See Woadark

Wie elektrisiert von der Berührung der fremden Lippen mit den ihren war die Elfe einen kurzen Moment zusammen gezuckt. Zwei Stimmen schrien in ihrem Kopf, eine danach sofort aufzuhören und sich zu besinnen, dass es ihr Schüler und gleichzeitig ein Mensch war. Die andere danach, eben jener Stimme keinen Glauben zu schenken und die war wesentlich lauter, ließ ihr keine Möglichkeit auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden den Kuss zu unterbrechen.
Jeglicher Widerstand schwand unter dem Pochen ihres heftig schlagenden Herzens, von dem sie das Gefühl hatte, dass selbst er es noch hören konnte während sie vorsichtig, beinahe unsicher nach ihm tastete und zu sich heranzog.
"Entschuldige dich nicht dafür, du hattest Recht mit dem, was du gesagt hast", wehrte sie seine Entschuldigung leise und mit einem kaum mehr sichtbaren Kopfschütteln ab, nachdem sich ihre Lippen wieder voneinander gelöst hatten und schlug die Augen nieder.

„Aber ich hätte es nicht auf diese Weise sagen müssen. Nicht in diesem Ton“ Entschuldigend lächelte Caleb sie an, lehnte sich langsam wieder zurück und fühlte sich seltsam benommen. Seine Hand hatte er langsam sinken lassen und wollte eigentlich die Hand der Elfe ergreifen, als ihm etwas einfiel.
Er fasste in seine Hosentaschen und zog die beiden Amulette daraus hervor, die Lyra ihm vorhin noch zu geworfen hatte. Eine von den Ketten hängte er Caladhiel um und die zweiten dann sich selbst.
„Lyra und ich haben sie zusammen mit einem Zauber belegt...“, erklärte er nachdenklich und fuhr sich fahrig durch das blonde Haar. „Sie ist ziemlich gut, was der Umgang mit Magie anbetrifft. Sie meinte, es würde einem vor bestimmte Zauber schützen. Der Zauber, den man in Dras-Leona über dich verhängen wollte wird dadurch verhindert“, fuhr er langsam fort und sog scharf die Luft ein.
So sehr in ihm eine Stimme dagegen strebte, diesen Moment zu zerstören, es gab etwas, was er ihr sagen musste. „Ich muss dir etwas sagen... Du weißt doch, dass wir die Kamine nutzen...“ Er zog eine verknitterte Pergamentrolle hervor, auf der Caladhiels Name stand.
„Eine Einladung... zu einem Treffen bei den Fa's in Ilirea...“

Vorüber war der flüchtige Moment des unbeschwerten Seins, wurde abgelöst von der harten Realität, die mit der Wucht eines Steines zielsicher Caladhiels Magen traf und die Elfe wie automatisiert nicken ließ während sie die Pergamentrolle entgegen nahm, die Caleb ihr reichte.
Mit geübten Bewegungen entrollte sie das Schreiben und begann die Zeilen zu lesen, die in filigraner Handschrift geschrieben waren. Nach und nach verfinsterten sich ihre Züge als ihr die Bedeutung hinter der Einladung bewusst wurde.
Natürlich, es war klar, dass eines Tages soweit kommen musste. Es hatte sie ohnehin gewundert, dass bereits so viel geschehen war bevor eine Versammlung einberufen worden war um das so desolate Reich der Menschen wieder neu zu strukturieren.
Sie nickte knapp und rollte das Pergament wieder zusammen bevor sie es in eine der Taschen steckte, die sie bei sich trug und den Blick zurück auf Caleb lenkte. "Ich werde dort sein", versprach sie leise, obgleich sie ahnte, dass sie dort erneut dem Feind begegnen und dieses Mal keine andere Wahl haben würde, als ihm freundlich ins Gesicht zu lächeln, obwohl sie ihm am liebsten ihr Schwert durchs Herz stoßen würde.
"Ich nehme an, die Gilde wird ebenfalls dort sein um Charon zu schützen?"

„Nun ja, du hast doch inzwischen eine gute Ahnung von uns. Wir lassen niemanden im Stich, der uns am Herzen liegt und ohne sie, gebe es unsere Gilde nicht“, antwortete Caleb und tat nun, wonach ihm zuvor schon gewesen war. Sacht ergriff sie ihre Hand und drückte sie sanft.
„Es werden jedoch nicht alle da sein. Lyra wird dort sein, sie ist... eine der besten von uns in Sachen Magie. Zwei weitere Mitglieder werden da sein, zwei Männer... der eine der typische Kämpfer, der andere ein Denker und als Kontrastprogramm... mich“ Er lachte, wenngleich das Thema alles andere als komisch war. Dennoch, er wollte ihr nicht das Gefühl geben, als müsse sie sich Sorgen machen.
„Wir vier... passen auf und verteilen die restlichen Amulette an die Teilnehmer dieser Versammlung. Es wird... hoffentlich nicht in einem Chaos enden. Wir werden es zu verhindern wissen, irgendwie... Nicht, dass es danach noch schlimmer um uns steht, als zuvor“

"Unser Feind wird dort sein, Caleb und mit ihm wird auch dort Grauvölkler in der Nähe sein um darauf zu achten, dass ihm nichts geschieht", sagte sie mit einem leisen Seufzen. So ungern sie ihm auch die Hoffnung darauf nahm, dass dieses Treffen ruhig von Statten gehen würde - sie mussten sich darauf vorbereiten, dass die Gefahr nicht nur von einem einfachen menschlichen Magier ausging, sondern auch von dessen Schoßhund.
"Es wird die Huildr Mor'ranr vielleicht interessieren. Julian Frook, der abtrünnige Reiter, der sich damals Ethra anschloss, scheint wieder auferstanden zu sein. Er war es damals, der die Elfenstadt Ceris beinahe vollständig zerstört hat - wir dachten, er sei im Verließ der Seelen gestorben, aber wie es scheint hatten wir Unrecht ..."
Sie hatte Scorpio auf der Spitze des Helgrinds bekämpft, sie selbst hatte gesehen, wie ihn der Blitz beinahe zu Asche verbrannte und dennoch blieb der Stachel des Misstrauens in ihrem Herzen stecken und mahnte sie zur Vorsicht, riet ihr, dass es noch lange nicht vorbei war. Dass es zu einfach gewesen war für ein Mitglied dieses Alten Volkes.
"Hör mir zu, es gibt eine weitere Grauvölklerin, die eine Gruppe lenkt, die sich die Arcanea nennt. Sie versucht ein fest vorher bestimmtes Schicksal eintreten zu lassen, in dem es darum geht, dass Scorpio, der Diener unseres menschlichen Feindes, ein Gefäß braucht um seine Macht ausschöpfen zu können.
Wenn Scorpio also dieses Gefäß nicht bekommt, haben wir eine Möglichkeit ihn endgültig zu besiegen. Sag das deiner Gilde, Caleb - es ist wichtig."

„Danke“ Caleb drückte sanft ihre Hand und nickte ihr knapp zu. Die Informationen, die sie ihm anvertraut hatte, waren, und das konnte er alleine schon beurteilen, nicht ohne. Er würde wohl sobald wie möglich nach einem Kamin Ausschau halten. Denn damit wollte er nicht bis zu dem baldigem Treffen warten wollen. „Ich werde sie umgehend darüber informieren. Die nächste Stadt ist nicht allzu weit entfernt und Pergament und Tinte wird sich überall finden lassen. Danke, ich bin mir sicher, es wird eine Hilfe sein. Umso mehr wir wissen...“, sagte er und atmete tief ein. Das Sonnenlicht spiegelte sich auf der Wasseroberfläche und überzog den See mit einer silber-goldenen Schicht. Er hatte die Stimmung wirklich in Minus Grade gesteuert und so schnell würde er das auch nicht ändern können. Aber das hielt ihn gewiss nicht von einem Versuch ab.
„Sagen wir, wir belassen es bei diesen miesen Nachrichten? Ich breche in zwei Tagen bereits auf und werde mich etwas früher bei den Fa's einfinden. Doch bis dahin bleibt mir ein wenig Zeit... was ist mit dir? Hast du dich davon gestohlen? Nicht, dass Oromis hier gleich auftaucht und den Wachhund wieder heraus lässt“

"Oromis kann manchmal ein wenig ... übervorsichtig sein", versuchte sie Caleb das Verhalten des anderen Reiters zu erklären, der sie so jäh in Surda gestört und den Moment damit vollkommen vernichtet hatte. "Wir sind zusammen aufgewachsen, waren beide Anurins Schüler und dadurch, dass Oromis der Ältere war, hat er es sich nicht nehmen lassen, immer ein Auge auf das zu haben, was ich tue. Damals war es in Ordnung aber ich glaube, er hat noch immer nicht wirklich begriffen, dass ich inzwischen erwachsen bin - wie du sicherlich in Surda gesehen hast."
Sie lächelte entschuldigend zu Caleb hinüber, ging aber nicht davon aus, dass ihre Erklärung irgendetwas an seiner Abneigung dem älteren Reiter gegenüber änderte - dafür hatte Oromis sich zu schlecht verhalten und Caleb zu impulsiv reagiert. Er hatte zuvor bereits deutlich gemacht, dass er nicht mehr zum Orden wollte und nach dem Verhalten, das ihm gegenüber gezeigt worden war, konnte sie es ihm nicht einmal verdenken.
"Offiziell wollte Anwar jagen und ich ein wenig Zeit für mich aber ich werde bald nach Dras-Leona zurückkehren müssen um dort die Formalitäten zu erledigen bevor ein neuer Fürst gewählt werden kann."

„Ahh... so ist das. Nunja, wundert mich ehrlich gesagt nicht. Arash Huskar war ein Dreckskerl und ist es noch immer. Ich weiß nicht, wie die Bewohner nur darauf kamen, ihn zu wählen. Wobei... er hat sie womöglich bestochen. Allesamt“, mutmaßte Caleb, der sich mit einem Mal seufzend nach hinten fallen ließ. Die Arme verschränkte er hinter dem Kopf und spürte das Gras auf seiner Haut kitzeln.
„Weißt du, dieser Mistkerl von Schatten, Graf Vladimir von Dras Leona- was würdest du sagen, wenn ich dir verrate, dass er Kinder hat? Oder besser gesagt, hatte, zum Glück weilt er ja nicht mehr unter uns. Er hat auch nie etwas von seinem Sohn erfahren... scheinbar hatte er da mehrere Frauengeschichten...“, sagte er und schlug dabei einen Ton als, als würde er mit der Elfe über das Wetter plaudern.
„Ich kenne den Sohn sogar und er ist wirklich ein guter Kerl. Ich könnte mir vorstellen, dass er das in Dras-Leona schaffen könnte. Bei weitem besser als sein Vorgänger. Und dessen Vorgänger"

"Er hat Kinder?", echote Caladhiel mit zusammengezogenen Augenbrauen und musterte Calebs Gesicht eine Weile lang um zu ergründen, ob er die Tatsache, dass Graf Vladimirs Sohn wirklich ein 'guter Kerl' sein sollte, ernst meinte, doch sie fand weder in seinem Gesicht, noch in seinen Worten auch nur den leisesten Hauch einer Lüge und so seufzte die Elfe nur.
Wenn Graf Vladimir Kinder oder zumindest einen Sohn hatte, der noch am Leben war und bislang verborgen lebte, dann bedeutete dies auch gleichzeitig, dass es jemanden gab, der rechtmäßig die Krone Palancars tragen durfte, denn die Linie Vladimirs war gleichzeitig auch die einzige, die eng genug mit der des Königshauses verbunden war.
"Caleb, die Linie Vladimirs ist die Einzige, die die Krone Palancars tragen darf, wenn niemand der königlichen Linie dazu mehr in der Lage ist und genau diese Lage haben wir gerade. Königin Runa ist verschwunden und sie hat keinerlei Nachkommen oder Geschwister. Ein Sohn Vladimirs, der auf unserer Seite steht bedeutet einen neuen Herrscher der Menschen."

Die Worte blieben Caleb irgendwo zwischen Hirn und Zunge stecken, als Caladhiel ihm eröffnete, welches Erbe Phineas genauer erwartete. Die Kinnlade war ihm regelrecht hinunter gefallen und die Augen hatten sich ungläubig geweitet. Er kannte den zukünftigen, rechtmäßigen König! Wenn man von Königin Runa einmal absah... Du liebe Zeit. Gut, dass er lag, denn ihm schwindelte ein wenig.
Leicht schüttelte er den Kopf, fuhr sich mit einer Hand durch das kurze, blonde Haar und pfiff leise.
„Das wusste ich nicht... also, dass mit der Krone. Fuuh... Weißt du, du bist ihm bereits begegnet. Phineas ist der Sohn, von dem ich geredet habe. Er... er wird auch kommen. Zum Treffen“, murmelte er und blinzelte, ehe ihm einfiel, den Mund wieder zu schließen.
„Phineas... wow...“ Caleb schnaufte und sah dann zu Caladhiel auf. „Ich wette, er weiß selbst nichts davon. Er hat sich nicht viel aus seinem Vater gemacht. Ich meine... verständlicherweise. Er hat sich auch nie um Phineas geschert... Wow... das... das wird einiges ändern“

Belustigung blitzte in den dunklen Augen der Elfe auf, die Calebs Reaktion genau beobachtet hatte und nun leise begann zu lachen, die Hand zum Mund hebend um jenes Lachen dahinter zu verbergen. Es schien fast so, als wäre sie über die Mitglieder der Gilde ein wenig besser informiert als deren eigene Gefolgsleute.
"Phineas also", echote sie leise und nickte dann knapp, sich an den jungen Mann erinnernd, welchem sie in Gil'ead kurz begegnet war. Auch sie hatte es nicht für möglich gehalten, dass er ein solches Erbe trug, doch es verbesserte ihre Chancen im Kampf gegen den Feind ungemein. Das junge Volk der Nachkommenden brauchte einen guten und gerechten Herrscher nach all diesen Enttäuschungen und Phineas schien derjenige zu sein, der diese Hoffnung erfüllen konnte.
"Du solltest ihm ausrichten, dass er in nur wenigen Tagen zum König der Menschen gekrönt wird. Es ist bestimmt wichtig für ihn."

„Bestimmt wichtig für ihn!?“ Caleb klang leicht hysterisch und saß mit einem Mal wieder aufrecht. Er blinzelte und gestikulierte mit den Händen in der Luft herum. „Na, davon gehe ich ja wohl aus, dass das wichtig für ihn ist. Man wird ja schließlich nicht jeden Tag zum König gekrönt. Zum König!“, raunte er leise und schaute sich lauernd um, befürchtete, hier könnten Spione herum lungern – Was unwahrscheinlich war, da Lyra gewiss Wache hielt, zusammen mit Aeon.
„Himmel... der Gute wird es noch aus seinen Schuhen hauen. Er... er hat nicht einmal den Platz des Fürsten in Erwägung gezogen und nun gleich das!? Was wenn... was wenn wir Runa zurück bringen? Einer unserer Leute kümmert sich zur Zeit um sie... ich meine...“ Caleb verstummte je, als seine blauen Augen an Caladhiels Gesicht hingen blieben. Mit einem Ruck ließ er seine Hände sinken und seine Schulter sackten ebenfalls nach unten.
„Ich bin eindeutig überfordert. Ganz ehrlich. Ich könnte jetzt...hm, ich könnte wirklich...“, murmelte er geheimnisvoll vor sich hin und schaute zum See hinüber. Der junge Reiter sprang auf,
krempelte sich die Hosenbeine hoch und sprang im nächsten Augenblick auch schon ins Wasser, watete ein Stück hinein und drehte sich zu Caladhiel um.
„Noch irgendwelche Informationen, die ich nicht weiß, aber wichtig wären?“, fragte er grinsend.

Befürchtend, dass Caleb gleich irgendeinen Unsinn anstellen würde, war auch Caladhiel aufgestanden und ein paar Schritte auf den See zu getreten, verharrte jedoch noch bevor ihre Füße das kühle Nass berührten. Caleb hatte sie mit seiner Reaktion ebenso vollkommen aus dem Konzept gebracht, so dass die Elfe nun langsam blinzelte und schließlich leise lachend den Kopf schüttelte, ihm damit gleichzeitig die Antwort auf seine Frage gebend.
"Königin Runa ist noch immer nicht auf der Höhe und die Menschen brauchen jetzt jemanden, der sich ihrer annimmt, nachdem Lord Kharas von dem Amt als Truchsess freiwillig zurückgetreten ist", gab sie zu bedenken. "Sie wird Zeit brauchen um wieder zurück in ihr Amt zu finden, aber wir können das Reich nicht ohne Führung lassen, wenn wir nicht wollen, dass der Feind es sich bald einverleibt hat."
Mit einem erneuten Kopfschütteln verscheuchte sie die ernsten Gedanken und lächelte über den plötzlichen Enthusiasmus des jüngeren Reiters, zog dann aber doch die Augenbrauen ein Stück hoch, je weiter er in das Wasser hinein watete.
"Caleb, was hast du vor?"

„Angesichts der Tatsache“, fing der junge Reiter ernst an und knöpfte sich das Hemd auf. „dass deine Worte, die mehr als bedeutendschwer waren, mich so aus dem Konzept gebracht haben, dachte ich“, setzte er fort und entledigte sich seines Hemdes. „dass ich mir eine Abkühlung gönne. Das ist ja nahe liegend. Wie oft sitze ich schon direkt vor einem See? Und nutze das nicht?“, gab er raunend zurück und warf sein Hemd zusammen mit seinem Mantel zurück ans Ufer. „Außerdem wird mir das kalte Wasser ziemlich schnell dabei helfen, wieder klar denken zu können“ Caleb warf seinen Gürtel dem Rest hinterher, ebenso wie zwei kleinere Beutel und seinem Schwert.
„Wenn du Lust hast, kannst du gerne herein kommen? Oder sind Elfen eher die... 'Ich-stecke-einen-Zeh-ins-Wasser-und-das-genügt-mir-Typen?“, fragte er mit einem breiten Grinsen, reckte seine Arme in die Lüfte, stieß sich ab und vollführte einen perfekten Köpfer mit dem er drei Meter weiter in die Tiefen tauchte.
Das Grinsen befand sich auch dann noch auf seinem Gesicht, als dieses kurz darauf wieder auftauchte. Das blonde Haar klebte ihm am Kopf, strich es sich mit der Hand zurück und sah zu Caladhiel hinüber. „Es ist schweinekalt“

Caladhiel blinzelte angesichts der Worte des Jüngeren und schüttelte langsam den Kopf, musterte seine nasse Gestalt und haderte für einen kurzen Moment mit sich. In dem kurzen Moment des Nachdenkens, den sie noch gehabt hatte, war ihr Blick über den Rest seiner Sachen und die Lichtung gewandert, beinahe so, als erwartete sie, dass nur allzu bald jemand auftauchen würde, der den Moment vernichten würde.
Sie lauschte Anwars Stimme in ihrem Kopf, der sie zur Vorsicht mahnte und daran erinnerte, was sie hier eigentlich tat, doch die Reiterin verbannte den Drachen aus ihren Gedanken, nachdem sie ihm klar gemacht und versprochen hatte, dass sie keineswegs ein höheres Risiko als notwendig eingehen würde.
Sie spürte die Missbilligung des großen, schwarzen Drachen als dieser sich zurückzog, als sei es ihre eigene, doch ebenso wusste sie, dass Anwar sich mit der Zeit damit abfinden und niemandem ein Sterbenswörtchen davon berichten würde.
Beruhigt von diesem Gedanken glitten die Finger der Elfe zu ihrem Gürtel und sie begann die Schnallen zu lösen bis das schwere Leder mit einem leisen Klappern zu Boden fiel - die Schuhe und der Mantel, den die Elfe trug, folgten nur unwesentlich später.
Leise gewisperte Worte in Alter Sprache verließen ihre Lippen, die nur einem einzigen Zweck dienten - die Kleider und anderen Dinge, die die beiden Reiter am Ufer zurückgelassen hatten, vor einem eventuellen Diebstahl eines Fremden zu schützen, dann watete auch sie in das kalte Wasser hinein.

Mit dem leichten Brennen, dass er im Gesicht verspürte, als Caladhiels den Gürtel löste und kurz darauf auch ihren Mantel, schluckte der Reiter. Er wusste, dass seine Worte heraus fordernd geklungen hatte, doch er hätte nicht gedacht, dass die Elfe darauf eingehen würde. Verdattert starrte er sie an, beobachtete, wie sie langsam ins das Wasser watete. Seine Finger fuhren durch das kühle Nass, dass im Sonnenlicht glitzerte und einem das Gefühl gab, als wäre man von funkelnden Kristallen umgeben.
„Du bist wirklich unglaublich...“, raunte er, stemmte seine Arme in die Hüften und schüttelte mit einem amüsierten Lächeln seinen Kopf. „Deine schönen Kleider... es dauert bestimmt eine Weile, bis die wieder trocken sind. Und das sollten sie immerhin sein, wenn du gewisse Fragen umgehen möchtest“ Ein Hauch von Spot blitzte in seinen Augen auf, ging dann jedoch auf Caladhiel zu, ging ihr entgegen, während das Wasser zur Seite schwappte.
„Hat dir schon einmal jemand gesagt, wie wunderschön du bist?“, wisperte Caleb, als er vor der Elfe zum Stehen kam und seine nassen Hände hob. Sacht strich er über ihr Gesicht und schaute ihr lächelnd in die Augen. „Ob die Sterne nachts nur so hell leuchten, um mit deiner Schönheit mithalten zu können? Es würde mich nicht wundern, wenn dem so wäre...“

Amüsiert über die Verblüffung, die sie in seinem Gesicht vorfinden konnte, hatte auch Caladhiel lächeln müssen während sie sich durch das, zugegeben ziemlich, eisige Wasser bewegte, nicht zuletzt aus dem Grund, da er ihre Gedanken ausgesprochen hatte. Ihre Kleider waren nun wirklich das Letzte, worum sie sich Sorgen machte, denn die würden in der warmen Sonne rasch trocknen und zur Not würde die Elfe eben ein wenig nachhelfen müssen um lästige Fragen zu vermeiden.
"Als würdest du dir ernsthafte Sorgen um meine Kleider machen", antwortete sie auf seine zuerst gewählten Worte mit einem nicht minder schelmischen Lächeln, das ehrlicher wurde, kaum dass seine Fragen verhallt waren, dann schüttelte sie leicht den Kopf.
"Ich hatte nicht erwartet, dass an dir ein Poet verloren gegangen ist", schallt sie ihn sacht, jeden einzelnen Wassertropfen spürend, der von seiner Hand über ihre Wange perlte. Ein warmer Schauer jagte ihr über den Rücken, von dem sie nicht wusste, ob er von Calebs Berührung, der Nähe oder dem Wasser kam, das sie beide umspielte.

„Keine Sorge, ist er auch nicht. Ich spreche einfach nur aus, was mir in den Sinn kommt. Hin und wieder“ Caleb ließ seine Hände langsam sinken, nur um kurz darauf nach den ihren zu fassen. Sanft strich er über ihre Finger, ihren Handrücken und lächelte dabei, konnte noch immer nicht ganz glauben, was hier geschah. Vielleicht würde er Morgen früh irgendwo in einer Spelunke aufwachen, neben sich eine kleine Kerze, die für das schumrige Licht sorgte und da würde er feststellen, dass er das alles nur geträumt hatte. Wenn er ehrlich war, so unwahrscheinlich war das im Grunde gar nicht. Nicht unwahrscheinlicher als das, was hier gerade vor sich ging.
Sanft drückte er ihre Hände, als müsste er sich davon vergewissern, in diesem Augenblick nicht zu halluzinieren.
Doch er spürte ihre Haut, ihre Nähe und fühlte ihren heißen Atem.
Wenn dies ein Traum war, dann war es mit Abstand der beste, den er je gehabt hatte.
Das Wasser zog seine Kreise, bei jeder noch so kleinen Bewegung der beiden, erzitterte und gluckste.
Leicht lehnte er sich zu ihr hinüber und nahm sie in seine Arme, das Gesicht dabei neben dem ihren.
„Glaube nicht, ich würde jetzt deinetwegen handzahm werden. Ich ziehe es vor, meinen blonden Sturkopf zu behalten. Aber vielleicht... lasse ich mich in der einen oder anderen Sache von dir überreden“, flüsterte er ihr ins Ohr, löste sich in einer fließenden Bewegung von ihr, nur um daraufhin mit seinen nassen Fingern durch ihr Haar zur fahren, über ihr Gesicht und küsste sie schließlich von neuem.

Sacht erwiderte sie den Kuss des Jüngeren und zog ihn ein Stück näher zu sich heran, erahnte sie doch seine wirren Gedanken und die dunklen Befürchtungen, die in ihm aufgestiegen waren und ihn glauben ließen, er befände sich in einem einfachen Traum. Es war ihr Versuch ihm das Gegenteil zu beweisen, eine Geste, die davon sprach, dass all das, was hier geschah real war und jede Minute, die verging, wirklich vorüber strich.
"Ich will dich nicht verändern, Caleb", versprach sie ihm leise und schüttelte, wie zur Bekräftigung ihrer Worte, noch einmal den Kopf während ihre Finger sacht über seine, vom Wasser gekühlte, Haut fuhren.
Seinen blonden Sturkopf zu verändern hatte sie nicht einmal für möglich gehalten, so dass sie seinen Worten keine größere Bedeutung zumaß. Er würde auf ewig der widerspenstige Idealist bleiben, den sie in der letzten Zeit kennen und lieben gelernt hatte - ein junger Mann, der alles dafür tat, diejenigen zu schützen, die er liebte und sich genau dadurch oftmals in so viele Schwierigkeiten brachte.
"Um nichts in der Welt würde ich das wollen."

„Oh, glaube mir, irgendwann, wenn ich dir tierisch auf die Nerven gehe, dann würdest du es sicherlich wollen. Für einen Augenblick ganz bestimmt“ Caleb, der mit beiden Händen zärtlich das Gesicht der Elfe festhielt, schmunzelte über ihre Worte und gab ihr dann einen zweiten, kürzeren Kuss. Es war so unendlich schwer, seine Finger von ihr zu lassen... Es würde ihn einiges an Überwindung kosten, später wieder ohne sie aufzubrechen. Doch es musste sein. Sie hatte gewiss noch einiges zu tun, als Oberhaupt der Reiter und er hatte noch Dinge für die Gilde zu erledigen.
Umso länger ihr in die Augen sah, seine Hände dabei langsam über ihr Gesicht gleiten, ihren Hals hinab, bis er schließlich wieder ihre Hände fasste, ließ ihn nun doch glauben, dass dies die Wirklichkeit war. Kein Hirngespinst, kein Traum.
Ein hämisches Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als dem jungen Reiter eine Idee kam. Ohne jede Ankündigung nahm er die Elfe auf seine Arme, tauchte mit ihr ins Wasser und lachte schadenfroh, als sie genau so nass war, wie er. Und auch danach aussah.
„Jetzt hast du immerhin einen Grund, deine Kleider auch wirklich zu trocknen“, summte er fröhlich und machte sich auf dem Weg zum Ufer.
„Ich erkläre mich auch bereit, das nötige Kleinholz zu suchen, um ein Feuer machen zu können“

Immer noch ein wenig überrascht von der Tat des Jüngeren blinzelte die Elfe verwirrt und strich sich einige nasse Strähnen aus dem Gesicht, die darin klebten, nachdem sie aus dem Wasser wieder aufgetaucht war. Der kühle Wind zerrte an ihrer Gestalt und ließ sie fröstelnd die Arme vor der Brust verschränken während sie Caleb zum Ufer hin folgte. Sie hatte mit vielem gerechnet gehabt aber nicht damit, dass er Zeit schinden würde, die sie füreinander hatten, indem er dafür sorgte, dass sie bis auf die Knochen nass wurde.
Sie konnte sich eines Lächeln nicht erwehren als sie sich in das Gras, unweit ihrer trockenen Sachen, sinken ließ und zu Caleb hinaufblickte. "Und du nennst mich unglaublich?", hakte sie mit hochgezogenen Augenbrauen nach, die dunklen Haare mit beiden Händen über die Schulter nach vorne streichend und sie auswringend, kaum dass sie das Ufer erreicht hatte.

„Du bist unglaublich, Caladhiel. Und meine Wenigkeit“, sagte Caleb und löste seinen Gürtel, während ein freches Grinsen auf sein Gesicht trat. „ist lediglich unglaublich unverschämt“ Langsam streifte er seine Hose über seine Beine und wringte sie anschließend in seinen Händen aus. Tropfen fielen in das Gras, rannen an seinen Armen hinab, während er lediglich in einer Unterhose, gemütlich zu seinem Hemd und seinem Umhang hinüber lief. Ihm machte der kühle Wind nicht fiel aus, genoss stattdessen die Sonnenstrahlen, die sich noch über die Lichtung ergossen und warf seine Hose letztendlich über einen Ast. „Ich geh Feuerholz suchen, zieh ruhig meine Sachen an, immerhin bin ich ja Schuld daran, dass deine Sachen nass sind“, raunte der Jüngere ihr zu, lächelte und verschwand dann im Unterholz.
Es dauerte nicht wirklich lange bis er ausreichend Holz gefunden hatte – denn Lyra hatte scheinbar schon so etwas geahnt und ein Bündel mit Ästen und Zweigen zusammen gebunden und an einen Baum gelehnt. Caleb hatte beinahe lachen müssen, nahm das Bündel dann jedoch auf und schaute sich nach ihr um. Sie war nirgends zu entdecken, obwohl sie mit ihren weißen Haaren eigentlich ziemlich schnell auffallen müsste. Gleichgültig zuckte er dann mit seinen Schultern und machte sich auf dem Weg zurück zur Lichtung.
Er löste das Seil von dem Bündel und schichtete es binnen Sekunden übereinander. „Brisingr“, flüsterte und entfachte damit das Feuer, das sich hungrig von einem Ast zum nächsten hangelte.
Zwar wäre es weniger Kraft aufwendend gewesen, wenn er das Feuer auf natürlich Weise angezündet hatte – doch da er gerade keine Feuersteine oder ähnliches bei sich trug, musste es eben so funktionieren. „Mein Dame? Das Feuer wäre angerichtet“, sagte er leise lachend und ging zu ihr hinüber, schloss sie von hinten in seine Arme, die trotzallem warm waren.

Die Zeit, die Caleb von der Lichtung verschwunden war um Holz zu suchen hatte die Elfe in der Tat genutzt um aus ihren nassen Sachen zu kommen und in die des jüngeren Reiters zu schlüpfen. Sie überging dabei schlichtweg, dass die ihr viel zu groß waren und mehr wie ein Sack an der zierlichen Gestalt der Elfe hinab hingen, die sich inzwischen wieder ins Gras hatte sinken lassen und ihren Blick über den See wandern ließ.
Im Stillen lächelte sie über diese ganze Situation, von der sie nicht einmal im Traum gedacht hatte, dass sie jemals so enden würde. Sie war hierher gekommen um Caleb zu besänftigen, in der Hoffnung, den Jüngeren nicht endgültig zu verlieren und nun saß sie in seinen Kleidern am Ufer und empfand eine seltsame Form des Glücks, die ihr bislang noch nicht bekannt gewesen war.
Als sich warme Arme um ihre Taille legten, wurde die Reiterin aus ihren Gedanken gerissen und wandte den Kopf zur Seite, ein feines Lächeln auf den Zügen während sie sich gegen ihn sinken ließ und schließlich die Frage stellte, die ihr schon seit einer Weile auf der Seele brannte.
"Wirst du zurückkommen, Caleb? ... mit mir ...?"

„Nicht heute, Caladhiel“, antwortete Caleb und lächelte schwach. Ihm selbst missfiel der Gedanke daran, sich schon bald wieder von ihr trennen zu müssen, was er nicht leugnen konnte. Seine eigene Abneigung diesbezüglich spiegelte sich in seinen Augen wider, zusammen mit den Flammen, die nur gut zwei, drei Schritte von ihnen entfernt loderten und Wärme spendeten. Eine Weile schaute er dem Spiel des Feuers zu, lauschte dem leisen Knacken der Äste, die von den Flammen verzehrt wurden. Als er einatmete, roch er das Feuer förmlich, dessen Geruch sich mit dem des Grases und der umstehenden Bäumen, Sträuchern und Blumen mischte.
„Und auch nicht Morgen. Leider. Ich muss mit Lyra das eine oder andere erledigen... Dann ist es auch schon an der Zeit, sich auf dem Weg zu machen, für die Versammlung in Ilirea. Aber danach... danach werde ich zurückkommen. Zu dir, mit dir, wie du es gerne hättest“, flüsterte er ihr ins Ohr und ließ seine Hände über ihre Arme fahren, in der Hoffnung, sie damit ein wenig zu wärmen.
„Es ist gewiss das Beste so. Ich muss mich meinen Pflichten widmen und du deinen. Du wirst die Tage brauchen, in denen ich nicht da bin, um deine Arbeit zu verrichten. Dich vorzubereiten. Aber egal was du tust, leg das Amulett nicht ab, ja? Es ist wichtig“

„Das ist es wirklich“ Lyra seufzte und trat mit einem sanften, warmen Lächeln heraus, das zugleich zeigte, dass es ihr Leid tat, die beiden zu unterbrechen. Ihre Augen huschten kurz zu dem Feuer, welches ihre Augen aufblitzen ließ. „Freut mich, dass du das Holz gefunden hast. Ich dachte mir schon, dass du dem See nicht widerstehen würdest...“, sagte sie mit einem leisen Lachend und ging zu ihnen hinüber. Aus ihrer Tasche zog sie ein paar Dinge heraus.
In einem Tuch eingewickelt befanden sich Spieße mit Pilzen, ein Laib Brot und ein paar Beeren.
„Ich gehe mal davon aus, dass ihr hier noch eine Weile bleiben werdet. Und da du Aoen fort geschickt hast... und dein Proviant bestimmt in der Satteltasche steckt, dachte ich mir, ich bringe euch beiden etwas. Das verzeiht vielleicht auch meine Unterbrechung. Ich muss... etwas verschicken“, sagte sie und zog nun auch noch einen Umschlag heraus. Sie hielt ihn kurz hoch, sodass Caleb den Namen darauf lesen konnte, dann murmelte Lyra auch schon etwas, das Feuer färbte sich leicht und fraß im nächsten Moment den Umschlag auf.