Zelt des Königs

" Halte die Klappe ", knurrte Alvias und ballte seine unverletzte Hand zur Faust. " Wenn du noch ein weiteres Wort sagst werde ich das Urteil hier und jetzt vollstrecken lassen. Wagst du es noch weiter, der Königin, dem Fürsten von Gil'ead und mir, dem König, zu widersprechen, werde ich dich hier und jetzt hinrichten lassen. " Der König umgriff mit der Hand das Heft seines Schwertes.
" Erst sagst du, der Wein habe einem alten Ehepaar gehört, nun hast du ihn plötzlich selbst gespendet. Und wenn es wahr ist, dass zwanzig treue Seelen ihr Leben gegeben haben, weshalb bist du nicht bei ihnen ? " Ein harter Schlag der eisernen Faust traf Destelle an der Wange und ließ sie in die Arme der Soldaten fallen. " Weißt du, was ich glaube ? Ich glaube, du bist eine Verräterin. Du versuchst einzig und allein, dich selbst jetzt noch zu retten. Du fürchtest um dein Leben und erfindest nun alle möglichen Geschichten, um dieses noch zu retten. Bei jedem Mal, das du deine Geschichte erzählst, kommt neues hinzu und eins ist unglaubwürdiger als das andere. "
Die Stimme des Königs war nun erneut ruhig, zitterte aber vor Zorn und Entschlossenheit.
" Ich bin der König. Mein Wort steht über dem Tristan Fas, selbst falls dieser dir tatsächlich einen Geleitbrief gegeben hat. Sollte er das getan haben und sollte er deinem feigen Giftanschlag auch zugestimmt haben, so wird er dafür die Konsequenzen zu tragen haben. Dich jedoch braucht das nicht mehr zu interessieren, denn es ändert nichts. " Alvias machte einen weiteren Schritt auf die Frau zu und stand nun nur noch einen halben Meter von ihr entfernt.
Seine Augen funkelten die Frau wütend an. Sie nahm sich viel zu viel heraus. Möglicherweise hatte sie nur gute Absichten gehabt, aber viel wahrscheinlicher war es wohl, dass sie glaubte, sich durch den Giftanschlag selbst in der Gunst der Adligen und des Königs zu heben.

Die junge Frau reagierte zu langsam, als dass sie die ältere Frau vor dem Schlimmsten hätte bewahren können und zuckte nur angesichts der Brutalität, die in dem Schlag gelegen hatte, zusammen. Es gefiel ihr nicht, dass er die Frau geschlagen hatte und es machte vermutlich kein allzu gutes Bild auf die Soldaten, doch sie wagte es auch nicht in diesem Moment dazwischen zu gehen, befürchtete sie doch seine Wut damit nur auf sie umzulenken und damit der Prellbock für die unkontrollierten Emotionen zu sein.
"Alvias ...", begann sie trotzdem leise und verstummte im selben Augenblick wieder, den Kopf ein Stück senkend um ihr leises Seufzen zu verbergen. Es machte es nicht besser, wenn sie jetzt etwas sagen würde und so hob sie lediglich eine Hand, um sie vor den Bauch zu legen, als wolle sie das ungeborene Leben darin, vor dem Zorn seines Vaters zu schützen. Sie begriff aus welchem Grund er sie so anging und welche Konsequenzen ihr Handeln für die einfache Bevölkerung Teirms haben würde - dass es keinen Unterschied machte, ob nun zweihundert Feinde mehr oder weniger auf der feindlichen Linie standen bei dem nächsten Kampf, doch nichts destotrotz jagte ihr der Ärger ihres Gemahls einen Schauer über den Rücken. Es war eine Seite an ihm, die sie bislang noch nicht kennen gelernt hatte und sie bedauerte dies definitiv nicht.

"Ich sehe ... die Krone ist euch ... zu ... schwer geworden, nicht wahr? Das ist zu der unehrenhaftesten Tat greift, die ein Mann je verüben kann. Mögt ihr es Frauen zu schlagen? Gefällt es euch, wie das Fleisch einer zerbrechlichen, schwachen Frau sich anfühlt, wenn ihr mit der Brutalität eines Tieres darauf schlägt? Ich habe nichts zu befürchten, meine Taten waren für das größere Wohl gedacht. Egal ob Ihr mich nun tötet oder nicht, Ihr seid ein Frauenschläger und ich bedaure ... eure Frau deshalb. Wer weiß ... vielleicht werdet Ihr sie auch schlagen, wenn es Euch gerade nicht passt, was sie sagt? Oder vielleicht wäret Ihr einfach vom Krieg genervt und schlägt Sie?
Wann werdet Ihr lernen, dass Schmerzen nichts lehren können, was nicht stimmt?", sie machte keine Anstalten aufzustehen, sie hatte sich ihr ganzes Leben lang angestrengt, jetzt würden es wohl die idiotischen Soldaten tun, die sie trugen. Ihr Leben war bereits zu Ende und das wusste Destelle.
"Coreen ... ich wünschte du wärst mit einem Mann verheiratet, dessen Wut sich nicht auf Frauen richtet. Egal ob nun König, Adeliger oder Bauer.", meinte sie nur noch, bevor sie die Augen schloss und den Todesstoß erwartete. Schließlich sagte der König "Noch ein Wort und du stirbst".

"In Zeiten wie diesen ... greifen Menschen zu seltsamen Methoden um ihre Feinde zu schwächen, nicht wahr, König Alvias? Doch dies werdet Ihr schon bald herausfinden. Ehre hat im Krieg nichts zu suchen, erinnert Euch an meine Worte, wenn der Feind an Eurer Tür klopft. Heute habe ich vielleicht zweihundert Mann gerettet und den Feind geschwächt.
Wenn Ihr diesen Krieg überleben werdet, so wisset Ihr, dass Ihr einer dieser zweihundert Männer sein hättet können, die gefallen wären, wenn ich die Fyhamer nicht vergiftet hätte."

Destelle kippte zur Seite um.
Kharas stand hinter ihr, hatte den Finger dort wo vor wenigen Augenblicken noch ihr Hinterkopf gewesen war.
Er drehte sich zu den Soldaten um.
"Diese Frau hat dem Heer schwere Verluste zugefügt und die Krone beleidigt, sie hat alles zugegeben und ansonsten ist nichts weiter passiert" sagte er mit einem freundlichen Lächeln und die Soldaten nickten glücklich - mit nach oben verdrehten Augen.
"Geht auf eure Posten, sperrt sie ein und knebelt sie im Namen aller Götter!" erklärte Kharas und die Soldaten trollten sich. Destelle gefesselt und geknebelt im Schlepptau
"Das sollte.... weitere.... Probleme vorbeugen"

Ärgerlich blickte Coreen dem kleinen Tross von beeinflussten Soldaten nach, die Destelle wegschafften und verfluchte im Stillen die Worte, die die Ältere von sich gegeben hatte und die etwas in ihr verursacht hatten, das sie erneut schaudern ließen während sie sich umwandte und zu einem der Stühle trat, um sich darauf sinken zu lassen. Sie war dankbar dafür, dass die Soldaten nach dem Zwischenfall mit dem Schatten schnell genug reagiert hatten und binnen geringer Zeit ein neues Zelt errichtet hatten, das ihnen nun ein wenig Privatsphäre und Ruhe vor dem Rest des Heeres gönnte.
Bevor Kharas aufgetaucht war um das Leben der Frau zu retten war sie selbst in Begriff gewesen ihr zu widersprechen, ihr zu versichern, dass Alvias niemals auch nur eine Hand gegen sie erhoben hätte um ihr einen ähnlichen Schlag zu versetzen, doch der Zweifel darüber, ob sie dies mit Garantie sagen konnte war geblieben und hatte sie letzten Endes schweigen lassen. Sie hatte ihn noch niemals dermaßen zornig und so völlig ohne Kontrolle erlebt, noch niemals wirklich Angst vor seinen Handlungen empfunden, wie sie sie jetzt spürte und es machte sie wütend, dass Destelle etwas erreicht hatte, was sie selbst bislang als unmöglich empfunden hatte. Eine gewisse Unsicherheit in ihr zu wecken.
All ihre Gedanken verliefen ins Nichts als ein schmerzhaftes Ziehen durch ihren Unterleib ging und sie zusammenzucken ließ während sie einen Arm schützend davor legte und mit dem anderen Halt an der Lehne des Stuhls suchte, auf dem sie saß. Hilflos kämpfte sie um Luft, die jeder neue Intervall ihr wieder aus den Lungen presste und ihre Atemzüge kürzer werden ließ.

Charles reagierte als erster, wirbelte herum und eilte auf Coreen zu, zwang sie sich nach hinten zu Lehnen - ihre Lungen frei zu machen und diese nicht auch noch auf den Bauch zu drücken.
"Ganz ruhig atmen" meinte er leise und beruhigend, wiederholte es immer wieder wie ein Mantra
"Ruhig atmen - ein und aus.... ein und aus..." er tupfte ihr sanft auf die Stirn, sah sie mitleidig an.
"Alles ist in Ordnung... alles ist in Ordnung"

Ohne einen Widerspruch zu formen ließ Coreen die Behandlung des anderen über sich ergehen, zuckte lediglich ein einziges Mal kurz vor der Berührung seiner kalten Finger auf ihrer warmen Haut zurück während sie darum kämpfte seinen Anweisungen Folge zu leisten und ihren Atem wieder weitestgehend zu kontrollieren, welcher bislang noch immer in kurzen heftigen Zügen den Körper der jungen Frau zittern ließ. Die Haltung, in die Charles sie gezwungen hatte, machte das dumpfe, protestierende Pochen nicht besser, stattdessen schien sich der Schwerpunkt ihres Leidens nun auf ihren Rücken zu verlagern, der sie mit einem schmerzhaften Ziehen an die ungesunde Position erinnerte, in der sie sich sehr lange befunden hatte.
"Es ... geht schon ...", presste sie aus bleichen Lippen hervor und rang sich ein halbherziges Lächeln ab, das ihr die Tränen in die Augen steigen ließ. "Ich ... hab es wohl nur ... übertrieben."

"Bleib ruhig meine Kleine..." meinte Charles leise, strich Coreen sanft durchs Haar.
"Wir werden von nun an alle Aufregung von dir fernhalten. Wir bringen dich von hier weg irgendwo an einen ruhigeren Ort - du darfst aber nicht viel reisen. Frische Luft brauchst du und Eisenwasser..." er strich sich durch seine Haare.
"Du darfst dich nicht mehr aufregen, dich nicht überanstrengen Coreen ich meine das Ernst! Wir bringen dich fort von hier, sonst verlierst du das Kind!"

"Der Schatten und die Gilde ...", begehrte sie leise auf und fixierte Charles einen Moment lang während sie die Tränen wegblinzelte und ihre Sicht sich nach und nach wieder klärte - Schemen sich in klare Konturen wandelten und auch ihr Verstand nach und nach sein Augenmerk von den Schmerzen abwandte und zurück zu dem Thema des Gesprächs kehrte, das Charles zuvor begonnen hatte. Sie wollte nicht fort von hier, insbesondere nicht, wenn sie befürchten musste, dass bereits ein paar Stunden später erneut die Attentätergilde vor ihr stehen und versuchen würde, sie zu töten, nachdem sie von dem Schatten den Befehl dazu erhalten hatten - bereits der Gedanke daran, dass sie erneut in ein dunkles Loch geworfen würde, ließ sie schaudern und die Furcht in ihr zurückkehren, die sie all die Jahre nicht so stark empfunden hatte, wie in diesen Momenten.
"Es geht schon, Charles", versuchte sie es erneut und löste ihre den verkrampften Griff ihrer Finger um das Holz ehe sie vorsichtig in eine aufrechte Haltung zurückkehrte. "Es war nur ein wenig viel ... der Angriff, das Gespräch mit Farim und sein fester Glaube, wir würden verlieren und dann Destelle ..."

"Alles ist gut Coreen, wir werden all dies überstehen" meinte Charles leise, strich ihr eine verirrte Haarsträhne hinters Ohr, kniete sich damit er ihr in die Augen Blicken konnte
"Dann bleib hier, aber schone dich! Ich werde dich mit einer Kutsche und unter Zwang abholen lassen wenn du nicht auf mich hörst! Du bist zu zweit Coreen, du darfst - nein du musst eine gewisse Schwäche zugeben wenn sie da ist verstehst du?"

Ein halbherziges Lächeln war Coreens Antwort auf die Worte des Arztes, dann erhob sie sich von ihrem Platz, schwankte einen Moment bedrohlich ehe sie sich wieder fing und die Zeit fand, ihren Kreislauf und die Schwäche zu verfluchen, die sie nicht mehr verbergen konnte. Womöglich hatte Charles wirklich Recht mit dem, was er sagte und es wurde Zeit, dass sie sich daran gewöhnte nicht mehr so weitermachen zu können, wie sie es all die Jahre getan hatte.
"Ich werde auf mich achten", versprach sie ihm und straffte die Haltung wieder ehe ihr Blick zu Alvias hinüber huschte und ihn noch einmal genauer musterte. Der Schlag, den er Destelle versetzt hatte, war längst noch nicht vergessen, doch sie wagte es nicht jetzt etwas darüber zu sagen und so senkte sie die Augen rasch wieder, wandte ihre Aufmerksamkeit zurück zu Charles und nickte noch einmal bekräftigend als sie den Zweifel in seiner Miene erkannte.
"Entschuldigt mich, aber ... ich brauche ein wenig frische Luft ...", entschuldigte sie sich mit leiser Stimme, die nicht ganz so fest klang, wie sie es sich gewünscht hatte und trat zu dem Zelteingang hinüber, dieses wenig später verlassend.

tbc: See

Cynric stapfte durch den die aufgewühlte Erde, versuchte dabei die Pfützen die sich innerhalb von wenigen Sekunden gebildet hatten sich umgehen. Er war vor ein paar Minuten zusammen mit Scar im Heerlager angekommen, jedoch sollte sich dieser vorerst Sorgen um sich selbst machen. Sein zertrümmerter Finger konnte schließlich zu einr tödlichen Gefahr werden wenn sich diesen nicht bald ein fachkundiger ansah. Cynric blickte kurz gen Himmel, vereinzelt zuckten Blitze zwischen den Wolken hin und her, doch Größenteils nahmen ihm die dicken Regentropfen die Chance auch nur irgendetwas zu erkennen. Er verzog leicht den Mund und fuhr sich durch die durchnässten Haare. Mit einem mal wurde ihm bewusst in was für einer Situation er war. Es schüttelte ihn und er fing an zu zittern. Cynric schlang beide Arme um seinen kalten Leib und stapfte weiter durch die Dunkelheit, bis er vor einem Zelt stehen bleib, das seine Aufmerksamkeit weckte. Zwei Wachen standen vor dem Eingang in dem es Warm und trocken Aussah. Warte... Coreen? Murmelte der junge Mann und legte den Kopf schief, glaube er doch gerade eben die junge Königin gesehen zu haben. Aber was sollte sie hier in dem Heerlager an der Front machen?
Entschuldigen sie, wem gehört dieses Zelt? Fragte er eine der zwei Wachen.
Dem Herrn König Alvias und seiner Gattin Coreen Armar. Antwortete dieser.
Nun... ich kenne sie und würde mich gerne mit ihr unterhalten. Doch die Wache schüttelte nur den Kopf.
Coreen?! Rief Cynric, von der Vorstellung gepackt endlich ins trockene zu kommen.

Stirnrunzelnd hob die junge Frau den Kopf und sah zum Eingang des großen Zelts hin, horchte zwischen dem Prasseln des Regens und dem lauten Grollen des Donners hindurch während sie auszumachen versuchte, ob soeben wirklich jemand ihren Namen gerufen hatte oder sie sich nur getäuscht hatte. Langsam ließ sie die Hand, die das Tuch, mit dem sie ihre Haare getrocknet hatte, gehalten hatte, sinken und legte es zur Seite ehe sie sich erhob, den dünnen Umhang enger um ihre Schultern ziehend als sie zum Eingang des Zeltes hin trat und der kalte Nachtwind sie frösteln ließ.
Zwischen dem Schleier, den der hinabprasselnde Regen verursachte, konnte sie die zwei bulligen Gestalten der Wachen erkennen, die das Zelt bewachten, welche offensichtlich in ein Gespräch mit einem deutlich jüngeren Soldaten vertieft waren. Ein jüngerer Soldat, dessen Gesicht ihr nur allzu bekannt vorkam und eine dunkle Vorahnung in ihr aufkeimen ließ. Was zum Geier tat Cynric hier, wo er doch eigentlich in Ceunon im Kerker sitzen sollte?
"Lasst ihn durch", wies sie mit fester Stimme an und verbarg ein leises Seufzen, als ihr bewusst wurde, dass dieser Tag für sie mit weit mehr bösen Überraschungen gespickt war, als sie es befürchtet hatte. Cynric musste eine verdammt gute Erklärung haben, weshalb er hier war, wenn er nicht endgültig wegen Verrat am Galgen baumeln wollte.

Cynric nickte dankend, zog den Kopf ein Stück weit ein und sah mit hochgezogenen Augenbrauen zu Coreen. Er hatte ein leichtes Lächeln im Gesicht und musste sich jeglichen Kommentar über Coreens Bauch verkneifen, der nun langsam die Schwangerschaft deutlich machte. Danke das du mich eingelassen hast, es ist bitter kalt draußen und mit den nassen Sachen hätte ich mir wahrscheinlich den Tod geholt. Ja warum schaust du denn so verwirrt? Der Hauptmann deines Mannes hat mich aus er Zelle geholt weil er unbedingt antworten haben wollte, ich bin lediglich gefolgt und schlussendlich hier gelandet.
Abwehrend hob er die Hände und schüttelte die Hände. Aber das wichtigste zuerst. Wie geht es dir?

Abwehrend hob Coreen die Hände, versuchte die Informationen zu verdauen, die Cynric ihr soeben innerhalb einiger weniger Sätze gegeben hatte und diese in die richtige Reihenfolge zu bringen, damit auch ihr müder Verstand all das begriff. Die Frage nach dem, weshalb sie so irritiert drein sah, hätte er sich sparen können angesichts der Tatsache, dass Cynric der Verrat vorgeworfen worden war und er trotz alledem ohne Begleitung durch das Lager spazierte.
"Wo ist Scar?", fragte sie statt auf die Frage einzugehen, die er ihr gestellt hatte und trat zu einem der Stühle hinüber, um sich wenig später darauf sinken zu lassen und die Arme vor der Brust zu verschränken während sie die triefende Gestalt Cynrics genauer ins Auge fasste, den Dreck und die Schrammen in seinem Gesicht musternd. "Was ist passiert, Cynric? Und du tust gut daran mir alles rasch zu erklären ..."

Scar ist im Lazarett und versorgt sein kaputten Finger. Cynric räusperte sich kurz und schüttelte sich aufgrund der Kälte leicht. Nun was passiert ist... Ein paar Stunden nach dem ich eingekerkert wurde hatte mich Scar aus meiner Zelle befreit. Er wolle zusammen mit mir und ein paar seiner Männer die Katakomben von Gil´ead durchstöbern da meine Erinnerungsfetzen dies mehrfach andeuteten. Nunja dort sind wir auch gelandet und irgendwie in die Hände des Feindes geraten, um genau zu sein dadurch das Scar wohl das Abwassersystem in Gang gesetzt hat. Jedenfalls wurden wir direkt in die Hände der Attentätergilde gespült und von dieser gefoltert. Ich bin mit ein paar Prellungen und Brüchen davongekommen, aber Scars kleiner Finger ist nicht mehr zu gebrauchen. Als sie uns in eine Zelle gesteckt haben kamen meine Erinnerungen langsam wieder zurück. Ich hatte lange Zeit unter der Gilde gedient, ihr letztendlich jedoch den Rücken zugekehrt da mir die Ansichten zu rabiat wurden. Nun ich wollte ihr vor meinem Ausstieg noch so viel Schaden wie möglich zufügen, das haben sie allerdings bemerkt und mich so zugerichtet wie die mich vorgefunden hast. Der Rest ist schnell erzählt. Ich fand eine lose Stelle in der Wand die schlecht zugemauert war und bin durch diese zusammen mit Scar geflohen.

Langsam löste sie die Arme aus der Verschränkung wieder, um sich wenig später mit beiden Händen über das Gesicht zu fahren. Das, was er erzählte von der Kanalisation und Gil'ead kam ihr mehr als bekannt vor, aber was während ihrer Abwesenheit geschehen war, musste Cynric nicht wissen und so gab Coreen im ersten Moment nur ein leises, undefinierbares Geräusch zur Antwort und deutete mit der Hand zu dem kleinen Feuer, das für die Wärme in dem großen Zelt sorgte.
"Wärm' dich ruhig auf, du siehst aus, als könntest du ein wenig Zivilisation gebrauchen", sagte sie mit leiser Stimme und seufzte leise während sie versuchte anhand seiner Mimik und Gestik abzuwägen, ob er ihr soeben die Wahrheit erzählt hatte oder nur dafür gesorgt hatte, dass seine Tarnung aufrecht erhalten blieb. Scar war nicht hier, um die Erzählung des jungen Mannes zu bestätigen und die Gilde hatte bereits deutlich gemacht, dass sie ständig wusste, wo sie sich befand. "Der Anführer der Gilde ist ein Schatten, der sich mit den Fyhamern zusammen geschlossen hat um eine neue Ordnung aufzubauen", fügte sie nach einer Weile, in der Stille zwischen ihnen beiden gelegen hatte hinzu und brachte ein schiefes, halbherziges Lächeln auf ihre Züge.

Hemióne hatte dem Gespräch der beiden schweigend gelauscht. Sie saß auf einem Stuhl am Feuer in der Mitte des Zelts, in der Hand hielt sie ein Glas Rotwein. Ihre Haare waren inzwischen wieder trocken, doch nicht mehr so voll wie zuvor. Sie trug ein weißes Kleid, und war vollkommen entspannt. Bis sie hörte wer die Gilde führte.
Sie prustete den Rotwein in das Feuer und eine kleine Stichflamme ging daraus hervor. "Ein Schatten!", flüsterte sie aufgebracht, damit die Wachen vor dem Zelt sie nicht hörten. "Du hast mir nie gesagt dass ein Schatten diese Gilde führt. Das hättest du während unseren Gespräches ruhig einmal erwähnen können!". Hemióne war völlig aus der Fassung geraten. Ein Schatten der sich mit den Fyhamern verbündet hatte. Schlimmer konnte es kaum noch kommen.

Cynric starrte ungläubig zu der Elfe. Er verstand kein Wort von dem was sie sagte, doch hörte er in ihrer Stimmlage eine gewisse Überraschung.
" Ich weiß wen du meinst. Asper. Schreckliche Gestalt... etwas krankeres ist mir noch nie unter die Augen gekommen. Das er sich mit dem Feind verbündet hat wundert mich nicht. Er ist nur sich selbst und seiner fanatischen Vorstellung von Chaos treu. " Er rieb sich die Hände und stellte sich näher ans Feuer. "Wenn dir dein Leben und das deines Kindes lieb ist dann geh ihm aus dem Weg. Er wirkt verrückt und selten wirklich intelligent, doch ist er älter als alle Schatten von denen ich bisher gehört habe. Er weiß viel und macht sich einen Spaß daraus andere Leute leiden zu sehen. "
Cynric versuchte ein aufmunternd zu Lächeln und Coreen damit die Angst zu nehmen, doch daran hätte nicht einmal er selbst geglaubt. " Wenn Asper dem Feind hilft stehen uns finstere Zeiten bevor. Leid und Qual, Mord und Totschlag, all das ist sein Spezialgebiet und er wird es über dieses Land bringen wie die Pest. Jetzt wo er eine starke Front hinter sich hat, hat er schließlich keinen Grund mehr aus den Schatten zu agieren." Seine Stimme wurde leiser, fast melankolisch. Dann jedoch schien ihn etwas aus seinem Trübsinn zu reißen. " Wie ist es dir ergangen? Warum bist du überhaupt hier und nicht in Ceunon?"

"Ich wollte niemandem unnötig Angst einjagen, deshalb habe ich nichts gesagt aber es scheint jetzt ohnehin gleichgültig zu sein ..."
Coreen warf lediglich ein entschuldigendes Lächeln zu Hemióne zurück ehe sich ihre Aufmerksamkeit rasch wieder zurück zu Cynric hinüberlenkte und sie ein bitteres Lachen ausstieß, das sich fremd in ihren eigenen Ohren anhörte. Vorsichtig streckte sie die rechte Hand aus und wies auf die schwarzblauen Blutergüsse, die sich an den Gelenken ihrer gesamten Hand abzeichneten. "Danke für deine Warnung, Cynric aber sie kommt zu spät", antwortete sie ihm und zog die Hand wieder zurück, verbarg sie wieder hinter dem dicken Stoff ihrer Kleidung während sich das Lächeln auf ihrem Gesicht verlor.
"Asper, wie du ihn nennst, und seine Männer haben die Patrouillen in Ceunon ausgeschaltet und haben das Schloss für eine Zeit lang an sich gerissen. Sie haben Jaskier, Olo und mich mitgenommen", begann sie dann mit leiser Stimme zu erzählen und ließ ihren Blick zu dem lodernden Feuer wandern, beobachtete die kleinen Funken, die an dem Holz leckten und einen sanften Tanz aufführten, welcher ihre Gedanken langsam zur Ruhe kommen ließ. "Nach Gil'ead in ihr Versteck. Asper kam zu mir und wollte, dass ich mich ihnen anschließe, dass ich Alvias verrate, wenn ich nicht wollte, dass er ihm und dem Kind das Leben nimmt. Ich hab' ihn reingelegt, ihn glauben lassen, ich würde ihm dienen und er ließ uns gehen, nachdem er mir sagte, ich solle dafür sorgen, dass der Pass für die Fyhamer geöffnet wird", fuhr sie fort. "Die Hochmeisterin der Reiter brachte uns hierher und wenig später tauchte der Schatten erneut hier auf und bedrohte uns. Er ist jetzt verschwunden aber nicht tot ... und er weiß, dass ich ihn belogen habe."

Hemióne hatte den letzten Schluck Wein hinunter gekippt, nachdem sie erfahren hatte dass ein neuer Schatten sie bedrohte. Die Zeiten waren gefährlich, jedoch meinte sie nicht nur jetzt sondern auch die letzten Jahre, denn immer öfter kamen Schatten über Alagaesia hatte Hemióne das Gefühl. Klirrend zersplitterte ihr Glas auf dem harten Boden, als sie es losgelassen hatte, erschrocken über die Tatsache, dass der Schatten sogar hier im Lager gewesen war.
"Wieso? Wieso erfahre ich erst jetzt davon? Ich mache dir kaum einen Vorwurf, doch warum erzählte mir niemand anderes dass ein Schatten hier im Lager!?", fragte Hemióne. Sie schlug die Beine übereinander und sprach ein Wort in der Alten Sprache, woraufhin das Glas sich wieder zusammen setzte und in ihre Hand glitt. "Jetzt siehst du wieso ich Informanten haben wollte. Ich werde dir ab jetzt zwei Elfen als Begleiter mit schicken. Sie werden dir in einiger Entfernung folgen und vor Zelten warten, doch werden sie immer nahe genug sein um dir zur Hilfe zu eilen sollte es notwendig sein.", erklärte Hemióne und hoffte keinen Widerspruch von Coreen zu hören, denn dann würde sie sich ihr sicher nicht widersetzen können.

"Du kannst dich glücklich schätzen noch am Leben zu sein Coreen. Normalerweise befasst er sich nur mit Gefangenen wenn er ihnen einen grausamen Tod verschaffen möchte. Ob es nun an deinem Titel oder aber an deiner Art lag, irgendetwas hat ihn davon abgehalten dir einen dauerhaften Denkzettel zu geben. Doch freue ich mich für dich und deinen kleinen Begleiter, hoffentlich geht es ihm oder ihr gut. Doch..." Cynric seufzte und fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht. "Du solltest nun äußerste Vorsicht walten lassen. Asper ist niemand der sich einfach so abwimmeln lässt. Wenn er einmal Blut geschmeckt hat lässt er nicht von seiner Beute locker, allein sein Ego würde es nicht zulassen dich einfach so davon kommen zu lassen." Zitternd rieb er die Handflächen noch ein paar Augenblicke gegeneinander. Langsam bekam er wieder ein Gefühl in seinen Zehen. Auch wenn dies lediglich ein stechender Schmerz war. Zu dem Worten der Elfe gab Cynric keinen Kommentar ab. Dies war nicht sein Bier. Er wusste nicht was diese Frau für Privilegien hatte und welchen Status so genoss.
"Nun Coreen eine Frage bleibt aus. Du weißt nun genug über mich um ein Urteil fällen zu können. Scar wollte dies nicht tun da er nicht derjenige war de über mich richten sollte. Doch will ich endlich Gewissheit was nun mit mir passiert. Das dass was ich gesagt habe wahr ist steht außer Frage, Scar wird dir alles bestätigen können wenn er zurück aus dem Lazarett ist. "

"Was mit dir geschieht?", echote Coreen und hob nach einer Weile wieder den Blick von den Flammen um die Augen zurück auf Cynric zu richten, in dessen Gesicht sie Furcht über die nächsten Worte erkannte, die sein Schicksal besiegeln würden. Die Ungewissheit darüber, was ihn erwartete, hatte in seiner harten Miene Spuren hinterlassen und ließen den sonst so aufgeschlossenen jungen Mann ernster und älter wirken, als er es wirklich war. "Nichts", entschied sie und hob die unverletzte Hand, um sich eine der langen dunklen Strähnen ihrer Haare zurück hinter das Ohr zu streichen, die ihr inzwischen ob der vorherigen Nässe durch den Regen, in großen Wellen wirr über die Schultern fielen. "Cynric, du hattest so oft bereits die Gelegenheit sowohl Alvias, als auch mir und so vielen Fürsten etwas anzutun. Ich habe dir gesagt, dass ich dir glaube aber du bist hier und du hast uns noch nie etwas Böses getan", begann sie leise mit ihrer Erklärung und brachte ein halbherziges Lächeln zurück auf ihre Züge ehe sie sich gegen die Lehne des gepolsterten Stuhls sinken ließ und der schmal gewordene Körper der jungen Frau ein Stück in sich zusammen sank, die Stärke verlor, die sonst von ihm ausging. "Dir wird nichts geschehen."
Langsam glitt ihr Blick zu Hemióne hinüber und ihre Augen huschten über die angespannte Gestalt der Elfe, die einen völligen Gegensatz zu ihr selbst bildete, und nickte dieser sanft zu, dankbar für ihr Angebot, das sie in diesen Zeiten nur allzu gern in Anspruch nahm. Es bedeutete für sie und das Kind Sicherheit und eine Möglichkeit ein wenig Sorglosigkeit zu empfinden. "Ich danke dir dafür", formte sie ihren Dank in Worte und fuhr sich über die müden Augen, blinzelte ein paar Mal bis sich ihre Sicht wieder klärte und die Schemen zu klaren Konturen zurückkehrten. Sie war müde und erschöpft, doch sie wagte es auch nicht nun einfach zu schlafen, befürchtete sie doch in jeder Sekunde erneut von Asper geweckt zu werden, der sich eine neue Art der Folter für sie ausgedacht hatte.

Erleichter atmete Hemióne aus und ging in Gedanken bereits Personen durch die als Wächter für Coreen in Frage kamen. Doch schnell endete sie mit diesen Gedanken, dafür war es einfach zuspät. Sie ließ sich auf ihren Stuhl sinken und betrachtete das leise knisternde Feuer. Einige Funken lösten sich aus den Flammen und flogen hinauf durch eine Öffnung in der Zelt Decke hinaus in die Dunkelheit.
"Wenn ihr einmal Mitglied dieser Attentäter ward, dann müsstet ihr doch wichtige Informationen haben die uns helfen könnten, oder nicht?", fragte Hemióne plötzlich. Wenn sie ihn nicht umbrachten sollten sie soviele Informationen aus ihm heraus holen wie nur möglich. Hemióne stellte ihr Glas auf einen Tisch und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Habt dank. Wenn es mit gestattet ist würde ich nachher gerne noch unter vier Augen ein paar Worte mit euch wechseln Herrin." Eine Verbeugung folgte und der junge Mann sah zu der Elfe. „Informationen?“ Fragte Cynric leise nach, auch wenn er die Frage klar und deutlich verstanden hatte. Er schloss kurz die Augen und versuchte das, was ihm alles durch den Kopf schoss in klare Worte zu fassen. Doch dies war leichter gesagt als getan. Vieles davon betraf auch ihn selber und so sehr er Coreen auch vertraute, einige Dinge sollten seine alleinige Erinnerung bleiben. „Es ist eine Gilde die schon lange besteht, länger als ihr euch vorstellen könnt, auch wenn sie sich bisher im Untergrund gehalten hat. Wie ich schon sagte, sie will Anarchie und Chaos. Sie sind schwer zu fassen da sie mehrere Sitze haben, doch war Gil´ead immer eine ihrer größten. Asper ist der Kopf dieser Bande von Verrückten, schickte früher willkürlich Leute los um kleinere Adlige oder Fürsten zu töten was danach so gut wie immer als Unfall abgetan wurde. Es beunruhigt mich das sie nun einen solchen Coup wie in Ceunon wagen. Es kann nur bedeuten das sie bereit sind sich ihren Feinden offen zu stellen, die Fyhamer waren wahrscheinlich nur eine Gelegenheit die sie sich nicht entgehen lassen wollten. Man kann schlecht mit diesen Leuten reden. Diejenigen deren Wille nicht komplett gebrochen ist, leiden unter ständiger Kontrolle und Aufsicht. Wovon die Betroffenen leider nun selten etwas mitbekommen. Die Gilde bekommt neue Mitglieder in dem sie geeignete Männer verschleppen und dieser einer Gehirnwäsche unterziehen oder aber sie stehlen Kinder aus der Krippe, wobei dies inzwischen zur Seltenheit geworden ist da sie in diesen Fällen auf die Erziehung des Kindes vertrauen, die größtenteils darauf ausgelegt ist das nur das Recht des Stärkeren Potenzial und Zukunft hat. Die Männer, manchmal auch Frauen werden in allen Waffengattungen und oftmals auch in der Magie unterwiesen. Dies kommt ganz darauf an wo die Stärken des jeweiligen Kandidaten liegen. Wenn man die Grundlagen beherrscht und das Aufnahmeritual überstanden hat, ist man ein fester Teil der Gilde und dient ihnen normalerweise bis zum Tode.“
Er räusperte sich kurz und genoss für einen Moment die wohlige Wärme die das Feuer ihm gab, ehe ein anderer Gedanke ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagte. „Der Sitz in Gil´ead, der inzwischen wahrscheinlich als Hauptsitz fungiert ist nur schwer zu finden. Selbst ich hatte Mühe dort wieder heraus zu kommen. Wobei das nicht einmal das größte Problem ist. Man kann mit keiner großen Armee dort auftauchen, sie würden durch die Verlegung eines Schottentores einfach weggespült werden wie Scars Männer. Doch selbst mit einer kleinen Gruppe wird man unweigerlich bemerkt. Es gibt da jemanden… oder besser gesagt etwas was in diesen Gängen Zuhause ist. Ich habe ihn erst vor kurzen wieder gesehen. Thorki, scheußliches Wesen. Sicher er mag ein Mensch sein doch sind die Wesenszüge der menschlichen Rasse in ihm schon lange verblasst. Ich kenne nur Geschichten über ihn doch es heißt er ist schon als Kind in den Katakomben von Gil´ead aufgewachsen. Kennt jede Spalte und jeden Riss in der Decke. Er redet mit den dort lebenden Tieren und frisst alles was Essbar ist. Nun er half der Gilde dort unten Fuß zu fassen und wacht noch immer über die Ein und Ausgänge, eigentlich über alles was sich innerhalb der Kanalisation bewegt. Auffallen würde man also immer, wenn man diese Zuflucht stürmen würde.“