Der grüne Saal

"Was gehd euch das denn an?" sie schüttelte den Kopf.
"Gehd mir aus den Augen!"

"Ihr seid unhöflich", kam es plötzlich unvermittelt von der anderen, die die Augenbrauen zusammenzog und ein undefinierbares Lächeln zeigte. "Aber ich gehe davon aus, dass Ihr bereits darauf hingewiesen wurdet."

"Durch einen Dich! Einen verdammden Dich!" sie schüttelte den Kopf.
"Ich werde sofort Heim reisen! Und die Hochzeid mid meinem Verlobden arrangieren!"

"Natürlich, ich werde es Vater und den anderen Herrschern ausrichten", gab Astaya zur Antwort ehe sie sich erneut verneigte. Auf der einen Art konnte sie Klianaessas Wut verstehen - die andere war eine Fürstin, die recht unsanft behandelt worden zu sein schien, aber auf der anderen Art vermochte sie sich nicht vorzustellen, was der Auslöser für eine solche Handlung gewesen sein musste.

"Na, das hat sich aber auch schon wieder geleert"
Khalid stand im Türrahmen des Raumes und schaute die beiden Frauen mit einem charmanten Lächeln an.
"Vorhin war hier noch wesentlich mehr los... die Damen", er tippte sich gegen den nicht vorhandenen Hut und trat ein.
"Ihr könnt mir nicht zufällig sagen, ob die Versammlung gerade abgehalten wird oder bereits beendet wurde?"

Astaya lächelte schwach, neigte den Kopf vor dem anderen. "Khalid Nemdonson - man hört viel in diesen Hallen über Eure Werke", begrüßte sie den Älteren ehe sie den Kopf auf seine Frage hin schüttelte. "Ich muss Euch enttäuschen, es ist nicht bekannt, ob die Versammlung bereits ihr Ende gefunden hat oder ob die Herrschaften noch immer diskutieren."

"Schade..." Khalid ließ sich auf einem der leeren Betten fallen und holte aus einer seiner Taschen einen Apfel heraus.
"Habt ihr Hunger? Ich hätte noch einen Apfel", sagte er, während er seinen eigenen kurz abwischte und biss anschließend hungrig hinein.
Der Tag war heute bereits erstaunlich anstrenend gewesen, nicht nur wegen seinem Training, sondern auch während den vorherigen Ereignissen.

"Nein danke", lehnte die Jüngere mit einer kurzen Handbewegung ab und entfernte sich ein Stück weiter von Klianaessa um diese nicht erneut zu stören. Die andere schien noch immer schlechte Laune zu haben und Astaya hatte Mühe sich ein leises Lachen angesichts ihres Näselns zu verbeißen.

Khalid zuckte mit den Schultern und schluckte seinen Bissen hinunter.
"Wer seid ihr eigentlich? Ihr beiden?", fragte er unverblümt, nachdem er beide kurz gemustert hatte. Beide hatte er einmal gesehen, vermutlich hier in dem Palast, dennoch konnte er sich an keinen Namen entsinnen.
"Meinen Namen scheint ihr ja schon zu kennen"

"Die Dame, welche dort zetert ist die Lady Klianaessa, Fürstin von Dras-Leona und Tochter des kürzlich verstorbenen Grafen Vladimir", stellte Astaya die andere mit einem wissenden Lächeln vor ehe sie sich selbst erneut verneigte. "Astaya Pentragon lautet mein Name. Ich verfüge über keine Titel."

"Nun, ich ebenso nicht", antwortete Khalid und zuckte locker mit seinen Schultern. Er winkte ab und schaute dann zu Klianessa hinüber.
Die Tochter dieses verrückten Grafen? Du liebe Zeit...
hoffentlich lag der Wahnsinn nicht in der Familie...
"Immerhin hat man es scheinbar gnädig mit ihr gemeint. Sie sieht ihrem Vater zum Glück nicht wirklich ähnlich", murmelte er schmunzelnd, wobei er so leise sprach, das höchsten noch Astaya ihn verstehen konnte.
"Weshalb seid ihr hier, Astaya? Seid ihr verletzt, oder wartet ihr hier auf jemanden?"

"Ich wollte mich nach dem Wohlergehen der Lady erkundigen, jedoch scheint diese ... zu sehr damit beschäftigt zu sein sich über das Verhalten des Herrn Frooks zu beschweren", erklärte sie schlichtweg und hob ebenfalls die Schultern, zweifelnd den Kopf über die Schulter zurück zu Klianaessa drehend.
"Nein, wahrlich nicht. Nur ihre Ansichten scheinen denen ihres Vaters zu gleichen", stimmte sie ihm schließlich ebenso leise zu.

"Wirklich? Ohje... grausige Aussicht, hm?" Khalid lachte leise und schüttelte sich dann. Zugegeben, die junge Lady war recht hübsch und machte auf den ersten Blick nicht den Eindruck, als könne sie mühelos in die Fußstapfen ihres Vaters treten.
Andererseits, was sagte schon der erste Eindruck über einen Menschen aus?
"Wenn man von solch einem Vater erzogen wird, kann ich mir das gut vorstellen... vielleicht braucht sie einfach ein wenig Zeit, um zur Besinnung zu kommen"

"Ich habe ihre Anwesenheit in diesem Saal schon öfter wahr genommen - ich denke bei all den Dingen, die ihr wiederfahren sind, nicht zur Besinnung zu kommen grenzt beinahe an ein Wunder."
Astaya seufzte leise, erinnerte sich an das, was sie von den Geschehnissen mit Klianaessa gehört hatte. Davon, dass es wohl schon das zweite Mal gewesen war, dass Julian ihr die Nase gebrochen hatte oder sie ohnmächtig zusammengesunken sei.

"Dann hoffen wir mal auf das beste. Das Land kann noch einen wie Vladimir nicht gebrauchen... vor allem so bald nicht", meinte Khalid und biss erneut in seinen Apfel.
Er lehnte sich auf dem Bett zurück und schaute sich in dem Raum um.
Die Elfe war nicht mehr da. Und dieser Elf, das Ratsoberhaupt, auch nicht.
"Ich denke... ich werde hier eine Weile warten... früher oder später wird uns schon die Kund ereilen, dass die Versammlung beendet wurde"

"Nun denn, Khalid, so werde auch ich mich verabschieden und wieder meiner eigenen Wege gehen", kam es nach einer Weile von der Jüngeren, begleitet von einem wissenden Lächeln. Noch während sie sich abwandte und die ersten Schritte gen Ausgang machte folgte noch ein leises "Ich bin mir sicher unsere Wege werden sich erneut kreuzen und Ihr werdet erstaunt darüber sein, wann es soweit sein wird."
Dann war sie auch schon um die nächste Ecke verschwunden.

tbc: das vierte Gästezimmer

Und weg war sie. Khalid warf den gründlich angenagten Apfel aus einem der Fenster und schielte dann möglichst unauffällig zu Klianaessa hinüber. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, bei ihrem Anblick und der Vorstellung, dass sie ganz nach ihrem Vater kommen könnte.
Kurzfristig rappelte er sich wieder auf, sprang von dem Bett hinunter und verließ den grünen Saal.
Vielleicht würde er mal bei Versammlungsraum vorbei schauen...


tbc; mal schauen

Leise räusperte sich der Wachmann bevor er die Türe aufschob und den Blick auf den grünen Saal gab. Alle Betten bis auf eines waren leer, gemacht, frisch bezogen – nur das eine nicht. Dort lag der Leibwächter der Königin, deutlich waren bereits die Anzeichen des Todes an ihm zu sehen und zu erkennen; nicht mehr lange und man würde ihn zu Grabe tragen.
Die Haut Khalids war erblasst, die Lippen hatten einen ungesunden Blaustich und seine Augen waren geschlossen. Hier und da waren Schnittwunden zu erkennen, Stichverletzungen und Blut.
„Majestät...“, murmelte der Wachmann und trat zurück, sodass Runa zuerst durch die Türe treten konnte.

Runa zuckte beinahe wie unter einem körperlichen Schlag zusammen, als sie Khalid auf dem Bett sah.
Sie zögerte, verkranfte sich sichtlich und musste sich dann zwingen an das Bett heran zu treten.
Sie war froh dass sämtliche Wachleute hinter ihr zurück blieben, ihr Atem ging ohne hin schon flach, war wie abgedrückt.
Wortlos trat sie an das Bett heran, blickte auf Khalid hinab.
Mit zitternden Händen strich Runa ihm über die Wange, den Nasenrücken entlang über die Lippen- und sah dann die Kette an seinem Hemdkragen hervorblitzen.
Vorsichtig strich sie den Stoff zur Seite, ihr Blick fiel auf den Anhänger und Runa schwindelte.
Längst schon trübten Tränen ihre Sicht, die ersten Tropfen vielen auf ihre Hände, auf Khalids Leib und so sehr sie sie auch wegstrich- es kamen immer neue.
Als wäre der Anhänger das letzte Zeichen gewesen, schluchtste Runa hörbar auf und sank dann neben dem Bett in die Knie.
Ihre Finger krallten sich um Khalids Arm, leblos lag er da, einfach so.
"..."
Sie wusste gar nicht was sie sagen sollte, was sie sagen konnte, der Schmerz und die Trauer, die von ihr Besitz ergriffen hatte, machten jeden Versuch eines klaren Gedankens zunichte.
Betretene Stille herrschte, unterbrochen von Runas Schluchtsern.

Nachdem Azula sich etwas frisches angezogen und ihre blutverschmierten Kleider in der Wanne in Feuer hat aufgehen lassen, bis davon nur noch Asche übrig war, hatte sie sich auf die Suche nach der Königin gemacht. Zuerst hatte sie bei ihrem Zimmer geklopft, doch rief sie niemand herein und ein Wachmann, der vorbei gekommen war, unterrichtete sie von dem schrecklichen Ereignis. Von dem sie schon längst wusste. Aus erster Hand...
Natürlich heuchelte sie trotzallem Mitgefühl und Trauer und erkundigte sich nach dem Wohlbefinden der Königin. Man verwies sie auf den grünen Saal, wohin man Khald scheinbar gebracht hatte.
Dort würde sie auch die Hoheit finden, also ließ sich Azula von dem Wachmann zu ihr führen.
Vor der Türe blieb sie dann schließlich stehen und klopfte zögerlich an.
„Königin Runa?“, raunte sie mit warmer, samtener Stimme und trat dann langsam ein.
Ihre Finger fuhren flüchtig durch ihr dunkles Haar, während ihre Augen den Raum absuchten.
Dann entdeckte sie Runa, zusammen gekauert vor der Leiche des Burschen, dem sie selbst das Leben genommen hatte.
„Mein Beileid, Runa“
Leise schloss sie die Türe hinter sich und ging daraufhin auf die Königin zu.

Stumm flossen die Tränen über Runas Gesicht, die sie schon längst nicht mehr aufzuhalten versuchte, ihre Schultern zuckten unter lautlosen Schluchtzern.
Die Hände in ihrem Schoß, die Finger um den Anhänger, welchen sie von Khalids Hals genommen hatte, verkrampft, kauerte sie dort und achtete nicht wirklich auf das, was um sie herum geschah.
Was war nur... passiert?
Wieso war es passert?
Und wer...."Wer...?", brachte die Königin mit brüchiger Stimme hervor, die erst jetzt den Kopf hob und in Azulas Richtung sah.

„Majestät... mein Beileid. Ich hörte so eben davon...“, sagte Azula, strich sich ihr dunkles Haar zurück, wobei sie bekümmert in das Gesicht der Königin blickte. Langsam trat sie auf Runa zu, wählte bedacht jeden einzelnen Schritt, ging nicht zu hastig, nicht zu langsam und kniete sich schließlich neben ihr nieder. Sacht streckte Azula ihre Hand aus und fasste behutsam nach der Schulter der Königin und drückte diese sacht.
„Er stand Euch nahe, nicht wahr? Das tut mir wirklich Leid... weiß man denn schon, wer...?“, fragte sie, wobei sie mit dem richtigen Tonfall abbrach. Alles genau geplant, oft geübt, sie war eben berechnend bis zum letzten Detail. Nicht umsonst hatten man sie hier her geschickt und mit diesem Auftrag zur Königin entsandt.

Langsam, beinahe ein wenig abwesend schüttelte Runa den Kopf, leckte sich über die Lippen.
"N-Nein...", setzte sie dann an, bewegte erneut sachte den Kopf- und schluchtzte dann wieder laut auf.
In einer Art verzweifelte Geste schlang Runa plötzlich die Arme um Azulas Hals, drückte sich an ihre Heilerin und vergrub das Gesicht an ihrem Hals.
Start zitterte der zarte Leib, der so lange am Boden gekauert hatte.
Azula gab Runa in diesem Moment einen Pol der Ruha- und einen Fixpunkt, da sich der Raum um sie zu drehen begann.

Sanft strich Azula durch Runas blondes Haar, legte ihren anderen Arm um den zierlichen Körper der Königin. Wie zerbrechlich sie ihr in diesem Moment schien. Einer Figur aus Glas gleich, wunderschön, glänzend, filigran, aber so schwach. Sie würde so schnell kaputt gehen... es bedarf nicht einmal großer Anstrengung. „Shh... shh... ich weiß, so etwas ist immer schrecklich...“, machte sie leise, ließ ihre Fingerspitzen über Runas Rücken tanzen, strich sanft über diesen, während sie leise mit ihr sprach.
„Doch, Majestät, Ihr müsst Euch stets vor Augen halten, dass das Leben trotz allem weiter geht... er hätte sicherlich nicht gewollt, dass Ihr so verzweifelt... er hatte Euch doch gewiss sehr gern. Da lag ihm Euer Wohl bestimmt am Herzen. So, wie es auch mir am Herzen liegt“

Runa lehnte sich dicht an Azula, schmiegte sich gerade zu an und sog die Wärme aus, die von Azula ausging- mental, wie auc körperlich.
Das Schluchtzen wurde leiser, wenngleich weder das Zittern noch die Tränen sich wirklich einstellten.
"I-Ich weiß", brachte Runa schniefend und stammelnd hervor, "Bestimmt nicht, aber... aber...".
Überfordert brach sie ab, während der nächste, Tränenreiche Krampf sie überfiel und den Kragen von Azulas Gewandt durchnässte.
"Er war doch... er war wie ein Bruder".
Runas rechte, die im oberen Bereich auf Azulas Rücken ruhte, war immer noch geballt; ihrer Fingernägel krallten sich in ihren Handteller. Sie umschlossen den kleinen Anhänger- das Stück, welches Khalid gehörte... gehört hatte, und dessen Gegenstück Runa noch immer bei sich trug.
" Es... er ist so kalt", hauchte sie gegen Azulas Hals, während langsam Erschöpfung auf Runa übergriff.