Kerker von Ceunon

"DU!" zischte die Wache und holte mit der Peitsche aus.
"Dir werde ich das Maul stopfen!" grollte er und die Peitsche knalte gegen Zerras Gesicht, ihre Lippe platzte auf.

Warmes Blut rann über Zerras Gesicht, die nur knapp lächelte und dabei den Wachmann aus feindseligen Augen ansah.
"Dich müssen die Worte wohl härte getroffen haben, als mich dich Peitsche. Ich habe mehr in meinem Leben durch gemacht als du, auch wenn ich nich so aussehe. Lass deinen Wut über dein verkommenes, armseliges Leben an mir aus... aber es wird nicht besser davon. Mit Gewalt kann man selten etwas bessern...", murmelte sie, während das Blut bereits von ihrem Kinn tropfte.

"Du..." rief er, doch der andere Mann hielt seine Hand fest.
"Lass es, sie wird schon noch für alles bezahlen!"

"Wer zahlen wird, steht noch nicht fest, meine Herren. Man kann gespannt bleiben...", sagte Zerra munter und lachte. Tatsächlich, sie lachte. Diese ganze Situation.
Noch gestern war sie der Überzeugung gewesen, das jeder auf der Burg loyal gegenüber der Königin gestellt war. Sie liebte und schätzte. Und nun? Ein paar Worte des schmierigen Grafen reichte wohl, um alles über den Haufen zu werfen.

Die Wächter sahen sich verdutzt an.
Die Frau schien wirklich irre zu sein. Naja, die Verrückten waren ohnehin die Härtesten. Das würde morgen noch einiges an Spaß geben.
"Sie ist wirklich verrückt, lass sie.", meinte der, der seinen Kollegen zurückgehalten hatte und schien offenbar aus dem ungemütlichen Kerker hinauszuwollen.
"Du hast Recht."
Und so ließen die beiden Hünen Zerra allein.

Es verging einige Zeit, dann kehrte der Soldat, der Zerra vorhin in die Zelle gesperrt hatte.
Und tatsächlich:
Er hatte ein Tablett mit Kartoffelsalat und einer Wurst bei sich, das er Zerra in die Zelle brachte.
"Guten Appettit, Gefangene.", sagte er laut, um leiser hinzuzufügen:
"Ich habe Euer Schwert aus der Waffenkammer geholt. Habt Ihr Euch überlegt, was ich noch für Euch tun kann?"

"Vielen Dank... uhm, als erstes... werde ich die Fesseln an meinen Händen los? Oder müsst ihr mich füttern, weil zwei Hände eine zu große Gefahr für das Leben das Grafen darstellen?", fragte sie mit einem knappen Grinsen und musterte das Essen.
Sie hatte schon eine ganze Weile nichts mehr gegessen. Außerdem freute sie sich, dass ihr Schwert sich scheinbar in guter Obach befand.

"Versprecht ihr mir dann, wenn ihr je wieder freikommen solltet, zu schauen, was mit meinem Cousin geschehen ist?", fragte der Mann leise, während er an seinem Schlüsselbung den Schlüssel für die Ketten suchte.

"Natürlich. Wenn ihr mir noch seinen Namen nennen könnte und eventuell eine Beschreibung seines Aussehens?", sagte Zerra mit einem sanften Lächeln und nickte. Gleichzeitig wandte sie ihren Rücken so weit es ging zu dem Soldaten, damit er besser an ihre Hände und vor allem an ihre Fesseln kam.
"Sollte ich frei kommen, werde ich tun, was kann, um ihm zu helfen. Versprochen"

"Lamger Naynlot", sagte der Soldat, "Leutnant der Stadtwache von Dras'Leona." Er fingerte an den Schlüsseln herum, versuchte Zeit zu schinden.
"Er ist tot, das weiß ich. Aber findet heraus, wer daran schuld ist, damit ich demjenigen den Hals umdrehen kann."

Dann, wieder lauter, um den anderen Wachen am Ende des Ganges sein Gemurmele zu erklären:
"Aha... hier ist der Bengel ja. Dass die sich aber auch immer so verstecken."
Triumphierend hielt er einen Schlüssel hoch und begann umständlich das Schloss der Ketten zu öffnen.
"Gibt es irgendjemanden, der Euch befreien könnte? Die Burg wird uneinnehmbar sein, aber morgen werdet Ihr mit einer Kutsche zur Hinrichtung gefahren. Wenn es einen Zeitpunkt gibt, wo Ihr wenig bewacht seid, dann ist es auf der Kutschfahrt."

„Ihr glaubt gar nicht, wie dankbar ich euch für alle eure Mühe bin. Lam...Lamger Nai...Naynlot. Leutnant der Stadtwache von Dras'Leona“, sagte Zerra leise und nickte. Sie musste sich alle Mühe geben und den Namen nicht vergessen. „Ich werde heraus finden, was mit ihm geschehen ist. Und... auf eure Frage“ Zerra ließ ihren Blick einen Augenblick nach gedankenvoll schweifen. Die Perlen in ihrem Haar klirrten leise, als sie erneut ihre schwarzen Haare zurück warf. „Es gibt... Verbündete in der Stadt. Ein Mann“, begann Zerra und beschrieb dem Soldaten bis aufs kleinste, wie er aussah.
„An seinen Namen kann ich mich jedoch nicht mehr ganz erinnern... er fängt an mit.. L... Lya... Lyo... Lyon... tut mir Leid. Er, die Frau bei ihm und... deren... große Freunde, könnten vielleicht helfen“, sagte sie leise.

Leise klirrten die Ketten und ließen Zerras Hände frei. Der Soldat warf ihr einen verschwörerischen Blick zu, dann ließ er den Schlüssel fallen und deckte mit dem Fuß Stroh darüber.
"Gut, ich werde schauen, was ich tun kann..."
Der Soldat deutete auf das Tablett und legte Messer und Gabel - beide jedoch abgestumpft - zurecht.
"Ihr solltet essen!", sagte er laut.
"Wo finde ich ihn und was sind 'große Freunde'? Ihr habt das so komisch gesagt."

"Ich weiß nicht, wo ihr ihn findet könnt. Irgendwo hier in der Stadt werden sie sich herum treiben" Zerra zog gierig den Teller mit dem Kartoffelsalat näher und nahm einen ersten Bissen. Essen.
Herrlich. "Aufgrund seiner.. großen Freunde, sind sie zu auffällig, als dass sie sich... jetzt noch frei auf den Straßen bewegen könnten. Sie werden kleinere Gassen und Straßen nehmen... vielleicht auch auf den Abend und die schützende Dunkelheit warten.
Bitte erschreckt nicht, aber mit großen Freunden... meine ich Urgals. Sie... sind gut", erklärte sich knapp und nahm bereits ihren dritten Bissen. "Vielleicht sind sie auf die Suche nach Reon gegangen. Bei ihm war ich, als man mich Gefangen nahm"

"Gut. Ich verspreche Euch, ich werde sie finden, genauso wie ihr meinen Cousin für mich findet.", raunte er ihr zu und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Esst schneller, Gefangene, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit für Gesindel und Versager wie Euch!", fauchte er sie anschließend laut an.

"Sagt bloß, ihr habt noch andere Pflichten? Sicherlich poliert ihr die Stiefel des Grafen und seid sein ganz eigener Speichellecker", raunte Zerra ungehalten zurück, beeilt sich jedoch tatsächlich mit dem Essen, damit er kein Ärger bekam und es zu auffällig wurde. Als sie Schüssel schließlich leer war, schob sie diese den Soldaten zu und lächelte, während sie stumm ihre Dankbarkeit ihm gegenüber erneut aussprach.

Unsanft nahm der Soldat ihr die Schüssel weg und auch das Besteck, woraufhin er ihr wieder die Hände hinter dem Rücken fesselte. Der Schlüssel blieb jedoch immernoch unter Stroh verdeckt auf dem Boden liegen.
"Entschuldigt.", raunte er ihr zu, als er ihr nahe war, weil er die Ketten wieder festzurrte.

"Eine angenehme Nacht, damit ihr morgen für das Spektakel ausgeschlafen seid, Verräterin.", mit diesen Worten verschwand der Soldat und verriegelte die Zellentür hinter sich.

Zerra schaute dem Soldaten nach, bis die Türe wieder zu fiel und abgeschlossen wurde. Dann entrann ein erneuter Seufzer ihrer Kehle und sie schaute zur Decke hin. Und nun... warten... und hoffen. Das Essen fühlte sich gut in ihrem Magen an und sie war wirklich froh, endlich wieder etwas gegessen zu haben.
Mit ihren Füßen zog sie das Stroh und den sich darunter befindenen Schlüssel näher zu sich heran, so dass sie diesen anschließend in ihre Hände nehmen konnte.

Auf Zerras Bewegungen wurden einige Kerkerwachen aufmerksam.
"Was tut ihr da?", rief einer ungeduldig und der Bluthund knurrte gefährlich.

"Was ich da mache?" Zerra zog die Beine ein weiteres Stück an ihren Körper und verzog grimmig das Gesicht, während sie hinter ihrem Rücken den Schlüssel in einer Seitentasche verstaute.
"Ich mach mich klein! Ich lasse mich nämlich herzlich ungern von Ratten anknabbern. Schließlich wartet Morgen auf mich ein viel schönerer Tod als das Mahl von Nagetieren zu werden"

Der Soldat grinste.
"Wenn alle Gefangenen so viel Humor hätten wir Ihr, wäre der Dienst hier um einiges unterhaltsamer."
Beruhigt wandte er sich wieder seinen Listen zu, die wohl irgendwas mit der Bestellung neuer Türschlösser zu tun hatten.

"Nicht wahr? Alle Gefangene müsste so sein, wie ich und draußen würde nur noch Krieg und Chaos herrschen", murrte Zerra, verdrehte die Augen und lehnte sich wieder gegen die Wand.
"Wenn alle Gefangenen, wie ich wäre... dann würde irgendwas in diesem Land verdammt falsch laufen" Seufzend lehnte Zerra ihren Kopf zur Seite und schloss ihre Augen. All zu lange würde es nicht mehr dauern, dann würde der neue Tag heran brechen.

Das war zu viel. Doch anstatt auf der Stelle auszuflippen und ein Gezeter zu beginnen, was in diesem Kerker ohnehin sinnlos war, lachte Zerra. König Vladimir? Den Treulosen Disziplin einbläuen? Das klang alles nach einem sehr schlechten Scherz. Umso schrecklicher, dass dieser Scherz momentan das beängstigende Potential hatte, Wahrheit und Wirklichkeit zu werden.
Zerra atmete langsam aus, als sie ihr Lachen verklungen war und starrte auf den Boden.

Die Wachen wandten sich auch wieder ihrem gewohnten Trott zu. Alle paar Minuten ging einer der beiden die Reihe der Zellen entlang und vergewisserte sich, dass niemand der Gefangenen etwas Verdächtiges tat.
Bei Zerras Zelle blieb er lange stehen und betrachtete die Frau, wie sie am Boden kauerte.

"Was ist? Habt ihr nichts besseres zu tun?", murmelte Zerra, dir ihre schwarze Strähne nach oben pustete und kurz auf schaute. Als sie sich vorhin ein ganzes Stück weit nach vorne gelehnt hatte, hatte etwas an ihrer Seite gezwickt. Zunächst wusste sie nicht, was genau das sein könnte - bis ihr die Karte einfiel.
Jene Karte, die sie aus dem Kuvert gezogen hatte. Der Triumphwagen.
Nachdenklich senkte Zerra ihren Blick wieder und lauschte dem leisen Rascheln einer Ratte.

Der Soldat, ein Mann, der vielleicht Mitte dreißig war, betrachtete Zerra immer noch, ohne von ihrem Kommentar Notiz zu nehmen.
Aus irgendeinem Grund rieb er sich die Hände, auf denen der Schweiß glänzte.
"Eigentlich schade, dass so ein hübsches Ding wie Ihr hingerichtet wird..."