ich war es, der den Elfen das Tor öffnete.....
Ich half damals Runas Vater zu töten...." er schluckte schwer

Schweigend hatte sie seinen Worten gelauscht, hatte nicht eine einzige Bewegung gemacht, wenngleich ihr zum Seufzen zumute war. Was sollte sie sagen? Sie hatte Ilfirin kennen gelernt, der so sehr vom Wahnsinn befallen war, dasser selbst den Tod nicht akzeptiert hatte und eine Möglichkeit gesucht hatte sich daraus zu befreien. Es erinnerte sie erneut daran, dass der Untote sie damals beinahe selbst umgebracht hatte in einem Ritual, in welchem er ihr die Lebenskraft nehmen wollte um sie sich selbst einzuverleiben.
Sie schüttelte sich kurz um die Erinnerungen an die Zeichnungen auf ihrem Körper zu vertreiben und das Delirium, in dem sie Stunden oder Tage verbracht hatte ohne Hoffnung auf Rettung.
Noch immer ohne ein einziges Wort glitt sie vor Kharas in die Hocke und griff nach seinen Händen, in ihrem Gesicht kein einziges Zeichen eines Vorwurfes oder gar der Missachtung.
"Du wusstest doch nicht, was dadurch geschehen würde, Kharas. Du hattest Hoffnung, dass deine Versuche etwas bringen würden, dass Ethra zur Vernunft kommen würde und die Drachen nicht mehr verabscheuen würde. Du hattest Hoffnungen auf eine bessere Zeit der Menschen unter Runas Herrschaft statt unter der ihres Vaters und für das Schicksal deines Bruders konntest du ebenso wenig", begann sie leise, nicht lauter als er zuvor berichtet hatte.
"Wir suchen uns nicht aus, was wir sind oder zu was wir werden. Das Einzige, was in unserer Hand liegt ist, was wir daraus machen. Was wir aus der Zeit machen, die uns gegeben ist und du hast wahrlich stetig versucht das Beste für alle zu erreichen."

Kharas nickte langsam.
"Dennoch werde ich mir all diese Tate nur schwerlich selbst verzeihen können!" er raffte die Schultern, strich Coreen über ihr lockiges Haar.
"Hör mir zu Tochter," begann er leise und glitt hinüber zu seinem Bett.
"Ich vertraue dir alles an, was jemals Wert besessen hat in meinem Leben!"

"Über vergossenes Wasser zu trauern bringt gar nichts, Kharas. Es ist geschehen", antwortete sie ihm noch, verfolgte seine Bewegung mit den Augen und runzelte erneut die Stirn bis tiefe Furchen auf der glatten Stirn auftraten, die sie älter wirken ließen als sie es war.
"Kharas, ich bitte dich - überstürze jetzt nichts. Du weißt doch noch nicht einmal, wo du beginnen sollst", gab sie zu Bedenken, wusste aber genauso gut, dass sie gegen eine Wand sprechen konnte - es hätte genauso wenig Sinn gehabt.

"Ich werde jemanden einsetzen für die wenigen Tage bist Runa zurück ist!" erklärte Kharas leise, ehe er einen kleinen Dolch und einen Gürtel voller Diamanten heraus zog und jene Coreen reichte.
"Ich werde mich auf die Suche nach dem Ursprung der Magie machen, welche dort im Brunnen zu finden war!" erklärte er.
"Ich...." er verstummte, die magischen Apparate um sie herum begannen zu sirren und zu quieken, sie sprühten Funken und brannten durch, auch die Schutzzeichen an den Wänen gingen in Stichflammen auf.
Kharas ging in die Knie, Blut lief aus Ohren, Nase, Augen und Mund.

"Kharas?!"
Coreen schoss alarmiert in die Höhe und hastete zu ihrem Meister hinüber, glitt schlitternd erneut neben ihm in die Hocke nachdem sie die Dinge zu Boden fallen gelassen hatte, die Kharas ihr nur wenige Sekunden zuvor gereicht hatte.
"Was ist los? Was hast du?"

Kharas hustete Blut und kaum war jenes auf dem Boden gelandet, formte es sich zuerst zu einer schleimigen Masse, ehe es in einer Seltsamen Art der Metamorphose eine Karte bildete.

Du bist längst Tod, alter Mann

Angewidert das Gesicht verziehend streckte Coreen die Hände nach der Karte aus, die sich aus dem Blut, das Kharas hustete, gebildet hatte. Es schien wohl so als wäre die friedliche und ruhige Zeit nun endgültig vorbei, wenn man schon im eigenen Blut solcherlei Drohungen wiederfand. Doch was Coreen am meisten beunruhigte war, dass es Kharas unmöglich gewesen war diese fremde Magie, die hier am Werk war, zu blockieren oder abzuwehren und dass auch sie selbst nichts davon bemerkt hatte.
"Unser nächster Gegner scheint ja wirklich herzallerliebst zu sein ...", äußerte sie missmutig, musterte die Karte erneut, die sie in den Händen hielt.

"Was immer das ist..." keuchte Kharas welcher sich langsam wieder aufrappelte.
"Es ist unheimlich mächtig, all meine Schutzzauber wurden durchbrochen... ich habe Stimmen gehört.... aber... da glaubt jemand mir in meinem Kopf herumspielen zu können!" er schüttelte sich.
"So ein Bastard..."

"Ruhig", versuchte Coreen ihn zu beschwichtigen und schob die Karte unbemerkt von ihrem Meister in eine ihrer Taschen an ihrem Gürtel, fort aus seinem Blickfeld. Er sollte nicht ständig an die unheilvolle Nachricht erinnert werden, die soeben sprichwörtlich herausgewürgt hatte.
"Was hast du jetzt vor?", lenkte sie das Thema schließlich wieder weg von dem neuen Feind, hoffte, dass Kharas nicht noch länger darauf herumreiten und sich darüber ereifern würde.

"Ich werde..." setzte Kharas an und seufzte leise.
"Ich werde zuerst die Spur verfolgen welche der Zauber durch den Astaya schwand zog, davon ausgehend werde ich einige Nachforschungen anstellen, Leute befragen und so weiter!" er fuhr sich durch die nunmehr zusammen klebenden haare, welche noch nicht ganz getrocknet waren.
"Je nachdem was ich rausbekomme werde ich dann eine Rettungsaktion durchziehen!"

"Ich komme mit", entschied Coreen spontan nach einer Weile und straffte ihre Haltung, weil sie fest damit rechnete, dass er wieder protestieren würde - sich weigern würde zuzulassen, dass sie ihn auf seiner Reise begleitete, doch Ruhe würde sie bei Charles momentan sowieso nicht finden. Zumindest nicht, so lange sie nicht wusste, ob mit ihren Freunden alles in Ordnung war.
"Keine Diskussion darüber. Ich begleite dich."

"Coreen" meinte Kharas und seine Stimme wurde scharf.
"Wenn dieser Vorfall hier und Astayas verschwinden im zusammenhang stehen, so ist es in keinster Weise sicher für dich!" er tippte ihr gegen das Brustbein.
"Du wirst nicht mit mir gehen und damit Ziran hier allein lassen, ich könnte es mir nie verzeihen wenn dir etas passiert und Ziran würde auch daran zugrunde gehen!
Du wirst zurück nach Gil´ead gehen und deine Ausbildung bei Lord Hunkill beenden, damit hilfst du mehr als mir auf einer abenteuerlichen Reise quer über den Kontinent zu folgen!"