Der Thronsaal

Schon seit geraumer Zeit saß Astaya am Fenster und lauschte dem Geräusch das Windes, der pfeifend um das Gebäude herum zog und die Banner des Königshauses flackern ließ als seien sie sein liebstes Spielzeug. Die Nachricht vom Sieg war bereits vor einigen Tagen hier eingetroffen und die Menschen jubelten darüber, doch begann sie sich zu fragen, wie lange die Menschen noch jubeln würden - wie lange das Gelächter und die Freudenfeiern andauern würde bevor die Trauergesänge sie ersticken würden, wie es Wasser bei einer kleinen unscheinbaren Flamme tat.
Eine einzige Nachricht hatte sie von ihrem Vater erhalten - die, dass die Schlacht beendet war, Ethra vernichtet und die Prophezeihung erfüllt. Hoffnung war in seinen Worten mitgekommen und war wie ein kleiner Floh auf sie übergesprungen, doch die endlosen Tage, die danach kamen hatten jegliche Hoffnung wieder zerstört, denn die Stille hatte sie eingeholt.
Mehr aus dem Grund, weil die Diener sie gezwungen hatten, hatte sie wieder zu essen begonnen, nachdem sie sich tagelang geweigert hatte etwas zu sich zu nehmen, das mehr war als einfaches Wasser.

Erklang eine ihr all zu bekannte Stimme durch die große Halle.
Kharas hatte kaum aufgehört jenes Lied zu singen welches er auch immer gesungen hatte, als er auf Wandershcaftging da rannte er auch schon auf Astaya zu.
Umarmte sie, wollte sie nie wieder los lassen.
"Astaya..." presste er hervor, während Tränen seine Wangen hinab liefen.
"Es... es tut mir so leid, alles so leid!"

Nur mühselig war es dem Mädchen möglich von dem Fensterbrett zu rutschen, auf dem sie zuvor gesessen hatte und die Umarmung zu erwidern. War dies nur wieder eine Vision, wie sie sie in letzter Zeit so oft gehabt hatte oder war es ein Traum? Träumte sie überhaupt noch?
Sie wusste es nicht mehr mit Gewissheit zu sagen, doch für den Moment war es ihr gleichgültig, was es auch war, denn es bedeutete, dass alle Einsamkeit ein Ende gefunden hatte.

Kharas strich seiner kleinen Tochter sanft über das blonde Haar.
Er wollte sie nicht loslassen, verkrampfte seine Arme in den Stoff ihrer Gewandung, sog den Duft ein den sie verströmte.
"Ich bin wieder da Astaya..." meinte er nur, umarmte sie noch etwas fester.
"Ich bin wieder da, all das hat ein Ende!"

"Ich bin so froh dich wieder zu sehen", wisperte sie leise in den dreckigen Stoff seiner Kleider hinein und festigte ihren Griff um den Ziehvater noch einmal soweit es ihr möglich war während ihre Gedanken in ihrem Kopf routierten. Es gab so viel, was sie ihm erzählen musste und so viel von dem er vermutlich noch erzählen wollte ... Dinge, die Stunden in Anspruch nehmen würden. Stunden, die sie nur zugern opferte um sie mit ihm zu verbringen.

"Ich habe zuviel Tod gesehen Astaya..." flüsterte ihr Ziehvater ihr ins Ohr.
"Zuviele sind wegen mir gestorben..." er schüttelte den Kopf, unterdrückte nur mit Mühe weitere Tränen.
"Nie wieder.... wir werden Runa wieder ins Amt setzen und dann kehren wir zurück nach Hause - das versprech ich dir!"

Versprechen ... Versprechen waren nichts weiter als hohle Phrasen von denen sie beide wussten, dass er sie nicht halten würde. Vor Jahren hatte er ihr auch versprochen, dass sie immmer ehrlich zueinander sein würden und auch dieses Versprechen hatte er gebrochen, wissentlich und willentlich.
"Runa zurück in ihr Amt als Königin zu bringen wird Monate, wenn nicht sogar Jahre dauern", entgegnete sie und löste die Umarmung, ließ nur noch ihre Hände in den seinen ruhen während ihr Kopf gen Boden gerichtet war.
Die Monate, in denen er fort war, war auch Astaya reifer geworden, hatte sich hier, soweit es ihr möglich war um alles gekümmert und die Dinge erledigt, die sonst für ihren Vater liegen geblieben wären. Diese Dinge waren es schließlich auch gewesen, die ihr eine andere Sicht der Geschehnisse vermittelt hatten. Es waren Schreiben, Briefe gewesen, die ihr vorgelesen worden waren - Bittsteller, die hierher gekommen waren, weil ihnen etwas auf dem Herzen gelegen hatte und Astaya hatte es nicht über ihr eigenes gebracht sie wegzuschicken, weil Kharas in einem Krieg war. Das Leben hatte so normal wie möglich weitergehen sollen für die Menschen, die in den Städten lebten.
"Sie weiß nichts von den Geschehnissen des letzten Jahres und auch ihr Zustand ist noch immer nicht der Beste. Es wäre unvernünftig ein Volk, das gerade aus einem Krieg kommt, in die Hände einer unwissenden und überforderten Königin zu geben."

"Aber..." er schüttelte den Kopf.
Was sprach seine Tochter da? Hatte sie sich so sehr verändert in den Wochen des Krieges? Hatte er sich so sehr verändert?
Das Volk benötigte seine Königin und er... er benötigte endlich Ruhe.
Die Ruhe die Astaya und er verdient hatten, so lange - so lange war er für all das eingestanden, hatte Astaya vernachlässigt und beinahe ihr gesamtes Erwachsen-werden verpasst. Für ihn war sie noch immer das kleine, fünfjährige Mädchen....
Sanft strich er ihr über die Wangen. Sie war schön geworden, shcön auf ihre eigene, fremdartige Weise und er hatte es nicht gesehen, nicht bemerkt wie sie erwachsen - zur Frau geworden war.

Und nun stand er hier, verzweifelt und unwissend - blind für die Zukunft während sich auch sein Blick auf die Vergangenheit verklärte.
Hatte er sie verloren?
Verloren in seinem beständigen Kampf stehts das gute zu tun?
War er ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft?

Nein, nein so konnte - so durfte es nicht enden.
"Ich... du.
Du hast recht, ich kann es mir nicht so einfach machen" er seufzte.

Ich will, dass du an dich denkst und das tust, was für dich am besten ist. Vergiss das Schicksal und vergiss für einen Moment den nächsten Tag. Vergiss, wer du bist und was du für Pflichten hast - einen einzigen Tag lang. Bitte. Lebe. Nur einen einzigen Tag ...

"Ich werde Runa wieder helfen ins Amt zu kommen, sie unterstützen in den ersten Wochen. Und dann... dann werde ich aus der Arcanea austreten, mir ein kleines Haus bauen - vielleicht am Isenstar oder irgendwo in der Nähe des Meeres...." er seufzte, trat einen Schritt von seiner Ziehtochter weg, wusste er doch nicht wie sie auf seine Ankündigung die Arcanea zu verlassen reagieren würde.
"Versteh mich nicht falsch, die Arcanea hat nur die besten Absichten und tut wunderbare Arbeit - ich bin es, ich kann nicht weiter für sie arbeiten, nicht nachdem ich so gefehlt und Finsterniss über das Land gebracht habe! Was du in Folge dessen tust ist dir überlassen Astaya, du bist erwachsen geworden - und ich habe kein Recht mehr über dich zu entscheiden... ich.." leise seufzte er, schüttelte den Kopf.
Ich kann nur hoffen, dass du mich nicht verstößt fügte er für sich selbst in Gedanken hinzu

Schweigend hatte Astaya dem inneren und äußeren Zwiegespräch des Ziehvaters beigewohnt und hatte leicht darüber gelächelt, ihn sprechen lassend, weil sie für den Augenblick selbst nicht wusste, was sie darüber sagen sollte.
Er wollte die Arcanea verlassen und damit auch Josephine. Nun blieb die Frage, was sie selbst tun wollte und welche Konsequenzen sie bereit war zu bezahlen für ihre Entscheidung, die ihren Erfolg oder den Ruin bedeuten würde. Sie war die Seherin der Arcanea - sie würde sie nicht so einfach verlassen können, zumindest nicht, wenn sie nicht riskieren wollte, dass es viel weitreichendere Konsequenzen haben würde.
"Ich werde die Arcanea nicht verlassen, das habe ich Mutter versprochen als ich aus Kuasta abreiste", antwortete sie nach einer ganzen Weile und strich sich mit einer fahrigen Geste ein paar blonde Strähnen aus dem Gesicht und über die Schulter zurück während sich auf ihren Lippen ein bitteres Lächeln ausbreitete.
"Ich muss ihnen helfen, allein schon deshalb weil ich mich nicht vor der Zukunft verschließen kann. Ich weiß nicht, wohin mein Weg mich über die Jahre hin tragen wird aber ich werde dich nicht verstoßen oder dich für deine Entscheidungen verurteilen, denn es sind die deinen."

"Mehr kann ich nicht erwarten..." erklärte Kharas, trat noch einige Schritte zurück, glitt hinüber zum Fenster und sah aus jenem hinaus.
"Mehr kann ich nicht erwarten..."
Hier stand er nun, alles was er einst getan, wofür er einst gearbeitet hatte rann ihm wie Sand durch die Finger.
Er verstand Astaya, verstand sie nur zu gut doch konnte er nicht wie sie einfach weiter machen, nicht nach den verbrechen die er zu verschulden hatte.
Astaya und er würden nicht mehr zusammen leben, sie hatte nun ihr eigenes Leben - vielleicht war es besser so.
Möglicherweise würde er in ein paar Jahren wieder auf Reisen gehen, ein letztes Mal...

Sie hatte ihn seinen Gedanken überlassen, hatte seinem unregelmäßigen Atmen gelauscht und wandte sich nun zu ihm um. Zögerlich hob sie eine Hand und legte diese auf die Schulter des Mannes, der sie über all die Jahre ihres Lebens begleitet hatte.
"Das ich entschied bei der Arcanea zu bleiben, bedeutet nicht gleichermaßen dass ich den Platz an deiner Seite verlassen werde ... Vater...", erhob sie die Stimme, trat neben ihn und ließ die Hand wieder sinken, ihre Aufmerksamkeit wieder zu dem Wind richtend, der bisher unablässig Neues mit sich gebracht hatte. Wichtiges und Unwichtiges ... Dinge über die sie schweigen würde bis ein passender Moment eingekehrt war, der ihr erlaubte all das Wissen zu teilen, das sich schon seit so langer Zeit in ihrem Kopf befand.
Für einen kleinen Augenblick wurde ihr bewusst, wie sehr ihn der Kampf und der Verlust seines Freundes verändert hatte. All die Stärke ihres Ziehvaters schien fortgewischt, wie ein lästiges Insekt und ersetzt durch tiefe Resignation und Verzweiflung, die sein Herz in eisigen Klauen hielt. Reue ...
Sie war meist schmerzhafter als es ein Wort oder eine Verletzung jemals sein konnten.

Seine tiefe Stimme erfüllte den ganzen Saal, geschwängert von Trauer und Reue ehe er sich zu Astaya umdrehte.

"Ich werde immer dein Vater sein Astaya, wann immer du in Not bist kehre bei mir ein!
Wann immer du Rat brauchst, frage mich!
Du wirst immer in meinem Herzen sein, es wird eine Zeit der Trauer geben und wenn jene vorüber ist werde ich stärker sein!"

"Ethras Stern war dem Untergang geweiht, Vater. Bereits als er Julian Frook in seine Dienste nahm, wurden ihrer beide Sterne von Tag zu Tag dunkler bis sie schlussendlich ganz verloschen. Du wusstest das", antwortete Astaya ohne auf die Worte des Älteren einzugehen oder sich in seine Richtung zu wenden, wenngleich sie auch seinen Blick auf sich ruhen spürte.
"Das Schicksal mag ein grausamer Begleiter sein, doch für das Wohl dieser gesamten Welt ist es notwendig Opfer zu bringen und Ethra fand im Tode den Frieden, den er im Leben niemals machen konnte", setzte sie nach einer Weile hinzu und wandte sich um, machte ein paar Schritte in die große Halle hinein, die seltsam menschenleer schien zu dieser späten Stunde.
"Selbst, wenn er überlebt hätte, so hätte man ihn verachtet. Die Elfen haben ihn ausgestoßen, die Zwerge hätten ihn verjagt und die Menschen versucht ihn zu töten. Es ist für ihn besser, wenngleich es dich auch schmerzt."

"Ich weiß, nur leider macht die Gewissheit das ich für all dies verantwortlich bin mir meine Trauer nicht leichter, die Worte sind wie Steine in meinem Herzen!" er schüttelte den Kopf.
"Aber genug dieser tristen und fürchterlichen Stimmung, wie ist es dir ergangen?"

"Warst du denn wirklich dafür verantwortlich?", fragte Astaya ruhig. "Sind es nicht am Ende die Taten jedes einzelnen Wesens gewesen, die zu diesem bedauernswerten Schicksal geführt haben?"
Sie wartete nicht auf eine Antwort ihres Vaters, machte stattdessen eine knappe Handbewegung und fegte ihre Worte davon, seinen Versuch aufgreifend das Gespräch auf andere Dinge zu bringen statt weiterhin von Tod und der Schlacht zu sprechen. Leider war nur auch ihr Leben nicht sehr viel anders verlaufen in der Zeit, in der er fort war.
"Gut", antwortete sie und zeigte erneut ein schwaches Lächeln. "Sie haben sich hier sehr gut um mich gekümmert."
Es war keine Lüge gewesen, wohl aber ein breites Band an ausgelassenen Erzählungen mit denen sie ihn nicht weiter beunruhigen wollte.

"Gut.... gut...." meinte er, ging langsam auf Astaya zu.
"Ich werde immer für dich da sein..." flüsterte er ihr ins Ohr, ehe er müde und vollkommen erschöpft auf den Stuhl des Truchsess sank.
Er war müde, so unendlich müde.

"Um das zu tun solltest du dich nun ausruhen und schlafen gehen", entschied Astaya und griff sacht nach dem Arm des Älteren noch bevor dieser auf seinen gewohnten Platz gesunken war.
"Für alles weitere ist dann genügend Zeit und ich kümmere mich um den Rest der Dinge, die bislang liegen geblieben sind", setzte sie hinzu um ihm gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Reise von den Bergen zurück nach Ceunon umfasste mehrere Tage, in denen sie trotz aller Strapazen vermutlich kaum Rast gemacht hatten.

Verdammt noch mal irgendwo muss doch dieser dumme Thronsaal sein.. fluchte sie mit sich selbst.
Sie irrte schon mindestens eine halbe Stunde durch die Gänge der Burg und fand den Saal nicht.
Nach eingen Wegweisungen von einem jungen Mädchen das ihr über den Weg lief fand sie den Saal endlich. Soll ich anklopfen? Ja wäre wohl besser als einfach reinzuplatzen.
Sie atmete tief durch und klopfte an die große Tür.

"Herein?" hallte Kharas Stimme durch die geschlossene Türe.
Der Magier saß brütend über einige Dokumenten und Papieren, eine Öllampe stand neben ihm und spendete Licht.
Er würde wohl bald nach Astaya sehe, hatte die Köchin doch mitteilen lassen das das Essen bald zubereitet wäre.

Vorsichtig schob sie sich durch die riesige Tür.
Seid gegrüßt, Truchsess Kharas. antwortete sie höflich und verbeugte sich leicht.
Könntet ihr einen Moment eurer Zeit entbehren?

Khars hob den Kopf, strich sich einige Haare aus dem Gesicht und lächelte Warmherzig.
"Luná - man erzählte mir bereits von eurer Ankunft..." er räumte mit einigen Handbewegungen die Dokumente und legte diese auf die Seite.
"Mein Beileid was euren Gatten betrifft, aber es gab keine andere möglichkeit aber - was führt euch zu mir?"

Dankt euch, aber warum ich eigendlich erbittet hatte euch zu sprechen war die Tatsache das mir all meine Erinnerungen,Gedanken und Gefühle genommen wurden. Weg alles wie ausgelöscht. Nur dank Eluneya die mir durch zufall begegnet ist habe ich ein wenig Klarheit bekommen zwar wenig aber doch das nötigste.
Sie atmete tief durch. Und nun hat mich Lady Nyaralin zu euch geschickt. Könnt Ihr euch vorstellen wer und vor allem warum jemand mir all das weg genommen hat?!

Kharas schwieg, ehe er zu eine Antwort ansetzte.
"Wer immer es getn hat, muss mächtige Magie verwendet haben..." erklärte er, machte dann jedoch eine Pause.
"In anbetracht eurer... Vergangenheit jedoch, solltet ihr dies aber vielleicht als Geschenk ansehen!"

Elune zwängte sich hinter Naruk und Luná in den Thronsaal. Ich grüße euch, Kharas,sagte sie und machte sich klein um nicht irgendwo gegen zu stoßen.

Aber ... das geht doch nicht! sie hörte sich an wie ein trotziges Kind.
Ich will doch nur wissen wer ich bin und .. und.. man das geht doch nicht was würdet Ihr machen wenn euer ganzes Leben einfach weg wäre egal wie schlimm es war ihr wolltet auch wissen wer Ihr seid oder shee ich das falsch?
Sie lächelte Elune an die sich hinter sie bequemt hatte.