Der Fluss Anora

"Verzeih mir", wisperte sie, schob die Decke höher um ihm den Blick auf die dunklen Färbung auf ihrer sonst so weißen Haut zu verwehren. "Ich wollte es nicht ...", folgte es nach einer schieren Ewigkeit, in der sie geistig durchgegangen war, was sie hätte sagen können aber es würde alles nichts bringen. Vorsichtig hob sie den Blick, begegnete dem seinen und senkte die Augen fast im gleichen Augenblick wieder.
"Verzeih mir ..."

Er seufzte und rückte etwas näher zu ihr.
"Wie weit ging er?" fragte er und unterdrückte den Ekel und die Wut in seiner Stimme.
Er konnte es nicht fassen, dieser Wurm... hatte seine liebste befleckt.

Ihre Finger krallten sich in den Stoff seines Oberteils während sie sich selbst dazu zwang die innere Ruhe zu behalten, obgleich das völlig unmöglich schien angesichts seiner Frage. Seine Frage kam so unvermittelt als habe er sich nur nach ihrem Befinden erkundigt und sie schmerzte, wie die Klinge der Raz'ac.
"Er hat ..." Ihre Stimme brach, klang merkwürdig erstickt. "Er ist ..." Sie begann erneut und schloss die Augen. "... nicht weit gekommen ... da war ein Stein ... und er ist verschwunden. Seit dem jagen er und seine Soldaten mich. Er lässt mich nicht gehen ... er wird mich nicht in Ruhe lassen ... er wird mich finden, Ethra. Er will ..."

Er streichelte sie sanft.
"Ganz ruhig, solange ich bei dir bin kann dir nichts geschehen!" flüsterte Ethra leise.
Er umarmte sie, wollteihr wärme versprechen.
"Erwird dafür büßen Elatariel!" schwor er seiner Liebsten.
"Er wird dafür bezahlen und sich wünschen niemals geboren wordne zu sein!"

"Nicht jetzt ...", wisperte sie, blickte flehend zu ihm auf und festigte ihren Griff um ihn. Allein, wenn sie darüber nachdachte Vladimir erneut über den Weg laufen zu müssen, nicht zu wissen, ob er es erneut versuchen würde, jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken.

Er strich ihr langsam über den Kopf.
"Elatariel...eines muss ich dich fragen!
Woher kommt die Tättowierung?" wollte Ethra wissen.
Eigendlich wusste er es bereits,doch wollte er das Nyaralin selbst sagte was sie getan hatte.

Sie schluckte. Jetzt kamen sie zu dem Punkt, von dem sie nicht wusste, wie sie Ethra das erklären sollte. Er würde sie dafür verachten.
"Der Geist, den ich befreite ... er folgte mir", fing sie an, schloss die Augen und spürte den heftigen Protest ihres Inneren ihm etwas davon zu sagen. "Ein Mann wollte mich fangen und verkaufen ... der Geist ... ich bat ihn um Hilfe und er half mir ... seit dem habe ich dieses Zeichen." Furcht schlich sich in ihre Stimme, ließ jene leiser werden. "Er hat mich übernommen ... ich konnte nicht mehr denken, nicht mehr handeln - ich konnte nur zusehen, was er tat. Er hat diesen Mann getötet aber er sagte, es würde mir niemand mehr weh tun ..."

Stille, bedrückende eiskalte Stille.
"Ich werde dir helfen ihn los zu werden
Es ist nicht deine Schuld - ich allein Trage die Schuld!
Ich habe dich fortgjeagt und beshcimpft, es ist mein Verbrechen was dir geschehen ist, du hast nur das getan was du tun musstets um dein Überleben zu sichern!"

"Ich will nicht, dass er dich verletzt und das würde er, wenn du versuchst ihn zu vertreiben. Ich höre seine Stimme, Ethra", antwortete sie und schüttelte den Kopf, setzte sich langsam auf und wirkte dabei um so vieles jünger als sie es eigentlich war. Kaum mehr etwas war von dem ursprünglichen Stolz der Elfin übrig - vielmehr lag jener nun zerbrochen vor ihren Füßen und mit jeder neuen Erinnerung trampelte jemand darauf herum.
"Was bin ich, Ethra? Hatte Kharas Recht? Werde ich wirklich zu einem Schatten?"

"Nein....
Das Wesen ist nicht in dir!
Es ist weiterhin dort draußen und hält nur eine Verbindung mit dir aufrecht!" erklärte Ethra leise.
"Auch Kharas war einst in jenem Zustand!"

"Aber wie?", fragte sie und klang dabei nicht so als würde sie noch eine winzige Hoffnung daran haben, dass ihr Leben eines Tages wieder so sein würde, wie zuvor.
"Wie hat Kharas ihn bezwungen?", fragte sie dann nach und rutschte wieder zu Ethra zurück als das plötzliche Gefühl des Alleinseins sie übermannte.

"Hat er nicht..." meinte Ethra und schüttelte leicht den Kopf.
Er strich Nyaralin sanft über die Haare.
"Ich habe jenes Wesen aus ihn vertrieben und in das Gemälde gebannt!"

Seufzend nahm sie seine Aussage zur Kenntnis, blieb jedoch dem Schweigen verfallen. Es war sinnlos noch etwas zu sagen, sie hätte mit keinem einzigen Wort etwas an der Situation ändern können, in der sie nun steckten. Was immer er nun tun wollte, es würde mit Sicherheit nicht damit enden, dass sie nun nach Hause gehen würden.

"Die Armee ist momentan noch in der nähe des Dorfes stationier..."
fing Ethra an und sah dabei aus, als würde er jedes einzelne Wort nur sehr ungern aussprechen.
"Wir sind auf dem Weg nach DrasLeona... damit Kharas Plan aufgeht...." er stockte kurz und sah auf den Boden, als wäre das Muster des Grases sehr interessant.
"ich würde dich gerne nach Hause bringen, aber das ist aufgrund des Zeitplanes nicht möglich..."

Sie schloss kurz die Augen. Es war genau so, wie sie es erwartet hatte. "Ich werde mit euch kommen", sagte sie dann leise, es einfach unter den nicht vorhandenen Teppich kehrend, dass sie ohnehin keine andere Wahl hatte als die Armee zu begleiten. Es graute ihr davor, Vladimir erneut gegenüber zu treten.

Er nickte nur leicht.
"Noch ehe die Sonne untergeht wird Vladimirs Blut den Boden seiner Arena benetzen!" schwor er ihr.
Er atmete tief ein und seine Brust hob sich sichtbar, er schien zu etwas anzusetzen unterbrach sich jedoch und schüttelte den Kopf.
"Ich habe versagt

"Es kam, wie es das Schicksal wollte, Ethra. Du hättest nichts daran ändern können", gab sie nach einem kurzen Kopfschütteln zurück. Sie glaubte nicht daran, dass Vladimir wirklich so einfach sterben würde - der Schatten würde einen Plan in seiner Hinterhand haben mit dem er ihnen noch einiges an Kopfzerbrechen bereiten würde, doch sie vermochte nicht zu sagen, welcher dies war.

Ethra stieß ein kurzes, beißendes Lachen aus.
Er schüttelte den Kopf. Er wirkte alt und müde.
"Mein Leben ist doch jetzt schon verwirkt! Das einzige was ich nun tue ist das Theaterstück eines Wahnsinnigen zu spielen dessen Ende ich zu genau kenne!" er verspannte sich.
"Ich wünschte ich könnte fliehen, auf einen Stern - einen Ort wo ich Leben kann, wie jeder andre Mann!"

"Es war deine eigene Entscheidung an diesem Theaterstück teilzunehmen, Ethra." Ihre Worte klangen hart, wie eine schlichte Feststellung während die Elfin nicht einmal die Augen auf den Gefährten gerichtet hatte. Sie selbst hatte niemals so tief in die Geschehnisse miteinbezogen werden wollen, doch nun mussten sie beide mit ihrem Platz in diesem Spiel zurecht kommen.

Es war für ihn wie ein Schlag in die Magengrube.
Sie hatte recht, er hatte blindlings zugestimmt in der Hoffnung somit seinem Volk helfen zu können.
"Vielleicht ... wäre es besser wenn du gehst..." meinte Ethra auf einmal.
"Noch ist nichts geschehen! Geh weit fort von mir! Zieh fort aus Ellesmera und nimm nie wieder Kontakt mit mir auf!"

Für einen kurzen Augenblick herrschte Stille zwischen den beiden Elfen, dann erhob Nyarálin sich umständlich und blieb auf wackligen Beinen stehen. Ihr Körper hatte sich noch immer nicht von den Strapazen der Flucht erholt.
"Natürlich...", antwortete sie leise und tonlos. "Am besten gehe ich zurück nach Dras Leona und begegnete erneut Vladimir, füge mich damit meinem Schicksal, da er mich nach einer Zeit töten wird. Dann brauchst du dich nicht mehr darum zu sorgen, dass ich etwas mit dir zu tun haben könnte." Damit war für sie das Gespräch abgeschlossen und mit langsamen, vorsichtigen Schritten entfernte sie sich von ihm.

Ethra blinzelte mehrere Male und stand dann auf, ging ihr nach und hielt sie an der Schulter fest.
"Verstehst du es nicht?
Ich bin eine Gefahr für dich! Ich bedeute deinen Tod!
Bleibst du bei mir erwartet dich nur der Schmerz und der Zorn der gesamten Welt!
Ohne mich kannst du neu Anfangen, du verdienst jemand besseren als mich!"

Ruckartig riss sie sich von ihm los, kam dann jedoch ins Straucheln und hielt sich nur mit Mühe auf den Beinen.
"Denkst du, es würde etwas ändern, wenn ich dich allein lassen würde? Denkst du, es würde Vladimir oder den Rat interessieren? Das wird es nicht." Sie schüttelte, ihre Worte verstärkend den Kopf. "Ethra, du benimmst dich wie ein Kind, nicht wie der Ratsherr, der du sein solltest. Du scheinst mir wie ein nicht einmal 50jähriges Elfenkind."

Ethra stockte.
Sie hatte recht, sie hatte verdammt nochmal recht...
Er ging langsam näher und kniete sich vor sie.
"Es gibt keinen ungünstigeren Zeitpunkt als jetzt - jedoch wird es hiernach keinen Zeitpunkt mehr geben welcher mich derart in meinem Vorhaben bestärkt!" begann Ethra und nahm Nyaralins Hand.
"Ich will, dass du meine Seelenpartnerin wirst Elatariel!" sagte er und Nyaralin hörte in ihrem Geist einen Namen...

Für einen kurzen Moment stellte sie sich wirklich die Frage, ob sein Kopf nicht doch etwas abbekommen hatte, das ihn nachhaltig beeinträchtigte. Er war wankelmütiger als ein Kind der Menschen, das sich gerade nicht entscheiden konnte, ob es nun spielen wollte oder doch ins Bett gehen sollte.
Sie ließ sich eine Menge Zeit mit der Antwort, dann jedoch nickte sie. "Unter einer Voraussetzung, Ethra", sagte sie leise. "Ich möchte, dass du das akzeptierst, was du getan hast und wofür du dich entschieden hast."