Die grüne Sonne - das erste Gemach

"Ich werde es berücksichtigen wenn es dir wichtig ist" versprach ihr Onkel leise, wenngleich er auch innerlich sich darauf einstellte auch jeden von den "spitzohrigen" abzuschlachten wenn es denn sein müsste.
Er fuhr sich langsam durch die Haare und kratzte sich am Bart während seine Augen nochmal über die große Karte an der Wand wanderten und sich Gedanken regten ehe er wieder zu Akemi blickte und leise seufzte.
"Ich werde mit deinen Informationen sehr gut arbeiten können - du hast uns alle stolz gemacht und all das geschafft woran viele anderen gescheitert wären!" seine Hände spielten weiter mit den eisernen Sternen, spürten jede unebenheit und jeden kleinen Kratzer während seine Gedanken langsam kreisten.
"Und vor allem werde ich mir diese Echsenreitende Anführerin schnappen - Brugge war dumm sich verletzt zu stellen aber dieser Kampf war nicht ehrvoll und ich werde ihr zeigen was es bedeutet gegen jemand wirklich starken zu kämpfen"

Angst spiegelte sich in den Augen des Mädchens wieder als sie den Blick hob und den des Älteren suchte, bereits im Begriff, darum zu flehen, er möge das nicht tun, möge sich nicht derjenigen stellen, in deren Augen so viel Kälte und Härte geglommen war, dass sie beständig in Furcht davor gelebt hatte, auch nur eine Minute mit ihr allein zu sein. Doch Akemi blieb ruhig, hielt den Mund und schluckte jedes Wort hinunter, das ihr auf der Zunge gelegen hatte. Sentenza würde es anders auffassen, als sie es wollte - er würde glauben, sie hielte ihn für zu schwach um einen solchen Kampf zu gewinnen, wenngleich sie auch nur nicht wollte, dass ihn dasselbe Schicksal wie ihren Vater ereilte. "Mhm ...", machte sie stattdessen und formte damit einen stummen Laut der Zustimmung während sie den Blick von seinem harten Gesicht hin abwandte und seinem Blick zu der Karte richtete, auf der auch seine Augen lagen. Sie konnte einen Teil all dessen zuordnen und doch weigerte sie sich ihre Heimat gänzlich zu vergessen, wenngleich sie auch noch lange Zeit in diesem Reich verbringen würde.
"Ist mein Großonkel sehr böse auf Vater und mich?", fragte sie dann nach einiger Zeit des Schweigens hin und legte langsam einen Arm um den Onkel, verankerte ihre Finger in dem Stoff seiner Gewänder, bereits in dem Wissen, dass die Antwort, die er ihr geben würde, nicht die erhoffte sein würde.

"Ja..." meinte er leise und nickte während er langsam seinen Ärmel hochkrempelte und auf diesem eine Tättowierung offenbarte welche nur schlecht in dem dämmrigen Licht zu sehen war, aber das war auch nicht nötig. Akemi kannte diese Tättowierung aus Geschichten und Gerüchten. Die Verschlungenen Formen welche einen Totenkopf bildeten waren stets ein Zeichen großen Grauens gewesen.
"Sollte ich versagen wird er mein Leben nehmen um den anderen Offizieren zu zeigen was ein Versagen bedeutet...
Dir selbst wird keine direkte Schuld angerechnet und wenn ich es schaffe diese Mission erfolgreich zu beenden wird mich auch nicht der Tod ereilen. Wir werden dieses Land zurück erobern und ich werde beweisen das ich mein Leben wert bin!" er lächelte sanft als er Akemis Gesicht sah.
"Mach dir bitte keine Sorgen um mich, ich verspreche dir ich werde es schaffen.... wir werden es schaffen"

Fassungslos starrte sie auf die Zeichnung, die auf dem Arm ihres Onkels zu sehen war, streckte die zitternden Finger aus und fuhr langsam darüber, berührte die dunkle Tinte während sich Trauer und Bedauern in ihrer Miene wiederspiegelte. Langsam fuhr sie die dünnen Linien nach und zuckte im nächsten Moment zurück, als habe soeben selbst eine Nadel in ihre Haut gestochen. "Ich will nicht, dass du stirbst ...", flüsterte sie heiser während eine ganz andere, neue Befürchtung sich in ihrem Geist auftat.
Der Name ihrer Familie war auch gleichzeitig der Name des Königshauses der Fyhamer und sie wusste um den Wahnsinn ihres Großonkels. Sie erinnerte sich nur zu gut daran als sie sechs Jahre alt gewesen war und Mirar sie und ihre Familie dazu gezwungen hatte, dabei zuzusehen, wie er einen seiner Berater bei lebendigem Leib verbrannt hatte - aus reinem Spaß an der Freude, weil ihm danach gewesen war. Die Schreie des Mannes hatten sie damals noch oftmals aus dem Schlaf gerissen, hatten ihr immer wieder einen Schauer über den Rücken gejagt und sie gegenüber ihrem Großonkel vorsichtig werden lassen, wenngleich dieser auch immer wieder betont hatte, dass seine Familie ihm wichtig war. "Was wird dann aus mir, Onkel?"

"Ich werde nicht sterben Akemi" versprach er leise und mit fester Stimme während er langsam einen Arm um das Mädchen legte und diese näher zu sich zog, in ihre Augen blickte und sich darin verlor.
Er hatte sie viel zu selten gesehen, war viel zu oft fort gewesen und konnte ihr nur sporadisch beim aufwachsen zusehen und doch - sie war ihm von all den Kindern seines Bruders am nächsten und er liebte sie wie sein eigen Fleisch und Blut wenngleich er auch selbst keine Kinder hatte. Alte Gedanken kamen in ihm hoch, ließen ihn Erinnerungen erleben als würden sie gerade erst geschehen
Ein kleines Mädchen sieht aus großen, dunklen Augen zu ihm auf. "Onkel, Onkel" ruft sie und krallt sich am Hosenbein fest. Ich lächle sie an, freue mich sie endlich wieder zu sehen. Frage mich, was sie von dem Geschenk hält welches ich ihr mitgebracht habe.
Sie strahlt als ich die Puppe aus der Tasche hole welche ich auf der Schiffsreise selbst genäht und gestopft habe. Ihre Augen glitzern wie die der Puppe welche aus Smaragd gefertigt wurden. "Oh danke ruft sie, oh danke" er schüttelte langsam den Kopf als er sich wieder in der Realität befand und seiner Nichte sanft auf den Kopf küsste.
"Mir wird nichts geschehen..."

Verzweifelt und über den Gedanken traurig, nun auch noch in der Angst leben zu müssen, ihren Onkel zu verlieren, hielt Akemi sich an diesem fest, ignorierte die Tränen, die ihr über die Wangen rannen und etwas in ihr einbrechen ließen, das sie über lange Zeit verschlossen hatte. In der Gefangenschaft ihrer Feinde hatte sie sich keinerlei Schwäche leisten können, hatte nicht zeigen können, dass sie ihr weh taten, denn dies hatte gleichzeitig bedeutend, dass die Männer nur noch mehr Freude daran hatten, sie zu quälen und nun, obgleich sie wieder zurück bei ihrer eigenen Familie war, war hier alles fremd. Bloodwyn war nicht mehr derselbe, an den sie sich zuvor noch erinnert hatte - ihr Vater und ihr ältester Bruder tot und ihr geliebter Onkel würde bei dem ersten Fehler hingerichtet werden, wenn etwas dem König missfiel, womit auch sie in die Obhut ihres Großonkels übergehen würde bis sie alt genug war, selbst in ein Kastensystem aufzusteigen, das er für sie vorgesehen hatte.
"Dir darf nichts geschehen", bettelte sie leise zwischen ihrem Schluchzen. "Warum musste er Vater hierher schicken? Wieso ist es nicht einfach genug gewesen? Er hat doch schon so viel ..."

"Mir wird nichts geschehen" versprach der Ältere leise und strich ihr sanft über den Kopf ehe er über eine Antwort nachdachte welche er ihr geben konnte
"Weißt du" fing er an und kratzte sich am Bart, schien erneut nach den richtigen Worten zu Hadern ehe er sich räusperte, erneut ansetzte
"Seine Majestät er..." er stoppte ab, verzog das Gesicht ehe er wieder anfing.
"Seine Majestät will nur das Beste für unser Land verstehst du? Mehr Land bedeutet mehr Handel, mehr Handel bedeutet mehr Geld und Wohlstand. Und außerdem will er in seiner unendlichen Güte jedem Land eine Kultur wie die unsere näher bringen. Siehst du Akemi, in all unseren Provinzen - in unserem Königreich herrscht seit über achthundert Jahren ein durchgehender Frieden! Wir sind die oberste Stufe der Schöpfung!
Und es ist unsere Pflicht die Wankelmütigen zu führen und sie zu erlösen wenn sich die Dunkelheit ihrer bemächtigt hat - was bei den grausamen Taten dieser Bevölkerung Zweifelsohne der Fall ist"

"Aber wieso können wir sie nicht einfach in Ruhe lassen?", fragte Akemi, deren Verstand sich weigerte zu begreifen, dass all das, was die Männer hier in dem fremden Land taten, nur für Wohlstand und Reichtum war - dass es auch für sie nur Vorteile bringen würde, wenn ihre Familie mehr Ruhm in der Schlacht erntete. "Dieses Land hat uns nur Unglück gebracht, Onkel! Sie haben Vater ermordet, sie haben meinen Bruder ermordet und wegen dieser Wesen steht auch deines nun auf Messers Schneide!", begehrte sie auf und hob den Kopf, sah die Unsicherheit in den Augen des anderen und schüttelte den Kopf, begriff sie doch nicht, weshalb er immer noch so sehr an dem großen Plan des Königs hing, wenn er selbst sah, dass eben dieser nur noch mehr Leben kostete.
"Sie haben so viele unserer Männer getötet - sie haben uns so viel genommen. Wieso kann der König nicht sehen, dass uns hier nichts als der Tod erwartet? Wieso ruft er uns nicht einfach wieder nach Hause? Wieso ist er nicht glücklich mit dem, was er hat?"

"Ich weiß es nicht Akemi" erklärt ihr Onkel schließlich offen und schüttelte nur den Kopf, wusste nicht wie er es ihr erklären sollte - wusste er doch selbst nicht mal wirklich wieso all das hier geschah oder welcher Sinn damit verfolgt werden sollte.
"Aber leider gilt nicht viel was wir wollen oder denken Akemi - dies ist unser Auftrag, unsere Bestimmung die er uns auferlegt hat und seine Majestät wird seinen Grund haben und selbst wenn nicht - wir haben keine Wahl Akemi" liebevoll streichelte er ihr über den Haarschopf.
"Wir haben leider sowieso keine Wahl. Was wir wollen oder nicht ist irrelevant - wir folgen diesem Befehl oder wir werden bestraft. Lass uns das beste daraus machen und einfach alles für das Gelingen dieser Mission tun in Ordnung?" er küsste ihren Haarschopf
"Ich weiß das du Angst hast aber ich verspreche dir, du musst dich nicht sorgen denn ich werde das alles hinbekommen, irgendwie"

Eine Weile lang blieb Akemi ruhig, dachte darüber nach, was er ihr erklärt hatte und sie begann zu begreifen, dass auch er diesen Krieg nicht führen wollte - dass es auch für ihn eine Strafe war hier in diesem fremden Land zu sein, dessen Bewohner gemeinsam mit ihren eigenen Männern zu bekämpfen und zu beobachten, wie ein Lebenslicht nach dem anderen erlosch während er selbst wusste, dass auch seines erlöschen würde, wenn er den ersten falschen Schritt tat. All ihr Schreien, all ihr Flehen brachte bei ihrem Großonkel ebenso wenig wie bei den Feinden und Akemi begann langsam zu begreifen, dass es nur einen geringen Unterschied zwischen ihnen gab - dass auch Mirar ähnlich reagierte wie es die Soldaten der Feinde getan hatten - mit einer perversen Freude daran ihr Leid zu verstärken.
Als ihr Onkel endete, hob Akemi erneut den Kopf und beobachtete sein Gesicht eine Weile, registrierte die Unsicherheit darin, die ihr plötzlich ein Lächeln aufs Gesicht brachte. Behutsam löste sie sich von ihm und fuhr sich mit den Händen über das verweinte Gesicht, hinterließ dreckige Schlieren darin. "Dann lass mich dir helfen, Onkel", entschied sie und straffte ihre Haltung wieder, fand den Stolz und die Entschlossenheit wieder, die sie zuvor verloren geglaubt hatte. "Ich will dir helfen unsere Feinde zu besiegen, damit wir zurückkehren können. Ich will nicht hier bleiben und allem hilflos zusehen müssen - ich war schon in dem Schloss unserer Feinde, ich kenne diesen Ort und seine Gänge. Sie haben es mir gezeigt."

Sentenza schenkte auch Akemi ein Lächel ehe er ihre Hand griff und diese Sacht drückte.
"Danke" flüsterte er leise und gab ihr erneut einen Kuss auf die Stirn wobei sein Bart kratzte.
"Ich denke all dein Wissen wird noch zu unserem Vorteil gereichen und wenn du willst - ich habe mich mit der Sprache dieses Landes beschäftigt und kann sie dir beibringen wenn du willst. Wer weiß ob das nicht noch nützlich sein wird - was hälst du davon?" er wuschelte ihr durch die Haare und lachte auf einmal laut auf
"Was sitzen wir hier eigentlich und blasen Trübsal? Wir haben schon einmal gegen die Feinde verloren, wissen also wie wir es nicht machen sollten - wir haben neue Möglichkeiten Akemi und nichts zu verlieren - machen wir das beste daraus und wischen wir das Siegessichere Grinsen sowohl aus den Gesichtern der Feinde als auch die Zweifel aus dem Antglitz seiner Majestät!"

Wenngleich sich auch im ersten Moment noch etwas in Akemi sträubte, sich näher mit den Feinden und ihrer Sprache zu befassen, so nickte das Mädchen doch während in ihrem eigenen Kopf Dinge heranreiften, die sie für ihren Onkel und seine Männer tun konnte. Wenn sie die Sprache der Widersacher verstand, dann würde sie vielleicht weitere Informationen erhalten, wie sie sie am Besten besiegen konnten - dann würde es ihnen vielleicht leichter fallen, sie endgültig zu besiegen, nachdem sie ihnen bereits so viel genommen hatten. Eines jedoch war klar - auf Bloodwyn und seine Fähigkeiten konnten weder ihr Onkel, noch sie sich wirklich verlassen. Der Bruder besaß zwar den Willen und den Mut die Feinde in die Knie zu zwingen, doch keineswegs die taktischen Fähigkeiten, die dazu notwendig waren und die ihr Vater besessen hatte.
"Und dann fahren wir nach Hause", schloss sie die Worte ihres Onkels ab, verließ sich auf die Hoffnung, die in diesen Worten mitschwang und lächelte sacht, brachte es zustande in jenem Lächeln auch Ehrlichkeit und Mut miteinfließen zu lassen, wenngleich auch noch immer der Zweifel in ihrem Herzen regierte.

"Ja Akemi, ja dann fahren wir nach Hause und ich ziehe bei dir und deiner Mutter ein für die nächste Zeit und Versorge euch, schau das es euch gut geht. Ich glaube mein Bruder hätte das so gewollt..." er legte seinen Arm um Akemi, zog diese näher zu sich.
"Wir werden nach Hause fahren und all dies hier hinter uns lassen und nie wieder zurück kehren. Wir werden Mondzucker essen und dem Sonnenuntergang vom alten Berg aus zusehen - was hälst du davon? Wenn ich hier Erfolge aufweisen kann, werde ich mich aus dem aktiven Dienst ehrenhaft entlassen lassen und als Berater fungieren. Dann bin ich auch immer daheim. Was hälst du davon?"

Akemi nickte eifrig, schlang nun ihrerseits die Arme um den Onkel und vergrub das Gesicht an seiner Kleidung während sie bereits damit begann, sich vorzustellen, wie es wohl wäre, wenn Sentenza jeden Abend daheim wäre - bei ihr wäre und sie nicht mehr wartend am Kai stehen musste, fest in der Hoffnung bald schon würden Schiffe am Horizont erscheinen. "Denkst du, dass Vater jetzt bei den Göttern ist?", fragte sie nach einem Moment des Schweigens und hob langsam wieder den Kopf, um in seinem Gesicht die wahre Meinung des Mannes zu sehen, fernab von beschönigenden Worten, die sie nur nicht verletzen sollten.
"Denkst du, dass er dort jetzt den Frieden findet?", fügte sie hinzu und schauderte leise ehe sie die dunkle Befürchtung, die in ihr aufgeglommen war, in leise, stockende Worte formte. "Ich will nicht, dass seine Seele hier in diesem Land ist - er würde hier keinen Frieden finden und er wäre so weit weg von seiner Familie. Er kann hier doch nicht auf uns herabsehen ... ebenso wenig wie mein Bruder ...", wisperte sie leise und fügte ein beinahe resigniert wirkendes Seufzen hinten an, als ihr bewusst wurde, was sie soeben da gesagt hatte. "Du wirst Bloodwyn nicht einfach machen lassen, oder? Du wirst dich seiner entledigen, wenn er alles gefährdet, nicht?"

"Dein Vater hat gut gekämpft und ist ehrenvoll in einem Duell gestorben als er die Flamme des Krieges als leuchtende Fackel vor sich her trug - Praios wird ihn gewiss in seine Halle aufnehmen und der Fährmann wird seine Seele über das Meer zurück in die Heimat tragen, ebenso wie die deines Bruders. Sie werden alle Zeit über dich wachen" versprach Sentenza mit überzeugung ehe er leiser wurde als er über Akemis nächste Frage nachdachte. Ja, Bloodwyn könnte sich zu einem Problem entwickeln und es schmerzte ihn das er diese Gedanken in seiner Nichte aufkeimen ließ anstatt diese tief in sich selbst -und nur für sich selbst zu tragen.
"Ich werde versuchen mit ihm zu reden, ihn zu beraten und ihn von Fehlern abzuhalten" fing er an zu erklären, es zu beschönigen - harmlos zu reden ehe er kurz stockte, sie ansah. Sie verdiente die Wahrheit. Sie mehr als jeder andere.
"Aber... sollte es aus dem Ruder laufen und Dein Leben gefährdet sein werde ich ihn beiseite räumen... so sehr es mich auch schmerzt aber wir können uns keine Fehler erlauben"

Niedergeschlagen und resigniert schlug Akemi die Augen nieder und richtete ihren Blick auf die dicke Decke, auf der sie saß, zupfte mit den schlanken Fingern an einigen der Fransen daran und versuchte den Gedanken zu verjagen, dass sie nun auch bald ihren Bruder zu Grabe tragen müsste. Bloodwyn und Sentenza waren stets unterschiedlicher Meinung gewesen und keiner von beiden war gewillt auch nur einen Schritt zurück zu machen. Sie bedauerte es, liebte sie Bloodwyn doch ebenso wie sie auch ihren Vater und ihren anderen Bruder aber sie wusste auch, dass es unvermeidlich war, was Sentenza tun würde und dass er damit recht hatte.
Langsam ließ sie sich zurück in die Kissen sinken und griff mit der Hand nach der Decke, um sie um ihren zierlichen Körper zu ziehen während ihr Blick unstet von einer Ecke des Raumes zur nächsten wanderte. Sie war hier in Sicherheit und doch mahnte sie eine leise Stimme in ihrem Kopf zur Vorsicht, erinnerte sie daran, dass auch die Wachen ihres Vaters nicht viel hatten tun können, um das Schicksal, das sie hatte erdulden müssen, von ihr abzuwenden. Sie alle hatten ihr Leben bei dem Versuch gelassen und Akemi erinnerte sich nur allzu deutlich an die glasigen, leeren Augen, die sie, in ihrer eigenen Einbildung, vorwurfsvoll angesehen hatten. "Bleibst ... du bei mir, wenn ich schlafe ...?", flüsterte sie leise und blinzelte unter schweren Lidern hinauf zu ihrem Onkel. "Ich hab' Angst allein zu sein ... sonst kommen die bösen Männer wieder ..."

"Natürlich bleibe ich bei dir..." meinte Sentenza leise und strich seiner Nichte langsam über den dunklen Haarschopf ehe er sich langsam aufsetzte und erneut die Augen über die riesige Karte des Landes wandern ließ
"Ich werde versuchen eine friedliche Lösung zu finden, ihn möglicherweise nur einsperren wenn es denn nötig sein dürfte" er fuhr sich über den Bart, spürte jede einzelnen Stoppel und fragte sich wie weit er würde gehen müssen um seinen Auftrag zu erfüllen, wieweit all das führen würde ehe es zu einem Ende kam.
"Dir wird nichts geschehen, keine Angst meine kleine - es werden keine bösen Männer kommen, niemand wird dir weh tun" er lächelte und zog aus seiner Tasche einen kleinen Dolch, wiegte diesen in der Hand ehe er diesen Akemi reichte
"Den schenke ich dir, möge er dir genauso viel Glück bringen wie mir immer"

"Aber ich kann damit doch gar nicht umgehen", begehrte sie leise auf, doch ihre Stimme wurde beinahe vollständig von dem dicken Stoff der Decke verschluckt während ihre Finger nur noch schwach auf dem Heft des Dolches lagen, den ihr Onkel ihr gegeben hatte. Die Waffe vermittelte ihr ein Gefühl von Sicherheit, ein Gefühl, das sie fähig war, sich zu verteidigen, wenn ihr erneut jemand zu nah kommen wollte, ohne dass sie es für richtig hielt. Langsam schloss Akemi die Augen wieder und konzentrierte sich auf das ruhige Atmen ihres Onkels, das monoton und einschläfernd an ihre Ohren drang, ihren Geist beruhigte und ihn davon abhielt, erneute Horrorszenarien zu formen, die sie aus der Ruhe gerissen hätten. Dass sie mit dem Dreck, den sie am Leib trug, den zerschlissenen Kleidern die einstmals sauberen Laken ebenso verdreckte, ignorierte das Mädchen schlichtweg.

"Schlaf gut meine Kleine" flüsterte sentenza und betrachtete das Würmchen welches langsam, mit dem Kopf an seiner Brust einschlief.
Viele Stunde blieb er so wach liegen - sah ihr beim schlafen zu und wachte über sie, dass kein Alptraum, kein Monster und keine Schreckensgestalt sich ihrer bemächtigte. Die Sonne verschwand mit rot glühenden Streifen hinter dem Horizont, der Mond zog über das Firmament und schien hier in der Wüste so riesig zu sein wie sonst nirgends.
Lange Stunden schlichen dahin in denen sich Sentenza keinen Schlaf gönnte, die geliebte Nichte nicht unbewacht lassen wollte ehe schließlich mit dem Schrei des Hahnes sich der neue Morgen ankündigte

Mit dem Krähen des Hahnes war auch Akemis Ruhephase vorüber, denn angesichts des lauten Geräuschs zuckte das Mädchen zusammen und fuhr im nächsten Moment panisch hoch während ihre Augen hastig von einer Ecke zur anderen glitten. Bei jedem kleinen Geräusch zuckte sie erneut zusammen und ihre Finger hatten sich inzwischen um die dünne Decke verkrampft, so dass die dünnen Knöchel weiß unter der fahlen Haut hervor traten während sich ein schmaler Schweißfilm auf ihrer Stirn gebildet hatte, der in dem dämmernden Licht des neuen Morgens glitzerte. Ihr Verstand weigerte sich zu arbeiten, weigerte sich auf die leise Stimme der Vernunft einzulassen, die ihr sagte, dass sie keine Furcht haben musste, dass sie nicht mehr bei den Feinden war und doch hörte sie die Stimmen der Männer, ihre höhnischen Worte, die sie nicht verstand bevor sie sie mit einer Ohrfeige aus dem Dämmerzustand, der ihr den Schlaf ersetzt hatte, gerissen hatten.
Unaufhörlich schoss Adrenalin durch ihre Adern, beschleunigte ihren Atem während sie nach dem kleinen Dolch suchte, den ihr Onkel ihr am letzten Tag gegeben hatte. Verzweiflung machte sich in ihr breit als sie ihn wenige Meter von dem Bett entfernt erkannte und sich bewusst wurde, dass die Angst, die sie empfand, ihren Körper hatte steif werden lassen, denn gleichgültig, welchen Befehl sie einem Gliedmaß gab, es folgte daraufhin keinerlei Reaktion.

"Guten Morgen Akemi, du bist auch wach?" stellte Sentenza die rhetorische Frage während er sowohl sich als auch Akemi ein Glas Wasser einschenkte und langsamen, gemächlichen Schrittes zur ihr hinüber trat und das Kristall überreichte und ihr ein Lächeln schenkte ehe er nach einer Traube griff und sich diese in den Mund schob
"Ich bin schon etwas länger wach" umschrieb er die Tatsache, dass er keine Minute die Augen geschlossen hatte.
"Ich hoffe du hattest keine schlechten Träume?" fragte er leise und sah hinaus in die Staubtrockene Landschaft die ihm so furchtbar unwirtlich schien, dass er sich zu Fragen begann wieso irgendjemand so ein Stück Land konnte haben wollen

Abwesend streckte Akemi, gerade so als würde sie nur einem stummen Befehl folgen, der ihr gegeben worden war, die Hand aus und ihre Finger legten sich um das kalte Kristall, ihr Blick richtete sich auf die klare Flüssigkeit, die in dem Gefäß schwamm während ihr Herz noch immer schmerzhaft heftig gegen ihre Rippen schlug. Ihre Finger begannen im nächsten Moment unkontrolliert zu zittern und verlor den Halt an dem klaren Glas. Klirrend fiel das Trinkgefäß zu Boden, zerschellte auf den marmornen Kacheln in tausende winzig kleiner Scherben, die in dem Morgenlicht bedrohlich glänzten und helle Lichtreflexionen auf den hohen Wänden des Raumes malten.
"Es tut mir leid", wisperte sie leise, presste die Worte über die blass gewordenen Lippen, ohne den Blick von den Scherben am Boden abzuwenden, die in der klaren Wasserlache lagen und sie so sehr an sich selbst erinnerten. Verschüttetes Wasser konnte nicht wieder aufgesammelt werden, ebenso wenig wie sie das wieder zusammen fügen konnte, was die Männer in ihr zerstört hatten. "Ich wollte es nicht kaputt machen ...", setzte sie noch hinzu und zog den Kopf halb zwischen den Schultern ein, fest befürchtend, sie würde gleich dafür zur Rechenschaft gezogen werden.

"Das macht nichts, es war ja sowieso nicht unseres" erklärte Sentenza leise und lächelte. Ehe er zu dem Glas ging und die Scherben auflas, Akemi dabei nicht aus den Augen ließ
"Du hast dich doch nicht geschnitten oder?" fragte er besorgt während die Sonne sich in den Scherben brach und bunte Lichtpunkte auf das Wasser warfen, von dort reflektiert wurden.
"Mach dir keine Gedanken um das Glas - das ist in Ordnung" erklärte er und entsorgte das teure Glas.
"Hey Akemi, noch da?" fragte er schließlich als er sah das ihre Augen in die Ferne, an einen ganz anderen Punkt starrten

Zitternd formten ihre Lippen immer weitere Worte, die ungehört in dem großen Raum verklangen, ohne dass das Mädchen überhaupt registrierte, was um sie herum geschah, noch wer mit ihr sprach. Die Welt hatte sich vor ihrem eigenen Augen gewandelt, der Saal war zurückgekehrt zu der kalten Höhle, in der das Wehklagen der anderen Soldaten die unheimliche Stille zerbrach, nachdem die Stimmen der Soldaten verschwunden waren. Die einstmals stolzen Männer, welche voller Glanz für ihr Reich und ihren König gestritten hatten waren nach der Tortur der Soldaten nicht mehr als gebrochene Männer, die um Erlösung flehten - um den Tod bettelten, den ihnen die Feinde in all ihrer Grausamkeit nicht geben wollten. Immer wieder hatten sie Fragen in ihrer rauen Sprache gestellt, Fragen, die sie nicht begriffen hatten und auf die sie keine Antwort geben konnten, obgleich sie es gewollt hatten, wenn dies nur bedeutend hätte, endlich sterben zu können.
Akemi erinnerte sich an die glanzlosen Augen, die sie voller Trauer, voller Mitleid angesehen hatten, wenn einer der Feinde auch zu ihr kam, um sich erneut durch ihren Kopf zu wühlen und das Mädchen erinnerte sich an die pochenden Schmerzen, die ihr Körper wieder und wieder ausgesendet hatte, nachdem sich die Magier zurückgezogen hatten, um erneut die Dinge zu ordnen, die sie in ihrem Geist gesehen hatten. Immer und immer wieder hatten sie damit begonnen jedes noch so kleine Detail brach zu legen, suchten nach Informationen auf Befehl eines alten Mannes, dem sie diese Kälte niemals zugetraut hatte, denn sein Antlitz hatte auf den ersten Blick hin sanft und milde gewirkt. Sie erinnerte sich an die Worte ihres Großonkels, die er einmal gewählt hatte - dass in der größten Freundlichkeit, in der größten Schönheit stets auch die größte Grausamkeit mitschwang.
"Nicht weh tun ... nicht schon wieder ... nein, lasst mich in Ruhe ...", hauchte sie nach einer Weile nun doch leise, verstärkte ihren Griff um die Enden der Bettdecke noch einmal, gerade so als fände sie in dem feinen Stoff die letzte Zuflucht bevor auch die endgültig schwand und von alten Lumpen ersetzt wurde, die den Rest ihrer Kleider bildeten.

"Akemi! Akemi!" Sentenza ließ von dem Glas ab, trat mit raschen schritten zu seiner Nichte und hielt sie an der Schulter fest, schüttelte sie etwas um sie aus ihrer Lethargie zu reißen
"Akemi, es ist alles in Ordnung du bist in Sicherheit!" die Worte in der Sprache Fyhams waren vertraut, grollten in ihren Ohren und umschlangen sie mit einer Wärme die die Sprache der Feinde mit all ihre kälte niemals erreichen würden
"Akemi du bist doch hier, bei mir - bei sentenza in Sicherheit" er umarmte sie, versuchte sie symbolisch aus ihrer Lethargie, aus ihrem Trauma zu reißen