See Woadark

Vrael schnappte nach Luft als sie an die Wasseroberfläche kamen, er hustete und prustete, erbrach einiges an Wasser und war dankbar als Coreen ihn an Land zog.
Er konnte nicht wirklich gehen, zitterte auf allen vieren und erbrach noch mehr Wasser.
All seine Glieder schmerzten und er hatte sich den Arm verstaucht. Einige Prellungen waren auch nicht aus geblieben.
"Ver...dammt war das knapp..."

"Vrael liegt hustend neben mir, Anwar", antwortete Coreen auf die Frage des großen Drachen hin und setzte sich auf. Die junge Frau seufzte und hob langsam ihre Hände, begann damit ihre Haare auszudrehen, die ihr nun nur noch triefend an den kalten Wangen klebten.
"Warum wir das getan haben? Anurin ist ein verblendeter Narr, der von einer Frau betrogen wurde, die sich nur für ihre Prophezeihungen interessiert. Er musste von dieser Beeinflussung aufwachen, Anwar - wir haben nichts von alledem in böser Absicht getan", versuchte sie dem Drachen zu erklären und strich sich über den nassen Stoff.

Es ändert nichts an der Situation! Vrael hat die Reiter verraten! Und dafür muss er bezahlen. Ich will euch nicht weiter tun deswegen biete ich euch an mir freiwillig zu folgen, nicht sofort aber bald. Ihr müsst verstehen das Vraels Taten keine Kleinigkeiten sind.
Bedrohlich sah der Drache sie kleine Gruppe an.

"Hör mir doch zu! Anurin wollte meinen Geist auslöschen um Informationen vor Kharas zurückzuhalten. Hätte er das bemerkt, hätte er alle Reiter ausgelöscht!", fuhr Coreen auf und schüttelte den Kopf, wobei die nassen Strähnen wirr hin- und her flogen. Sie konnte nicht begreifen, weshalb Anwar sich so sehr darauf verließ, dass sie es waren, die einen Fehler gemacht hatten.
Gut, Vrael hätte Anurin vielleicht nicht gleich einen Kerzenständer über den Schädel ziehen müssen aber es war in dieser Situation das Einzige gewesen, das Wirkung gezeigt hatte.
"Ich lasse weder Vrael, noch Glaedwan mit dir gehen, Anwar. Entweder du tötest uns und riskierst einen Krieg zwischen Kharas und Anurin oder aber du lässt uns gehen und wir lassen Gras über die ganze Sache wachsen."

"Ich werde... mit... euch gehen und für all meine Taten büßen - auch meinen Tod akzeptieren sollte dies die Strafe sein...." er hustete erneut.
"Allerdings erst.... wenn dieses Scheusal von Foltermeister tot vor meinen Füßen liegt.." er hustete erneut.
"Und diese Welt gerettet ist..."

Coreen? Was wollt ihr damit sagen? Warum hätte Anurin die Reiter auslöschen sollen? Und sprecht die Wahrheit! Es ist schon so Schwierig genug den Überblick zu behalten.
Der Drache sah unsicher zu Coreen. Wusste nicht was er glauben sollte.

"Anurin wird die Reiter nicht auslöschen aber Kharas wird es tun solltet Ihr mir irgendetwas antun und ich werde bei allem vor Vrael stehen, seid Euch dessen bewusst", konterte sie und wandte sich zu dem jüngeren Reiter an ihrer Seite um. Sie strafte den Jungen mit einem scharfen Blick ihrerseits und hielt ihm kurzerhand den Mund zu, ein eindringliches Kopfschütteln von sich gebend.

Nun... auch wenn das stimmt, so muss ich euch doch auf Befehl von Anurin aufhalten. Ich will euch nichts tun, aber kann nicht dem Befehl von Anruin missachten. Es muss nicht im Kampf enden Coreen....
Anwar war hin und her gerissen. Cala würde ihm so oder so den Kopf abreisen, doch bei welcher Entscheidung würde sie ihm auch noch die Stiefel zwischen die Beine rammen?

"Du hast uns bereits aufgehalten, falls ich dich darauf hinweisen darf. Wir sitzen auf dem Boden und können nicht weg, weil Vrael nicht gerade auf der Höhe ist geschweige denn, dass du in der Lage bist uns noch einmal nachzusetzen", gab Coreen schroff zur Antwort und fixierte die hellen Augen des alten Drachens, der ihr gegenüber stand. Sie würde Vrael nicht einfach einem Drachen überlassen, der nur blind nach den Regeln handelte, welche man ihm eingetrichtert hatte.
"Das war es doch, was Anurin von dir wollte, nicht wahr?"

Vrael kaute sich auf der Unterlippe herum.
"Lady Coreen..." meinte er auf einmal leise und wandte sich zu dem Mädchen um.
"Ihr seid doch eine Bedienstete Runas, und Lord Kharas Schülerin nicht wahr?" schlug er plötzlich wieder den formellen Ton an.
"Und wir sind im Reich Palancars nicht wahr?" er hob die Brauen und nahm einen kleine Dolch, ritzte damit Coreen leicht in den Arm, ehe sie reagieren konnte.
"Ich habe euch angegriffen Lady Coreen - es sieht so aus, als müsstet ihr mich verhafte und dem Truchsess übergeben damit er über alles weitere bestimmen kann!"

Erschrocken hatte Coreen ihren Arm zurückgezogen und entgeistert auf die dünne Schnittwunde an ihrem Arm gestarrt, die Vrael ihr zugefügt hatte. Nach und nach erst sickerte sein Plan zu ihr hindurch und sie blinzelte bevor sie begann zu lachen, herausfordernd in Anwars Richtung sehend.
"Wie es aussieht müssen wir nun doch nach Gil'ead", sagte sie und erhob sich langsam, trat zu dem großen Drachen hinüber und heilte dessen Wunde bevor sie sich zu Glaedwan zurückdrehte.
"Brechen wir auf."
Sie vermied es noch irgendetwas zu Vrael zu sagen, überkam sie doch langsam die Befürchtung Anurin und Kharas würden sie zusammenfalten, wenn sie dort auftauchten.

tbc: Gil'ead - Herrenhaus der Hunkills

„Du wirst es nicht bereuen“ Lyra stieg von dem grünen Drachen ab und landete mit ihren Schuhe im saftigen Gras. Eine kühle Brise wehte ihnen beiden entgegen und ließ die Oberfläche des Sees vor ihnen kräuseln. Die junge Frau atmete lächelnd tief ein, strich sich dann das weiße Haar zurück und warf Caleb etwas zu. „Zwei Amulette... zwei von denen, die wir gestern bearbeitet haben. Pass gut darauf auf... Du solltest nur eines davon nötig haben. Aber pass auf, dass niemand Aeon zu nahe kommt, diesbezüglich“, raunte sie mit ernster Stimme und sah dabei fast schon furchteinflößend aus.
Tatsächlich sah sie in dem dämmrigen Licht fast wie ein Geist aus, so blass wie ihre Haut und ihre Haare waren.
Auf dem Weg hierher hatte sie Kontakt zu Caladhiel aufgesucht, ihr von dem Ort erzählt und dass Caleb bei ihr war. Wenngleich es einiges an Überredenskunst gebraucht hatte, um ihn hierher zu bewegen.
„Warte hier, ich... schau mich hier in der Nähe um und sag Bescheid, falls etwas sein sollte“, fügte sie hinzu und verschwand kurz darauf im dichten Unterholz.

Lyras Stimme war nur leise an ihre Gedanken heran gelangt und ohne etwas von der Überraschung, so bald von der jungen Frau zu hören, deutlich zu machen, hatte Caladhiel zu der einzigen Ausrede gegriffen, die ihr mit Sicherheit niemand übel nahm - dass sie mit Anwar in den nahe gelegenen Buckel flog, damit der große Drache dort jagen und sie für sich allein sein konnte.
Dass dies nicht ganz den Tatsachen entsprach, nun ... das musste niemand wissen. Wenngleich auch ihr Drache nicht allzu begeistert davon gewesen war als Ausrede herhalten zu müssen, schien es ihn doch der Gedanke an frisches Fleisch milder zu stimmen, so dass er letztendlich seine Zustimmung zu ihrem Plan gegeben hatte.
Ganz so, wie sie es Lyra versprochen hatte, waren Anwar und sie in einiger Entfernung zum See gelandet, weit genug entfernt um nicht sofort auf sich aufmerksam zu machen und die Elfe hatte die kurze Strecke bis zu dem Treffpunkt zu Fuß zurückgelegt. Langsam und vorsichtig bewegte sie sich durch das Gebüsch, verursachte dabei nur wenige Laute, die von einigen trockenen Ästen rührten, die auf dem Boden lagen während ihre Gedanken sich seit dem Abflug aus Dras-Leona darum drehten, was sie Caleb nun sagen sollte.

„Pff...“ Caleb verdrehte die Augen und sprang vom Sattel hinunter. Und wie sie sich vermutlich in der Nähe umschauen würde. Sicherlich graste sie alles in einer Entfernung von gut 100 Schritt ab um ihre komischen Kräuter zu finden. Die Amulette waren da nur ein milder Trost, wenngleich er sicher war, dass es besser war, solch eines zu besitzen. Seufzend ließ er sich am See nieder, reiste aus Gewohnheit mindestens drei Bündel Unkraut aus Langeweile aus und ließ sich dann rücklings ins Gras fallen.
Ich gehe jagen...
„Wie, du gehst jagen!? Du lässt mich hier allein?“, polterte Caleb los, drehte sich mit einem Mal herum und kniete in dem weichen Boden. „Du kannst mich doch nicht alleine lassen! Was ist wenn ich von gefährlichen Stechmücken attackiert werde?“
Mach ein Feuer? Als ob Stiche das schlimmste wären. Ich erinnere dich da an-
„Stopp, reicht mir schon“, brummte Caleb, der sich Nase rümpfend wieder umdrehte.
Hätte Aeon grinsen können, dann hätte er dies genau in diesem Augenblick getan. Nahezu lautlos breitete er die ledrigen Flügel wieder aus und begab sich in die Lüfte.
„Und wieder alleine“, murrte der junge Reiter, sah seinem Partner kurz nach und starrte dann über den See.

Das dumpfe Geräusch von Flügeln erklang und wies der Elfe auf den letzten Metern endgültig den Weg zum See, wenngleich die Stimme des jungen Reiters sie auch schon viel früher geleitet hatte. Vorsichtig schob sie ein paar Büsche zur Seite und trat auf die Lichtung, bereits nach ein paar Schritten wieder stehen bleibend und ihren Blick über Caleb wandern lassend.
Sie hatte gehofft noch einmal eine Möglichkeit zu finden, in Ruhe mit dem Jüngeren sprechen zu können, ohne lästige Zuhörer, die jedes Wort, das fiel auf die sprichwörtliche Goldwaage legten. Sie wussten beide, was man mit Feinden machte oder wie man Schlachten schlug, doch was man mit einem zerrütteten Vertrauen tat, schien sich ihnen beiden zu entziehen.
"Nicht ganz allein", erhob sie mit einem bitteren Lächeln auf den Zügen leise die Stimme und wagte es einen Schritt nach vorn auf den anderen zu zu machen.

Oh. Mann. Caleb hob unmerklich seinen Blick, ließ ihn über den See schweifen, wohl wissend, dass der Besitzer dieser Stimme hinter ihm war. Er wusste sofort, um wen es sich dabei handelte und hatte vermutlich auch deswegen so eine Probleme, sich einfach herum zu drehen.
„Nicht gänzlich... aber nahezu“, raunte er, ließ die Finger nach hinten über das kühle Gras schweifen und drehte seinen Kopf dann ein wenig seitlich.
„Welch ein Zufall...“, sagte er und man hörte den Sarkasmus förmlich heraus tropfen.
„Habt ihr das auch abgesprochen? Vermutlich braucht Lyra überhaupt keine Kräuter und Aeon hat kein Hunger – gibt es überhaupt noch jemand, der mir nicht ins Gesicht lügen kann?“
Der junge Reiter drehte sich noch etwas weiter, um ihr in die Augen schauen zu können.
„Wieso bist du hier?“

"Wegen dir", kam die leise Antwort bereits im nächsten Moment von Seiten der Elfe her, die es noch immer nicht wagte einen Schritt nach vorn zu machen.
Sie verstand den Ärger des Jüngeren durchaus, musste er sich doch vorkommen, wie eine Schachfigur mit der jemand anders spielte, ohne dass man ihn selbst nach seiner Meinung fragte - nicht zuletzt aus eben diesem Grund hatte sie die Alte Sprache für dieses Gespräch gewählt, hoffte ihn damit von der Wahrheit hinter den Worten überzeugen zu können.
"Weißt du ...", begann sie dann leise während ihr Blick auf dem ruhigen Wasser des See lag, der sich nur wenige Meter vor ihnen ersteckte.
"... einst sagte eine Elfe zu einem verzweifelten Jungen, es gäbe Menschen für die man alles aufgebe, wenn man nur mit ihnen zusammen sein kann und dass man auf jene Menschen wie einen Schatz achten soll.
Sie hoffte, dass er nicht den gleichen Fehler machen würde, wie sie und dadurch alles verlieren würde, was ihm wichtig war."

„Ah... ha“, machte Caleb nachdenklich, dem man nur allzu deutlich ansah, dass er die Geschichte nicht wirklich verstand, was sie dadurch zeigte, dass er aussah, als hätte er Zahnschmerzen. Blinzelnd sah er die Elfe verwirrt an, vergaß darüber fast, wie sauer er eigentlich noch auf sie war und atmete tief ein. Leise raschelten die Blätter an den Bäumen, als erneut eine Brise über den See hinweg fuhr und den Umhang des jungen Reiter leicht aufbauschen ließ.
In diesem Augenblick viel ihm wieder ein, dass er ja allen Grund zum Schmollen hatte, verschränkte seine Arme vor der Brust und drehte sich mit einem Ruck wieder herum.
„Bist du hierher gekommen, um mir Geschichten zu erzählen? Glaub mir, ich kann auch lesen und hätte mir irgendein Buch suchen können, wenn mir danach gewesen war“, brummte er, etwas finsterer als beabsichtigt. Er ärgerte sich im Stillen darüber, wie schnell sein Herz wieder schlug, nur weil sie in seiner Nähe war. Lyra würde er nachher noch den Kopf abreißen, dafür, dass sie ihn so gelinkt hatte.

Schweigend lächelte Caladhiel in sich hinein, machte sich jedoch nicht die Mühe ihm den tieferen Sinn ihrer zuvor gewählten Worte näher zu erläutern - es war vielleicht besser so, wenn er es nicht verstand. Es würde sie vor unangenehmen Fragen seinerseits schützen.
"Nein, ich bin nicht hierher gekommen um dir Geschichten zu erzählen", antwortete sie ihm mit einem schlichten Kopfschütteln während sie auf ihn zutrat und sich neben ihm ins Gras sinken ließ.
"Du bist wütend und du hast allen Grund dazu, Caleb. Schrei mich an, wenn dir danach ist - ich werde nicht gehen und niemand ist hier, der dich auch nur für ein einziges Wort zur Rechenschaft ziehen kann. Niemand wird hierher kommen."
Sie ließ ein leises Seufzen verlauten und wandte den Blick zu ihm hinüber, sein finsteres Gesicht eine ganze Weile lang musternd. Bislang hatte sie stets ein Zeichen von Hoffnung und Freude in seinem Gesicht gesehen, so dass der Schmerz darüber, dass sie der Grund war, weshalb dieser Ausdruck verschwunden war, noch mehr schmerzte.
"Ich bin hier um mit dir zu sprechen."

„So wie du es gerade tust?“, pampte Caleb sie an, wobei er selbst nicht so recht wusste, warum er das tat. Sicher, er war echt sauer auf sie, doch deswegen fuhr er eigentlich niemanden auf einmal so an. „Du sprichst mit mir, als wäre ich ein Kind. Das mag ich für eine Elfe vielleicht auch sein, aber für einen Menschen ganz bestimmt nicht! Ich... ich wüsste nicht, weswegen wir noch miteinander sprechen sollten“, sagte er, biss sich auf die Zähne und verschränkte seine Arme vor der Brust. Gut. Seine Worte waren schärfer gewesen, als die Schneide seines Schwertes – und das hatte vermutlich die beste Schmiedin dieses Jahrhunderts gemacht.
Seufzend stieß er die Luft aus, fasste mit seiner Hand nach einem Stein und warf diesen so, dass er ein paar Mal über die Wasseroberfläche sprang. Das war ihr gegenüber nicht gerecht...
„Das macht doch keinen Sinn. Und das wissen wir beide“, fügte er leise hinzu, seine Wut hatte sich in Frust und Traurigkeit verwandelt, die fast noch schwerer im Magen lagen.
„Du willst nicht, dass ich Kopf und Kragen für dich riskiere. Aber ich könnte dir auch nicht versprechen, es sein zu lassen, weil ich dein Leben dem meinem immer vorziehen würde“
Caleb blinzelte müde, verzog die Mundwinkel und lächelte bitter.
„Und dann kommt ein daher gelaufener blonder Elf und behauptet wieder, ich würde gegen sämtliche Regeln verstoßen, dich entführen, was weiß ich... Ich könnte dir nicht einmal versprechen, dass ich auf die anderen Reiter achten würde, wenn du in Gefahr schweben würdest. Auch da... wärst du immer diejenige, für die ich mich zuerst entscheiden würden. Was interessieren mich die Reiter... glaube mir, sie haben in meinen Augen jeglichen Anreiz verloren“ Der junge Reiter warf ihr einen Seitenblick zu. „Und ich wüsste nicht einmal, ob ich für dich mich ihnen anschließen würde. Es ist... für diese kurze Zeit, vielleicht einfach zu viel passiert...“ Die Erinnerungen von ihrem Aufenthalt kam ihm in den Sinn, als er das Gleichgewicht verloren hatte und sie aufs Bett gefallen waren... Die Nähe, das Gefühl, das er dabei gehabt hatte...
„Sieh mich an... ich könnte dein Enkel sein, wärst du ein Mensch. Und selbst das würde mich nicht abschrecken. Seltsamer Weise... Und ich verstehe, wenn du... nur hier her gekommen wärst um dich dieses Mal richtig von mir zu verbaschieden. Ich bin nur ein Reiter von vielen, Caladhiel... den Verlust um meine Wenigkeit wirst du zu verschmerzen wissen. Es tut mir Leid, wenn ich dir... in Surda zu Nahe getreten bin“

Hatte sie zuvor noch so viele Hoffnungen in dieses Gespräch gesetzt, waren sie jetzt alle durch seine Worte jäh zerstört worden und lagen wie winzig kleine Scherben einer Glasscheibe zwischen ihnen, bereit ihnen tiefe Wunden zuzufügen, wenn nur einer von ihnen einen falschen Schritt machte.
Die Worte, die der junge Reiter gewählt hatte, schmerzten mehr als es je ein Schwert hätte tun können. Doch zwischen all dem Schmerz und der Ansammlung von wirren Emotionen, konnte sie so etwas wie Freude darüber empfinden, dass er den Versuch sich auszusprechen nicht abgeblockt hatte - zumindest nicht gänzlich.
"Du bist nicht nur irgendein Reiter, Caleb. Du bist nicht einer von vielen. Nicht für mich", erwiderte sie, sein bitteres Lächeln zurückgebend ehe sie den Blick zu dem See lenkte. Seinen Verlust verschmerzen können ...
Die Worte hallten noch immer in ihrem Kopf nach, beinahe so, als wollten sie ihr mitteilen, dass jetzt die Gelegenheit gekommen war, dass der Moment eingetreten war, da sie sich nicht mehr einfach aus dieser Sache herauswinden konnte. Der Moment, in dem es zu handeln und ehrlich zu sein galt, wenn sie ihn nicht endgültig verlieren wollte.
"Ebenso wenig, wie du in meinen Augen ein Kind bist ..."
Erneut war ein leises Seufzen von der Elfe zu vernehmen, die die Arme hinter sich ins Gras stützte und den Blick hinauf zum Horizont richtete, gegen die Sonne blinzelnd, die so unschuldig auf sie herab schien und sie wärmte.
"Ich bin nicht hier um mich zu verabschieden - das ist das Letzte, was ich will und ich weiß, dass deinen Verlust nicht einfach so verschmerzen könnte, wie du es glaubst, weil allein der Gedanke daran, dich zu verlieren mir unerträglich erscheint. Nach unserem Streit in Vroengard als du mit Aeon weggeflogen bist ..."
Sie brach ab und schüttelte den Kopf, nur um wenige Sekunden später noch einmal neu zu beginnen.
"Glaubst du wirklich, dass du mir egal bist? Wenn du wärst, wäre ich nicht hier, denn kein Protokoll der Welt verlangt, dass ich das tue. Ich bin hier, weil ich dich nicht gehen lassen will."

Caleb schloss seine Augen, löste sich mühselig von dem Anblick der Elfe und wandte seinen Kopf wieder dem See zu. Leise hörte er, wie das Wasser gegen das Ufer schwappte, gleichmäßig, friedlich. Seine Finger fuhren einmal mehr durch das Gras, das ihn an der Handinnenfläche kitzelte.
Der Wind rauschte durch die Bäume, durch die Sträucher, erfasste jeden noch so kleinen Zweig und er erfasste auch die Gedanken des jungen Reiters, die so durcheinander und zerstreut da lagen, als hätte in ihm eine Kampf gewütet. Er fühlte sich, als würde er selbst von oben auf sich hinab schauen, wie er da saß, angespannt, verletzt, wütend, das alles zu gleich. Mit seinen blauen Augen starrte er in das Wasser, nachdenklich, obwohl die Frau, die er liebt, neben ihm sitzt. Und er starrte das Wasser an ihrer statt an. Dieses Gespräch hatte falsch begonnen. Und ihr letztes Treffen hatte eindeutig falsch geendet. Aber was in der Vergangenheit lag, konnte man nicht ändern. Nur die Gegenwart und damit die Zukunft. Nur was genau sollte er sagen? Die Sprache war die Quelle der Missverständnisse, nicht anders konnte es sein, wenn er da an ihrer bisherigen Gespräche dachte. Meistens hatten sie allesamt kein sonderlich gutes Ende. Die Sonne spürte Caleb kaum auf seiner Haut, spürte ihre Wärme nicht, dafür spürte er jedoch die Nähe der Elfe, von der er so angestrengt versuchte sich los zu reißen und es doch nicht schaffte.
Geliebt zu werden konnte eine Strafe sein. Aber nicht wissen, ob man geliebt wird, war Folter.
Wenn er die Chance hätte, die Gelegenheit etwas zu ändern, was würde er da nicht alles anders machen...
Er würde seinen Vater verprügeln, bevor er es wagte, seiner Mutter weh zu tun. Er würde ihn davon jagen und seiner Mutter das Leben zurück geben, das sie verdient hatte. Er würde mit gutem Gefühl von Zuhause aufbrechen, wissend dass jemand auf ihn wartete und Aeon finden. Und dann... würde er zu den Reitern gehen, wesentlich früher und er würde Caladhiel kennen lernen... und er würde sie küssen, auch wenn sie ihn dafür auslachen würde. Er würde mit ihr Karten spielen, auch wenn sie ihn immer wieder besiegen würden.
Er würde ihr seine Liebe gestehen. Tausend Mal. Und hoffen.
Der junge Reiter blinzelte gegen die Sonne an und drehte seinen Kopf in ihre Richtung.
Ihr braunes Haar schimmerte und versuchte seine Finger, hindurch zu fahren, dem er nur zu willig nachgab. Behutsam strich er ihr ein paar Strähnen aus dem Gesicht und lächelte.
„Wen genau willst du nicht gehen lassen? Den Tollpatsch in mir, der, der kocht und sich gut zu benehmen weiß... oder jener, der für dich mehr empfindet, als er sollte?“

Dieses Mal machte die Elfe keinerlei Anstalten wieder Distanz zwischen sich und Caleb zu bringen, stattdessen gab sie sein Lächeln kaum sichtbar zurück und hob den Blick wieder, lenkte jenen zu seinem Gesicht und ließ ihn an den blaugrünen Augen des Jüngeren verharren, froh über die unerwartete Wendung des Gesprächs.
Wenngleich sich auch erneut der innere Zwiespalt in ihr auftat, der sie unsicher werden ließ. Ging sie auf all das ein würde es bedeuten, dass ihr und ihm Konsequenzen drohten, spätestens sobald Anurin wieder zurück war oder Oromis davon erfuhr, wobei sie den beiden Reitern dafür noch nicht einmal einen Vorwurf machen konnte - es waren die Regeln des Ordens und sie wollten sie nur schützen, wollten das bewahren, was ihnen allen wichtig war, doch wenn sie nichts tat und sich weiterhin stur an das hielt, was man ihr beigebracht hatte, würde es bedeuten Caleb zu verlieren und das wollte sie ebenso wenig.
"Beides gehört zu dir und beides möchte ich nicht missen."
Die Worte huschten über ihre Lippen, schneller als sie überhaupt darüber nachgedacht hatte und die Sekunden des Schweigens, die nun folgten, ließen Raum für einen einzigen klaren Gedanken.
Zum Teufel mit all den Dingen, an denen sie bislang festgehalten hatte und die ihr zuvor noch richtig erschienen waren. Es waren eben diese Verbote, die es erst hatten soweit kommen lassen und diese Verbote, die sie nun übergehen würde.

Das Sonnenlicht windete sich durch die Finger des jungen Reiters, der mit seiner Hand die Sonne abschirmte. Jene Hand, die zuvor noch durch das weiche Haar der Elfe gefahren war. Unglauben blitzte in seinen Augen auf und spiegelte sich in dem Gesicht, das nun fast noch verwirrter wirkte, als zuvor. Hatte er wirklich richtig gehört? Das klang so, als ob... Als würde sie... Leise rauschte sein Blut in den Ohren, eines der wenigen Geräusche, das er in diesem Moment noch wahrnahm – neben seinem rasenden Herzen. Es dauerte sichtlich eine Weile, bis sich Caleb darüber im Klaren war, was die Worte der Elfe wirklich bedeuteten, bis er sie verstand und er sicher war, dass sie sie ernst gemeint hatte. Ein fast schon erleichtertes Seufzend verließ seine Lippen, auf denen ein warmes Lächeln ruhte. Langsam nahm er seine Hand wieder hinunter, ließ die Sonne in seinen Augen widerspiegeln und lehnte sich leicht zu der Elfe hinüber.
„Tut mir Leid... dass ich mich so benommen habe... vorhin...“, wisperte er und strich mit seinen Fingerspitzen von ihren Wangen hinab zu ihrem Kinn, das er leicht anhob.
„Caladhiel“ Er nährte sich ihrem Gesicht, schaute ihr in die Augen, lauernd, als erwartete er, sie würde sich wehren, ihn nicht gewähren lassen – doch dann berührten seine Lippen die ihre und er küsste sie. Endlich... endlich.