Gäste Gemächer

Farim stammelte ein paar wirre Wortfetzen die keinen Zusammenhang ergaben und warf sich hin und her. Seine Augen waren verklebt und sein Mund fühlte sich trocken an. Mühsam schlug er ein Augenlied auf und blinzelte verwirrt. Das Feuer im Kamin prasselte leise vor sich hin und spendete ein wenig Licht. Trotzdem erschien es dem alten Mann, als würde er direkt in die Sonne schauen. Langsam spürte er wieder ein Gefühl in seinem Körper. Kurz darauf schoss ein stechender Schmerz durch diesen. Farim bäume sich auf und wünschte sich, er könnte sich von seinem gesamten Unterleib trennen, nur um den Schmerzen zu entgehen. Ver....fluchte... Schnepf... Weiter kam er nicht, da er zischend die Luft einzog und eine verkrampfte Haltung einnahm.

"Halt den Mund, alter Mann", raunte eine eindeutig weibliche Stimme und zwei starke Hände drückten ihn wieder zurück auf das weiche Nachtlager, hielten ihn dort mit mehr Kraft, als man es der jungen Frau zugetraut hatte. Coreen schüttelte den Kopf, lenkte ihren Blick nur einmal kurz hinüber zu dem alten Mann, der sich als Heiler vorgestellt und es übernommen hatte, sich um die Verletzung zu kümmern, die Farim sich zugezogen hatte. Die Miene des Mannes war verhärtet und immer wieder erkannte sie die tiefen Sorgenfurchen auf seiner Stirn - Furchen, die sie nur allzu gut kannte und die nur auf eines schließen ließen - dass Farim selbst bei guter Behandlung seiner Wunde Konsequenzen dieser tragen würde und sein bestes Stück wohl nie wieder benutzen konnte. Es war ein Gesicht, das jeder Heiler machte, wenn dieser Fall eintrat, unabhängig von Ausbildung oder Herkunft.
"Es würde dir besser gehen, wenn du nicht ständig so zappeln würdest", setzte sie mit milder Stimme hinzu, die Hände auf seinen Schultern ruhen lassend bevor er auf den Gedanken kam sich erneut aufzubäumen. Seit sie Farim gefunden hatte war sie nicht von seiner Seite gewichen, hatte jeden Neuankömmling misstrauisch beäugt bevor sie ihn an das Lager des Verletzten gelassen hatte. Die Situation im Reich war heikel genug, gerade wenn man an die Bedrohung dachte, die von den Attentätern ausging und sie konnten es sich nicht erlauben, dass Farim etwas geschah, so sehr sie sich dies auch gewünscht hatte. Der Hof brauchte diesen stolzen, ständig schlecht gelaunten Richter - das Volk brauchte den verhassten Berater des Königs bevor ihr Hass sich gegen Alvias selbst richten würde.

" Da hat sie Recht ", meinte Alvias von der Tür aus. Mit verschränkten stand er an dieser und beobachtete die ganze Szenerie mit einem undeutbaren Gesichtsausdruck. Ihm tat Farim zwar Leid, aber in gewisser Weise hatte sich der Berater seine Verletzung selbst zuzuschreiben.
Hätte er das Duell angenommen, wäre es möglicherweise nicht so weit gekommen. Der König runzelte die Stirn.
Aber auch er hatte einen Fehler gemacht, indem er die junge Frau zu seinem Berater gelassen hatte. Sie war vor dem Ganzen auf Waffen untersucht worden, aber irgendwie schien es ihr gelungen zu sein, ein Stilett reinzuschmuggeln. Und auch ihr eigenes Leben schien ihr nicht allzu viel bedeutet zu haben.
Den Tod Raylas tat dem Herrscher nicht Leid. Sie war eine Mörderin gewesen und hatte den Tod verdient. Aber er hatte ihr ihren Wunsch, nämlich eine Stunde mit Farim alleine zu sein, auch nicht abschlagen können, nachdem sie ihn vor Francois' retten wollte. Das hätte seine Macht und sein Ansehen untergraben.
Mit Coreen hatte Alvias seit er erfahren hatte, dass sie heiraten würden, noch kein Wort gewechselt. Das war nun das erste Mal, dass sie sich seitdem wieder begegneten und das vor dem Krankenbett des Mannes, der ihnen das angetan hatte.
Welche Ironie des Schicksals.

Erschrocken fuhr die junge Frau zusammen als eine Stimme hinter ihr erklang und sie fuhr herum, blickte in das Gesicht des Mannes, dem sie in den letzten Stunden aus dem Weg gegangen war. In steifer Höflichkeit senkte respektvoll den Kopf vor dem Monarchen und hoffte inständig, Farim würde in diesem Moment irgendetwas sagen, irgendetwas, was sie ablenken würde, doch der alte Berater blieb zu ihrem Leidwesen stumm und ließ sie in einer Situation zurück, in der sie sich selbst mehr als unwohl fühlte. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, wusste nicht einmal, wie sie reagieren sollte und so kreisten ihre Gedanken eine ganze Weile lang nur um diesen Punkt.
Behutsam löste sie die Hände von Farims Schultern und wandte sich dem Verletzten wieder zu ehe sie ein leises "Slytha" wisperte und der Mann nur wenig später in einen tiefen, ruhigen Schlaf sank. Umständlich erhob sie sich von ihrem Platz und setzte ein paar Schritte zur Tür hin. "Er wird wieder werden. Die Verletzung wird gut heilen und nur eine Narbe zurücklassen aber alles andere ...", erklärte sie mit leiser Stimme, zuckte scheinbar leichtfertig mit den Schultern und hob langsam, beinahe zögerlich den Blick. "Wenn ich gehen soll ...", begann sie und schallte sich bereits im nächsten Moment eine Närrin. Was tat sie hier nur?

" Wenn du gehen möchtest, kannst du natürlich gehen ", entgegnete Alvias leise.
Er hatte nur nebenbei mitbekommen, wie die junge Frau den verletzten Farim einschlafen gelassen hatte. Der Magier machte einen weiteren Schritt in den Raum hinein.
" Ich bin froh, dass er wieder gesund werden wird ", meinte er mit einem Blick auf den Verletzten. " Auch wenn er es vielleicht verdient hat.. "
Alvias verstummte und betrachtete nachdenklich den Kerzenständer, welcher ein flackerndes Licht auf die ganze Szenerie warf. Im Kamin prasselte ein Feuer und spendete dem ruhenden Farim Wärme. Der König wusste nicht genau, was er zu Coreen sagen sollte. Er hatte diese Hochzeit nie gewollt und er bezweifelte auch, dass sie sie gewollt hatte. Alvias hatte sie zwar als Freundin und Beraterin geschätzt und war froh über ihre Unterstützung gewesen, aber hatte es nie in Betracht gezogen, sie zu ehelichen.
Warum hätte er das auch tun sollen ? Zugegeben, Coreen war die Tochter des Fürsten von Ceunon, aber Alvias war immer davon ausgegangen, dass er sich seine Frau selbst wählen würde und nicht einfach irgendeine Ehefrau vorgesetzt bekäme.
Der Magier registrierte, dass ihm sein verletzter Berater auf einmal ganz und gar nicht mehr Leid tat. Dieser hätte das Ganze zumindest mit ihm absprechen müssen.

"Ja ...", stimmte sie leise zu und ballte die Hände zu Fäusten während ihr Blick für einen kurzen Moment zurück zu Farim glitt, welcher ruhige Atemzüge tätigte und dem Heiler, der noch an seinem Bett stand, die Arbeit um einiges erleichterte. "Es ist gut, dass er wieder gesund wird", fügte sie noch hinzu, doch ihre Worte klangen ganz und gar nicht so aufrichtig, wie sie es sich im ersten Moment gewünscht oder erhofft hatte. Der Mann, der dort lag war schuld an ihrer beider Situation - trug die Schuld daran, dass der sonst so unbeschwerte Umgang miteinander nun schwieriger geworden war. Dass sie voreinander standen und weder sie, noch er wussten, was sie sagen sollten, was richtig und was falsch war.
"Alvias ...", begann sie nach einer schieren Ewigkeit, in der Stille zwischen ihnen beiden gelegen hatte, fasste allen Mut zusammen, den sie in dieser Situation aufbringen konnte und straffte ihre Haltung. Ein bitteres, beinahe entschuldigend wirkendes Lächeln lag auf ihren Zügen als sie die dunklen Augen auf den größeren Monarchen richtete und schließlich den Kopf schüttelte. "Ich weiß, dass es nichts mehr ändert und dass ich es mit keinem Wort besser mache aber ... ich wollte all das auch nicht. Es war auch nicht das, was ich mir für mein Leben vorgestellt habe ..."

" Bezaubernd... ", entgegnete Alvias mit einem leicht ironischen Unterton in der Stimme und sah Coreen aus übermüdeten Augen an.
Er hatte, seit er König geworden war, nicht mehr gut geschlafen. Die Aufgaben und die Probleme hatten ihn so in Beschlag genommen, dass er kaum dazu gekommen war.
Und wenn er sich doch einmal zur Ruhe begeben hatte, hatte er über seine Sorgen und Gedanken keinen Schlaf gefunden.
" Hervorragende Grundlage für eine glückliche Ehe ", fügte der König mit einem bitteren Lächeln hinzu.
" Aber sehen wir das Ganze mal positiv: Wir hätten es wesentlich schlimmer treffen können, oder ? "

"Ich weiß, dass du genauso denkst, denn sonst würden wir nicht in dieser furchtbaren Situation voreinander stehen und nicht wissen, was wir einander sagen sollen", kommentierte sie seine Aussage lediglich mit einem schmalen Lächeln, das nun langsam an Ehrlichkeit gewann als er seine Frage stellte. Er hatte Recht und sie erinnerte sich an Celest, die dieselben Worte gewählt hatte nachdem Farim ihr die Nachricht überbracht hatte, dass sie in nicht allzu ferner Zeit einen Mann heiraten würde, den sie bisher als engen Freund und Vertrauten bezeichnet hatte.
"Ja, wir hätten es wesentlich schlimmer treffen können. Du bist ein guter Freund und ein guter Herrscher, Alvias und ich vertraue dir. Es wird werden", stimmte sie ihm wieder zu und setzte ein bekräftigendes Nicken hinzu ehe ihre Augen über sein Gesicht glitten und die Müdigkeit darin registrierten. Das Lächeln schwand von ihrer Miene und wurde durch Sorgenfalten ersetzt, die das Gesicht der jungen Frau um einiges dunkler und älter wirken ließen. "Du siehst müde aus", kommentierte sie den Anblick, den er bot, ernst. "Wieso ruhst du dich nicht einfach ein wenig aus? Wenn du willst, kümmere ich mich in der Zeit um deine Aufgaben, damit du schlafen kannst?"

" Das erledige ich schon selbst ", wiegelte Alvias ihr Angebot ab. " Danke " Er neigte den Kopf leicht in ihre Richtung und schloss kurz die Augen.
" Aber ich denke auch, dass das schon werden wird. Wir werden schon miteinander auskommen. "
Der König schritt zu dem Fenster des Zimmers und betrachtete nachdenklich das Treiben im Schlossgarten. Einige Bedienstete waren gerade dabei, Waren zum Schloss zu transportieren. Ein paar Kinder spielten auf der Wiese und einige Hofdamen unternahmen einen Spaziergang durchs Grüne.
" Was solls ", seufzte er. " Ich werde mich nun wieder meiner Arbeit widmen. " Der König trat einen Stück von dem Fenster zurück und verließ den Raum.


tbc: weg

Kharas hatte eine große, dampfende Tasse Tee in der Hand und starrte ins Feuer wo der dazugehörige Kessel weiter vor sich hin dampfte.
Ohne ein Wort zu sagen sah der alte Magier einige Minuten lang in die flammende Glut ehe er seinen Kopf hob und Coreen ansah.
"Du bist erwachsen geworden" stellte er leise fest und sein Lächeln kehrte aufs Gesicht zurück
"Und das vor mir wie mir scheint" er lachte und nahm einen Schluck Tee, sah zu Olo der stumm in der Ecke stand
"Setz dich Olo setz dich, bevor du dich in einen Kleiderständer verwandelst!" er winkte den Jungen heran ehe er zu Coreen sah
"Sechs Jahre Coreen.... ich bin dreihundertachtundfünfzig und das was mir am meisten in Erinnerung geblieben ist sind die letzten sechs Jahre" er sah wieder in die Flammen
"Wir haben unzählige Abenteuer erlebt nicht wahr Coreen? Unzählige Wanderschaften....." sein Lächeln wurde bitterer
"Und ich habe ziemlichen Mist gebaut in all der Zeit..."

Mit ruhigen Schritten trat auch Coreen zu einem der Sessel hinüber und ließ sich darauf sinken, nahm sich in dieser Bewegung gleichzeitig auch die Zeit, um darüber nachzudenken, was sie dem alten Mann nun antworten sollte, der ihr gegenüber saß. Es war über ein Jahr her seit sie sich zum letzten Mal gesehen hatten und Coreen erinnerte sich noch gut an ihre letzte Begegnung. Damals hatte sie ihn fortgeschickt, mit der Bitte ihre Familie in Ruhe zu lassen, sie nicht zu manipulieren und nun war er wieder hier - aus Gründen, die sie selbst noch nicht zu fassen wagte.
Er war älter geworden, schwächer seit ihrem letzten Aufeinandertreffen, schien den Biss verloren zu haben, der ihn einmal ausgemacht hatte. "Ich habe das getan, was ich musste, Kharas", antwortete sie auf seine Worte hin und legte die Arme auf den Lehnen des Sessels ab, ohne Kharas dabei aus den Augen zu lassen. Nur nebenher registrierte sie, dass auch Olo sich inzwischen gesetzt hatte. Es fiel ihr schwer, das Lächeln zu erwidern, das er ihr schenkte und das einen Hauch der Vergangenheit mit in diese Räume brachte. "Wir haben unzählige Dinge erlebt, die uns geprägt haben und haben uns etwas aufgebaut", stimmte sie ihm schließlich zu.

"Ich bin stolzer auf dich als ich es jemals in Worte fassen könnte" meinte Kharas leise und strich mit dem Daumen abwesend über die Keramiktasse ehe sein Blick wieder zu Coreen zurückfiel
"Astaya und du ihr seit das einzige Licht was ich in dieser Dunkelheit hinterlassen habe... und eigentlich wenn ich ehrlich zu mir selbst bin.... dann bin ich nicht derjenige der für das Gute in euch verantwortlich ist" meinte er bitter und verstummte, nippte an seinem Tee ehe weitere Minuten des Schweigens folgten in welcher Kharas nur auf seine Tasse blickte
"Ich habe keine Zeit mehr auf dieser Erde Coreen" erklärte er leise und sah sie an
"Ich fühle es.... tief in mir wie.... ein Stück Butter auf zuviel Brot verstrichen..." ein Lächeln huschte schmal und einsam über sein Gesicht
"Ich wollte nicht allein sein, weißt du?" fragte er leise und mit brüchiger Stimme
"Und Astaya... ich glaube es würde sie nicht interessieren... womit sie eigentlich ja auch recht hat..." er fuhr sich über die wange
"Ich wollte dich nur noch einmal sehen Coreen... denn dein Bildniss ging mir nicht aus dem Kopf.. niemals"

Stirnrunzelnd saß Olo in dem großen roten Sessel, der für ihn viel zu groß zu sein schien. "Was für Leute sind denn normalerweise hier?" Fragte er sich und rutschte ein Stück nach links, dann wieder ein Stück nach rechts. Doch als Kharas anfing davon zu reden das es mit ihm zu Ende ging wurde er schlagartig still und rührte sich keinen Cenitmeter. Er hatte es zwar selbst vermutet, doch redete er sich viel ein wenn der Tag lang war. Viel zu viel. Warum musste es genau jetzt zutreffen? Ein flaues Gefühl machte sich im Magen des jungen Mannes breit, Angst umfing ihn. Er wusste nicht einmal wovor, vielleicht lag es daran das ihm gerade seine eigene Sterblichkeit und die aller anderen vor Augen gehalten wurde. "Sie existierte jeden Moment, von Geburt an und doch denkt man nur selten daran..." Besorgt sah Olo in das Gesicht des Magiers. Er wusste nicht ob er es sich nur einbildete aber er er glaubte leicht glasige Augen zu erkennen. Das bedrückte Gefühl breitete sich nun aus und kurz darauf bekam er einen Kloß im Hals. "Warum endet es hier? Nein..." Er kannte Kharas schon eine ganze Weile lang, seit dem er damals an den Hof gegangen war und oft war er es gewesen der ihn von verrückten Ideen abgebracht hatte oder ihm die helfende Hand gereicht hatte. Nur mühsam konnte er den Tränenfluss zurückhalten. Er war kein Mann der großen Worte und vor ihm war ein Mann der gerade die letzten Stunden seines Lebens verbrachte. Was konnte er sagen was der Magier nicht schon wusste?

Schweigend hatte Coreen den Worten ihres einstigen Meisters gelauscht und in ihnen auch gleichzeitig die Antwort auf die Frage gefunden, die sie sich ohnehin schon gestellt hatte - weshalb er hierher gekommen war. Sie hatte geglaubt, dass die Nachricht seines bevorstehenden Todes sie in ein tiefes Loch reißen würde, sie verzweifeln und nach einer Möglichkeit suchen ließen, wie sie eben jenen Tod verhindern konnte, doch sie spürte gar nichts in ihrem Inneren. Das Einzige, was blieb war das flaue Gefühl im Magen, das sie kurz schwindeln ließ ehe sie sich wieder fing und sich um Haltung bemühte.
"Ich denke nicht, dass Astaya der Tod ihres Ziehvaters kalt lässt, Kharas", erwiderte sie lediglich mit völlig neutraler Stimme, vor der sie im nächsten Augenblick selbst erschrak. Die Worte klangen nicht nach ihr selbst, waren zu neutral und ruhig gewählt und gaben keinerlei Rückschluss auf den Sturm, der in ihrem Inneren herrschte. "Wieso?", fragte sie, statt länger darüber nachzudenken, zu welchen Handlungen sie inzwischen fähig war und fixierte das Gesicht des anderen erneut. So sehr sie seine Komplimente auch ehrten, sie war es inzwischen Leid ständig solcherlei Dinge über sich selbst aus seinem Mund zu hören - sie war es Leid in den Himmel gelobt zu werden, wo sie doch nichts anderes war als jeder andere Mensch auf dieser Erde, den er einmal gekannt hatte.
Die junge Frau erhob sich langsam von ihrem Platz, ließ die Porzellantasse mit dem Tee unberührt auf dem kleinen Tisch stehen und wandte sich einem der großen Fenster zu. "Wieso verabschiedest du dich, obwohl du noch nicht einmal weißt, wann der Zeitpunkt gekommen ist?", verbesserte sie ihre erste Frage noch einmal und verschränkte die Arme vor der Brust. "Du hast mich selbst einst gelehrt, was wir dem Tod antworten, wenn er klopft", begann sie von Neuem und drehte sich wieder zu ihm um. "Nicht heute."

"Ich hasse es wenn du anfängst meine altklugen Sprüche gegen mich zu verwenden" lachte Kharas auf einmal und all das Alter entschwand aus seinem Gesicht welches wen Coreen es nicht besser gewusst hätte für einen kurzen Moment zwanzig Jahre Jünger aussah
"Coreen, ich befürchte wir haben über manche Dinge einfach keine Kontrolle - das dürftest du bei all unseren Abenteuern doch gelernt haben!" erklärte er lächelnd
"Coreen..." meinte er schließlich und ein altbekanntes Funkeln lag in seinen Augen
"Lass uns über unsere alten Abenteuer reden, ein letztes mal -ja?"

Eine ganze Weile lang ruhte Coreens Blick auf der Landschaft, die sich vor dem Schloss erstreckte, versuchte das Brennen ihrer Augen dadurch zu verbergen, dass sie den anderen den Rücken zuwandte. Der Kloß in ihrem Hals machte ihr für einen Augenblick das Sprechen unmöglich und so schwieg sie, ließ die Stille, die durch den Raum zog, seine Frage beantworten. Kharas war das Letzte, das von einer alten Welt und ihrer gesamten Vergangenheit übrig geblieben war - der einzige Mensch, der sie über all die Jahre begleitet hatte.
"Es tut mir leid", wisperte sie schließlich heiser, schloss die Augen einen kurzen Moment lang ehe sie sich wieder ihm zuwandte und ein bitteres Lächeln auf ihre Züge brachte. "Vor etwas mehr als einem Jahr ... unser letztes Treffen. Es war nicht richtig, dich so zu behandeln, Kharas - nicht nach alledem, was du getan hast", fing sie erneut an, zwang ihre Stimme dazu sicher und ruhig zu bleiben, wenngleich sie auch nur schwerlich den Sturm zu verbergen vermochte, der in ihrem Inneren tobte. "Weißt du ...", fuhr sie fort und kehrte langsam zu ihrem Platz ihm gegenüber zurück. "... nach alledem, was damals geschehen ist. Ich hatte Angst davor, dass dasselbe erneut passiert. Dass du ihm etwas antun könntest - ihn mir wegnehmen könntest, weil du glaubst, es wäre besser. Es tut mir leid."

"Dir braucht nichts leid zu tun" meinte Kharas leise und lächelte sie an, es war ein ehrliches Lächeln
"Ich habe dir auch nie wirklich einen Grund gegeben etwas anderes zu glauben" erklärte er leise und fuhr sich über die Wange
"Schließlich wusstest du alles von mir - und nicht viel davon ist wirklich ruhmreich..." er seufzte tief ehe er wieder sein Augenmerkt auf sie richtete
"Ich war dir in keinem Moment des letzten Jahres Böse. Du hast das getan was du für Richtig und Notwendig gehalten hast - darauf kommt es an!"

Erleichterung, darüber, dass er ihr keines ihrer Worte übel nahm, spiegelte sich für wenige Sekunden in ihrer Miene wieder ehe eben jene Erleichterung von der Sorge und dem Schmerz über seinen baldigen Verlust abgelöst wurde und ihr Gesicht verdunkelte. Einstmals noch hatte sie geglaubt, sie sei stark genug, um einen erneuten Verlust zu verkraften, um sich nicht erneut von den Wellen der Emotionen hinfort reißen zu lassen, doch immer wieder hatte ihr die Welt gezeigt, dass längst nicht alles in ihr gestorben war, was sie über so lange Zeit zu verdrängen gehofft hatte. Das, was sie spürte, wenn sie darüber nachdachte, dass Kharas bald nicht mehr sein würde, war der lebendige Beweis für ihren Fehler, ihren Irrglauben, sie sei darüber erhaben, nach all den Verlusten, welche sie hatte verkraften müssen.
"Was hast du getan während du fort warst?", fragte sie leise, strich sich in einer fahrigen Bewegung über das Gesicht, wischte unwirsch ein paar Strähnen daraus und hoffte gleichzeitig damit auch jegliche Spuren von eventuellen Tränen verbergen zu können. "Ich habe mich das immer gefragt - du hast nie etwas von dir hören lassen, niemand wusste, was mit dir war oder wo du warst."

"Ich war auf Wanderschaft, was mache ich denn sonst?" fragte er leise und lächelte
"Wenngleich auch mein Körper nicht mehr so ganz mitgezogen hat wie ich es gewohnt war. Ich habe geholfen wo ich konnte, verschenkt was ich hatte und letztlich all mein Gold, jeglichen Besitz geteilt. Ich brauche ihn sowieso nicht mehr und vielleicht, vielleicht wollte ich einfach nur etwas damit gut machen" er seufzte ehe er einen Umhang von der Schulter gleißen ließ und diesen Auffing wo er in seinen Armen wie Wasser lag
"Ich habe nur noch den Umhang und den Ring..." er schüttelte den Kopf als er auf das Stück Stoff sah
"Ich will ihn deinem Sohn schenken - zur Geburt.... möge er ihn vor sämtlichen Feinden und bösen Gedanken schützen und ihm ein ebenso treuer Begleiter sein wie mir."

Die junge Frau lächelte bei der Erklärung, die ihr einstiger Meister von sich gegeben hatte und ließ sich wieder ein Stück auf dem großen Sessel zurücksinken, auf dem sie Platz genommen hatte. Die Anspannung und die Vorsicht, welche sie zuvor noch eingenommen hatte, verließ ihren Körper wieder, ließ sie wieder so unbedarft wirken, wie sie es getan hatte als sie gemeinsam mit Kharas unterwegs gewesen war.
"Du solltest Lian sehen", antwortete sie und hob langsam wieder den Blick um dem seinen zu begegnen. "Er ist wundervoll. Weißt du, ich erzähle ihm Geschichten von unseren Abenteuern - von dem großen Magier Kharas, der es noch immer geschafft hat, Unheil abzuwenden. Ich singe ihm die Lieder vor, die die Zwerge dir zu Ehren geschrieben haben - ich hab' sie über all die Jahre nicht vergessen. Lian hört sie gern - er kann ohne diese Geschichten nicht einschlafen", begann sie dann zu erzählen während ihre eigenen Erinnerungen wieder zurückkehrten. Sie dachte an die zahlreichen Schlachten, die sie gemeinsam bestritten hatten - die Kämpfe gegen Ethra, gegen Vladimir, gegen Scorpio, Ramirez und Torlof und zuletzt die Bedrohung durch die Fyhamer und die Attentätergilde. Sie hatten so viel schon überlebt, dass es ihr nun merkwürdig vorkam darüber nachzudenken, dass ihn nun das Alter einfach so fortnehmen würde. Inständig hoffte sie, dass er wenigstens jetzt, wo er kurz davor stand, diese Welt zu verlassen, die Ruhe fand, die ihm sein gesamtes Leben nicht vergönnt gewesen war.
"Erinnerst du dich noch - damals in Surda, als ich gemeinsam mit Julian Frook in den Palast kam und Runa unterstützen wollte? Du hast mich damals begrüßt und irgendeinen magischen Mist geredet, den ich nicht verstanden habe", fuhr sie fort und schluckte schwer als ihre Stimme zu versagen drohte. "Jeder kann jemanden NICHT in einen Frosch verwandeln, die Kunst liegt darin, es nicht zu tun, wenn man weiß wie EINFACH es ist - das war das Erste, was du mir über die Magie beigebracht hast. Damals warst du jünger."

"Ich war damals jünger?" echote Kharas und begann zu lachen, strich sich die leisen Tränchen die sich ob Coreens Erklärung in seinen augenwinkeln gebildet hatten sacht zur Seite und nahm Coreen genau in Augenschein
"Ich war damals nur unmerklich jünger Coreen! Dreihunter Jahre und das einzelne zählt nicht mehr! Weißt du was der wahrhaft große Unterschied war? DU warst jünger!" er lächelte breit und deutete auf Olo
"Hör gut zu Olo, denn was ich über die Königin sagen werde kann dir fast niemand sagen! Und das schöne, es hat keinen Sinn mehr mich noch zu bestrafen!" er zwinkerte Coreen zu
"Ein rotzfreches Gör war sie, deine Herrin als sie zu mir kam! Nichts als Flausen im Kopf, stets mit dem Kopf durch die Wand und sturer als ein Esel! Impulsiv war sie auch und hatte ein Mundwerk dessen sich jeder Seemann schämen würde!" er lachte und sein lachen war dunkel und klar.
"Aber Talent hatte sie auch und Mut! Sie wäre ich das Maul eines Drachen gekrabbelt wenn sie es gemusst hätte!"

Bei dem Gedanken daran, wie Coreen früher einmal gewesen war musste er schmunzeln. "Nun ich glaube Coreen hat nicht ganz unrecht Kharas, du scheinst alt zu werden. Schließlich kannte auch ich sie schon lange bvor sie in dieses Amt gehoben wurde. Du erinnerst dich noch? Ich als Diener am Königshofe?" Ein Lachen stahl sich über seine Züge. "Auch wenn mir das mit dem Mundwerk neu ist." Olo rückte ein Stück nach vorne, sodass er seinen Oberkörper leicht krümmen konnte. Kharas, der alte Hofmagus und treuer Diener der Krone saß nun mit einer heißen Tasse Tee in der Hand im Gästezimmer und verscuhte die letzten Stunden seines Lebens zu genießen. Wie schnell sich das Blatt des Lebens doch wenden konnte. Der alte Zauberer war ihm nie wie jemand vorgekommen, der so sterben würde. Es klang absurd, was es letztendlich auch war aber er hatte Olo soviel gutes getan, ihn immer einen Rat gegeben. Die Vorstellung das er nun einfach starb... der junge Mann konnte sich nicht recht mit dem Gedanken abfinden. "Ich mag keine Abschiede... schon gar nicht die ohne ein Wiedersehen..." Murmelte er leise und faltete die Hände vor der Brust zusammen. Was konnte er großartig sagen? Das er wunderschöne dreihundert Jahre hatte? "Dreihundert... drei Epochen hat dieser Mann miterlebt... mein Leben erscheint mir gerade mehr als nur kurz."

"Ohne ein Wiedersehen?" fragte Kharas und schüttelte den Kopf
"Nein mein lieber Olo, hier endet mein Wandern nicht. Der Tod ist nur ein weiterer Weg - den wir alle gehen müssen" er lächelte Olo sanft an
"Wir werden uns irgendwann einmal wiedersehen, an einem anderen Ort - in einer anderen Zeit" er sah zu Coreen ehe er noch einmal einen Schluck aus seiner Tasse nahm
"Ich habe keine Angst Olo und ich bedauere nichts, wenngleich ich auch meine Fehler kenne und wohl das ein oder andere anders machen würde wenn ich die Gelegenheit dazu hätte" er schenkte Olo ein Lächeln
"Aber mein Leben war erfüllt Olo, wenn ich darüber nachdenke - mir wurde die Ehre zuteil jeden Winkel Alagaésias kennen zu lernen, ich habe großartige Menschen getroffen, Elfen und Zwerge! Ich habe Könige kommen und gehen gesehen, ich habe die größten Wunder unseres Kontinents besichtigt und für meinen Geschmack etwas zuviel in der Geschichte dieses Landes mitgemischt.
Seit drei Jahrhunderten habe ich über dieses Land gewacht - nun liegt die Verantwortung auf anderen Schultern und ich hoffe, dass ihr das ein oder andere besser machen werdet als ich!"

Im ersten Moment hatte sie ihm widersprechen wollen, hatte ihn darauf hinweisen wollen, dass sie in keinster Art und Weise so gewesen war, wie er es Olo zuvor erklärt hatte, doch kein einziges Wort hatte ihre Lippen verlassen. Wenn sie jetzt so darüber nachdachte hatte Kharas vielleicht doch nicht ganz so Unrecht mit dem, was er über sie gesagt hatte. Damals war sie wirklich ungestüm und jung gewesen.
"Nicht alles, was du getan hast, war falsch, Kharas", begann sie leise, nachdem ihr Blick über Olo's traurige Miene gestriffen war, und beugte sich ein Stück vor, um behutsam nach der Hand des alten Mannes zu greifen und diese mit einem milden Lächeln zu drücken. "Ohne dich wären wir alle niemals dort, wo wir jetzt sind. Wir alle haben dir viel zu verdanken, haben durch dich viel gelernt, was uns nun weiterhelfen kann. Du hast die Welt, wie sie jetzt ist, geprägt", fuhr sie fort, schrägte sacht den Kopf an während sie ihn musterte. "Du solltest dir nicht für alles die Schuld geben, Kharas, denn auch wenn du deine Taten vielleicht als falsch ansiehst - ohne sie hätten wir jetzt niemals den Frieden, den wir nun genießen und ich bereue nicht, dich kennen gelernt zu haben."