Kerker von Ceunon

Die Kerker von Ceunon ist in den Kellern der Burg untergebracht. Nur wenig Licht dringt durch die Schächte, die viel zu klein sind, als dass ein Mensch hindurchpassen würde, hinein, sodass die Luft abgestanden und miefig ist.
Mit einzelnen Gitterstäben sind die Zellen von einem Gang abgetrennt, an deren Ende ein Tisch steht, der mit zwei grimmigen Soldaten und einem Bluthund besetz ist.

Der Boden ist mit altem Stroh ausgelegt.

Die Soldaten brachten Zerra unsanft in eine Zelle, legten ihr einen Ring um den Hals und ketteten diesen an der Zellenwand aus hartem Felsenstein fest, sodass sie nicht fliehen konnte.
Außerdem ließen sie ihr die Hände hinter dem Rücken gefesselt.

Nur einer der Soldaten schien etwas Mitleid für die junge Frau in dieser misslichen Lage zu empfinden.
"Es ist ja nicht für lange in diesem schrecklichen Loch hier. Wahrscheinlich werdet ihr schon morgen hingerichtet, meinte mein Hauptmann."

"Wie tröstlich...", murrte Zerra sarkastisch und fasste den Mann dann etwas genauer ins Auge. Sie hatte ihn schon einmal gesehen. Öfters. Das war auf der Burg unausweichlich, wenn man hier lebte und arbeitete. "Soldat... schenkt ihr den Worten des Grafen wirklich so viel Glauben? Ihr wisst, ich war der Königin gegenüber immer loyal und bin es jetzt noch"

Der Mann kratzte sich am Kopf.
"Naja, eigentlich wart Ihr immer mit der Königin zusammen und jetzt seid Ihr es nicht mehr. Außerdem sollen Leute gesehen haben, wie Ihr an Ihrer Ermordung mitgewirkt habt. Außerdem haben viele Euch mit Urgals gewesen und der Offizier sagt auch, wahrscheinlich wart Ihr eifersüchtig auf Runas Ruhm. Es ist schwer, das nicht zu glauben."

"Und denkt ihr auch vielleicht mal selbstständig?", fuhr Zerra ihn an und schüttelte schnaufen den Kopf. Sie konnte das nicht glauben! Was haben die Soldaten nur für eine Ausbildung genossen!? "Lasst euch doch nicht von den Worten des Grafen trügen! Nichts haben sie gesehen! Nichts! Denn ich war es nicht. Ich könnte der Königin nie ein Haar krümmen"
Und könnte es nach wie vor nicht. Runas Ermordung... Dazu wird es hoffentlich nie kommen... Runa...
Zerra seufzte, wandte ihren eisernen Blick von dem Soldaten ab und ließ ihren Kopf sinken, so weit dies mit dem Ring um ihren Hals ging.

"Hmm, jaaa, da habt Ihr schon Recht...", murmelte der Soldat und kratzte sich wieder am Kopf.
"Aber Graf Vladimir war auch immer ein guter Heermeister und hat sich gut um uns Soldaten gekümmert. Warum sollte er uns denn belügen?"

"Warum? Fragt ihr das wirklich?" Leise klirrten die Ketten an Zerras Händen, als sie ihre Arme in eine etwas angenehmere Position brachte. "Denkt doch einmal nach! Der Graf ist der erste, der direkt nach Runa das Privileg auf den Thron Palancars hat. Wieso sollte er wohl Runa aus dem Weg schaffen? Ich denke, den Recht könnte sich sogar ein Kind denken... er will den Thron für sich..."

"Ihr sagt das besser nicht so laut, ansonsten lässt man Euch nachher noch wegen Majestätsbeleidigung foltern....", raunte der Mann ihr zu und sah sich verschwörerisch um.
"Vielleicht habt Ihr ja Recht und Graf Vladimir ist wirklich ein Usurpator, ich habe auch erlebt, mein Cousin ist auch nicht mehr aufgetaucht, nachdem er irgendwelche Tätigkeiten des Grafen aufgedeckt hat.
Aber ich sollte das nicht sagen, da draußen denkt eine ganze Garnision etwas anderes."

"Und aus diesem Grund lasst ihr euch einschüchtern, Soldat?", fragte Zerra mit einem schmalen Lächeln, während ihre blauen Augen neckisch aufblitzen. "Hört mir zu", sagte sie mit leiser, doch eindringlicher Stimme. "Ich bin davon überzeugt, dass euer Cousin dorthin gebracht wurde... wohin man auch die Königin brachte... Wenn ihr eure Königin schätzt und liebt mit ganzem Herzen, dann appeliere ich an eurem reinen Herzen und an dem Eid, den man euch abnahm, als ihr Soldat der Königsfamilie wurdet.
Lasst euch nicht von den Worten des Grafen blenden... und macht euch von allem eine eigene Meinung. Auch Hauptmänner und Offiziere lassen sich täuschen. Wir sind schließlich... alle nur Menschen..."

"Wenn man meinen Cousin dahinbrachte, wo man auch die Königin brachte, dann sieht es schlecht aus. Ich habe einen Magier gefragt und der hat gesagt, mein Cousin ist tot.", murmelte der Soldat nachdenklich.
"Aber vielleicht habt ihr Recht. Trotzdem macht zumindest mir die Garnision da oben Angst und ich werde nichts machen, weil ich am Leben bleiben will und nicht so enden will wie Ihr.
Das versteht Ihr doch sicherlich, oder?
Aber wenn es etwas gibt, was ich für Euch tun kann, ein letzter Wille oder eine Nachricht an irgendjemanden... dann sagt es mir und ich schaue, was ich tun kann."
Die Stimme des Soldaten war fast nur noch ein Flüstern.

"Vielen Dank. Dies Angebot bedeutet mir wirklich viel. Ich hoffe für euch, dass euch ein anderes Schicksal zu Teil wird" Zerra nickte ihm zu und erneut klirrten ihre Ketten.
"Vielleicht könntet... ihr auf mein Schwert Acht geben. Ihr habt es sicherlich mal gesehen... mein Schwert Yawe. Ein eisblauer Edelstein ist im Knauf eingelassen...", sagte sie, wobei man ihr ansah, dass der Verlust ihres Schwertes sie schmerzte. Sie hatte es nicht ohne Grund >Yawe< genannt. Der Name war mit einer langen Geschichte und einer alten Freundschaft verknüpft. Ihre Freundschaft zu einem kleinen, blondem Mädchen, dass schließlich Königin wurde.
Sie und ihr Schwert zu verlieren war fast mehr, als sie ertragen konnte. Doch ihr eiserner Wille und die Hoffnung gaben ihr Kraft. Zerra sah noch lange nicht schwarz...

"Es wird in der Waffenkammer aufbewahrt, wie alle Waffen von Verbrechern. Ich habe heute Abend dort Wachdienst, es sollte ein einfaches sein, die Waffe zu beschaffen. Kann ich sonst noch etwas für euch tun, letzte Worte an die Familie, oder Freunde?", schlug der Mann vor, der sich beeilen musste.

Sein Vorgesetzter an der anderen Seite des Ganges hatte schon forschend den Kopf gehoben.

"Mein Vater... nein", meinte Zerra leise, die an ihren Vater in Gil'ead dachte. Es würde sein Herz brechen, wenn er davon erfahren würde. Umso später, umso besser. Und Freunde hatte sie keine. Sie ließ kaum wen an sich heran. Pflichtbewusst wie sie war, hatte sie auch keine Zeit dafür. Ihr Leben hatte sie bisher ganz dem Leben und der Sicherheit ihrer Königin gewidmet und geopfert.
"Könntet ihr später noch einmal vorbeischauen? Es sei denn mir wird mein letztes Mal verweigert, das ihr mir theoretisch bringen könnten", sagte sie leise, während ihre Finger über die Ketten strichen, zumindest über den Teil, den sie zu Fassen bekamen.

"Ein letzes Mahl wird Euch niemand verweigern!", sagte der Soldat laut, sodass es auch sein Offizier hören konnte und warf Zerra einen entschuldigenden Blick zu.
"Ich persönlich werde mich darum kümmern, dass ihr Kartoffelsalat erhaltet. Ihr sollt ja auch bei Kräften sein, damit Eure Hinrichtung eine angemessene Unterhaltung für das Volk ist."
Er sprach sehr laut, sodass ihn der Offizier hörte und befriedigt wieder den Kopf senkte.

"Wir sehen uns heute abend.", raunte der Mann Zerra danach noch zu, entfernte sich schnell aus ihrer Zelle, schloss hinter sich ab und verschwand aus ihrem Blickfeld in den Eingeweiden der Burg.

Seufzend senkte Zerra kurz den Kopf, ehe sie rasch wieder aufschaute. Ihre Augen fuhren hellwach durch den Kerker, der nur sehr spärlich beleuchtet war. Die einzige Lichtquelle, die sie hier hatte, war ein kleines Fenster, vergittert, weit oben an der Decke, durch das wenige Sonnenstrahlen kamen.
Für sie unerreichbar. Es sei denn, sie würde ganz plötzlich weitere zwei Meter wachsen. Im Stillen bestimmte sie derweil genau das Material, aus dem man die Ketten gemacht worden war und versuchte heraus zu finden ob sich in dieser irgendwelche Risse fanden. Egal wie klein. Zerre bewegte leicht ihren Kopf hin und her und musste mit Unmut feststellen, dass der Ring um ihren Hals relativ fest und eng saß.

Egal wie Zerra auch daran zog und zerrte - ihre gefesselten Hände kamen um keinen Millimeter frei.
Wenn man allerdings genau hinschaute, konnte man sehen, dass die Verankerung der Kette, mit welcher der Halsring an der Wand befestigt war, rostig war.


Zerra hörte ein Piepen.
Eine Ratte lief durch das müffelige Stroh.

Innehaltend musterte Zerra das Nagetier, während sie ihre Augen leicht zusammen kniff. Schön. Ihre Zelle musste sie nun scheinbar auch noch mit jemanden teilen. Doch wenn man dies anders betrachtete... Sie pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht und folgte mit ihren Augen jeder Bewegung der Ratte. Woher sie wohl gekommen war? Nachdem die Ratte in einem dichteren Haufen Stroh verschwunden war, fiel ihr Blick auf ihre Beinfesseln. Ob sie es mit Magie versuchen sollte? Aber selbst wenn dies klappen sollte... draußen warteten Wachen, Patrouillen und Soldaten. Nicht gleichgesinnte Soldaten. Und sie war bis auf das bisschen, dass sie an Alter Sprache konnte, unbewaffnet. Sie hätte wohl kaum in eine noch miserablere Lage landen können.

Ab und an sah Zerra die Wachen der Burg entlangmarschieren und etwas seltener die großen Muskelprotze, welche dem Grafen - seiner jetztigen Majestät - unterstellt waren.

Immer wieder zerrte und zog Zerra an ihren Ketten, wenn die Wachen weit genug von ihrer Kerkerzelle entfernt waren, so dass sie das Geräusch nicht horen würden. Leider war ihre Zeit somit immer nur sehr knapp begrenzt, doch so hatte sie auch die Zeit sich zwischendurch zu sammeln. Zerra warf ein paar schwarze Strähnen nach hinten und ließ ihren Blick erneut an den Kerkerwänden entlang wandern. Es gab einen Ausweg. Den gab es immer. Man musste ihn nur finden.

Von hinten hörte Zerra gedämpfte Stimmen, ehe zwei der großen Bulligen Wächter des Grafen vor der Gefängnistür von Zerra positionierten. Sie wandten ihr den rücken zu und behielten den Gang im Auge

Sicher. So musste es ja kommen. Am liebsten hätte Zerra ihren Kopf gegen die Eisentüre gehauen, doch das war ja leider aufgrund der Ketten nicht möglich. Sehr schade. Zerra unterdrückte es wütend auf zu schnauben.

"Sag mal," meinte der linke.
"Was glaubst du, wie das Urteil ausfält? Tod durch den Strang, das Schafott oder wird sie eher gevierteilt?" er lachte dreckig.
Der rechte stimmte in das Lachen ein.
"Vielleicht wird sie auch zu Tode gefoltert!"

"Oder verbrannt oder ertunken. Ach nein, viel zu unspektakulär", mischte sich Zerra gereizt ins das Gespräch ein und bewegte ihre Beine wein wenig, wodurch ihre Fußfesseln über den Boden kratzten.
"Falls ihr mich doch ertränken wollt, dann bitte in einem großen Fass mit Alkohol, dann habe ich wenigstens davon...", fügte sie sarkastisch hinzu und hatte Mühe weiter an sich zu halten.
Sollte das ganze hier ein gutes Ende nehmen, würden wohl viele Soldaten einen unangenehmen Besuch von ihr bekommen...

"Oho, da scheint jemand extra Behandlung zu wünschen!" meinte einer der Soldaten und täschelte eine Peitsche an seiner Hüfte.
"Also halte dein verfaulenden Mund, Königsmörderin, Dirne!"

"Dirne? Ich kann mich nicht daran erinnern, schon in deinem Bett gelandet zu sein. Außerdem kann ich es bis hierher riechen, dass es dein Mund ist, der hier am verfaulen ist, Wachmann, Geblendeter", gab Zerra zurück und legte ihren Kopf in den Nacken, sodass sie gegen die Wand gelehnt, da saß.
"Tut mir einen Gefallen, haltet euren Mund, so muss ich nicht dieses grässlichen Gestank weiterhin ertragen"