Gästehaus des Rates

Zerras blaue Augen sah von dem Fremden zu Lyonel hinüber. Sie wusste nicht so recht, was sie antworten sollte. Ihr behagte der Ton des Mannes nicht so recht, der bedeutendschwer in ihren Gedanken nachhallte. Ganz so, als wäre das, was er zu überbringen aufgetragen bekommen hat, von großer Wichtigkeit. Unmerklich presste sie ihre Lippen aufeinander und wandte sich wieder zu dem Mann um. Er sah nicht sonderlich bedrohlich aus, eher schnöselig, doch sie wusste, dass man dem ersten Eindruck nicht immer trauen konnte.
Schweigend fiel ihr Blick auf den Degen an der Hüfte des Fremden, der sich selbst noch nicht einmal vorgestellt hatte. Und nun? Ihn weiter sprechen lassen? Auch wenn dies bedeutete, dass am Ende ihre Tochter womöglich aufwachte?
Das Sonnenlicht, das durch die Fenster fiel, war über den Boden gekrochen und hatte fast Zerras Füße erreicht. Die Kleine würde früher oder später ohnehin wieder aufwachen, um gefüttert zu werden... hmm.
„Nennt doch erst einmal euren Namen und den eures Begleiters, auch wenn Ihr ihn draußen warten lässt. Und... welche Freundin von uns meint Ihr?“, fragte sie mit leiser Stimme.

Lyonel entspannte sich etwas, als er sah, dass es nur ein hergelaufener Schönling war, der dort zu ihnen wollte. Trotzdem pochte die Ader an seinem Nacken immer noch unheilverkündend, ganz traute er der Situation noch nicht.
Wann war er eigentlich so paranoid geworden? Früher war er aufmerksam gewesen, vorsichtig, nunja... aber von so einem Verfolgungswahn getrieben, der ihn hinter jedem Gesicht einen Feind erblicken ließ? Vielleicht lag es daran, dass er jetzt etwas zu verlieren hatte. Früher war er allein gewesen, am schlimmsten hätte man ihn treffen können, hätte man sein Leben genommen.
Aber jetzt...
Fiel es ihm darum so schwer, fremden Menschen zu vertrauen? Oder war es die Tatsache, dass das Auftauchen des eitlen Kerls so unerwartet war?
Das Gewicht des Messers seines Vater am Gürtel, gab ihm ein leichtes Gefühl der Sicherheit und der Vertrautheit. Er hatte das Töten und den Kampf gelernt und er war sich sicher, dass er diesen Neuankömmling ohne Probleme überwältigen konnte, wog er seine Chancen ab. Wenn da nicht diese Sache mit der Magie wäre.
Er kniff ein wenig die Augen zusammen und musterte Phineas noch einmal von oben bis unten.
"Seid gegrüßt, Fremder.", sagte er mit ausdrucksloser Stimme, während er immer noch versuchte, den Mann einzuschätzen.
"Unsere Namen kennt Ihr augenscheinlich bereits..."

„Ähm.. ja.. Entschuldigt, ich vergesse heute wirklich meine guten Manieren“, sagte Phineas, der ebenfalls seine Stimme gesenkt hatte und sich erneut verbeugte, um ihnen zu zeigen, wie sehr es ihm Leid tat. Scheinbar war er von Astayas Entführung noch immer ziemlich durch den Wind, ganz besonders, weil er sich bereits vorstellen konnte, wohin man sie gebracht hatte...
„Mein Name ist Phineas... und der Name eurer Freundin ist Charon. Zumindest nennt sie sich so uns gegenüber. Ich glaube Ihr kennt sie... bei ihrem richtigen Namen. Halibel. Sie lässt euch grüßen. Beide. Leider kann sie... aufgrund einiger Ereignisse nicht hier sein, die ich euch beiden gerne genauer erzählen würde... Ihren Brief habe ich nicht mehr, doch als Zeichen dafür, dass ich die Wahrheit spreche, habe ich meine Begleitung dabei... Aronell Ryuka“, sagte er, trat zurück zur Türe und zog dieser erneut auf. Die vermumte Gestalt lehnte noch immer gegenüber der Wand, blickte nun auf und trat langsam aus dem Schatten heraus.
Sonnengegerbte Hände zogen die Kapuze zurück, als er in das Zimmer eintrat. Azurblaue Augen fuhren durch das Zimmer, das Haar des Mannes, welche ungleich größer und kräftiger war, als Phineas, war von einem sehr dunklem braun. Sein scharfer Blick fuhr über Lyonel, schien diesen genaustens zu mustern und wanderte dann zu Zerra hinüber, wo dieser sichtlich sanfter wurde.

Skeptisch hatte Zerra den Jüngling ins Auge gefasst, als er sich vorstellte. Ihre Skepsis verwandelte sich dann jedoch rasch in leichte Verwirrung, als er von einer Frau namens Charon sprach und schließlich meinte, dass er damit Halibel meinte. Sie überlegte kurz, woher sie den Namen Charon kannte. Charon war Halibels Zweitnamen. Als Phineas jedoch auf einmal den Namen ihres Vaters kannte, erstarrte sie regelrecht und schaute zu dem Mann hinüber, welcher aus dem Schatten des Flures trat, hinein in das warme Licht des Zimmer.
„Nein...“, murmelte Zerra, schüttelte ungläubig den Kopf und fasste sich an ihre Lippen.
Die Statue allein wäre keinenfalls ausschlaggebend gewesen, doch spätestens als sie seine Augen sah, so blau, wie die ihre, erkannte sie ihn. Es war ihr Vater. Jener Vater, von dem Dunas einst berichtete, man hätte ihn umgebracht. Wie konnte es möglich sein? War dies vielleicht nur ein heimtückischer Zauber? Eine böswillige List? Dabei sollte der Wald doch vor Unheil und dergleichen bewahren.
„Vater“, wisperte sie und trat blinzelnd auf ihn zu. Sie vergaß all ihre Vorsicht und streckte, wenn auch etwas zaghaft, ihre Arme nach ihm aus.

„Zerra“ Ein Lächeln hellte sein eher streng aussehendes Gesicht auf und im nächsten Moment nahm er seine Tochter auch schon in seine Arme. Er hatte sie seit einer sehr langen Zeit nicht mehr gesehen und doch erkannte er sie mühelos. Er hätte sie auch mitten im Gedränge einer Stadt wieder gefunden. Sie erinnerte ihn so sehr an seine verstorbene Frau, Salima. Ihr schwarzes Haar, die blauen Augen, ihr dunkler Teint. Lächeln drückte er Zerra an sich und strich ihr über den Rücken.
„Es tut mir Leid, dass ich mich nicht melden konnte. Wir mussten meinen Tod vortäuschen... Halibel hat geahnt, dass man mich gegen dich einsetzen wird. Und um das zu vermeiden, brachte sie mich weg und täuschte den Mord vor...“, erklärte er ihr mit leiser Stimme. Es tat gut, sie wieder zu sehen. Ganz besonders aus dem Grund, dass, als sie sich damals zu letzt gesehen hatten, waren sie im Streit auseinander gegangen. Inzwischen hatte jedoch vieles über sie gehört, wusste, dass sie sich längst geändert hatte. Auch wenn sie noch immer das Zeichen Zar'rocs trug, so war sie doch schon lange kein Mitglied mehr davon.
Gewiss standen sie eine Weil so da, umarmend, sich leise Dinge zu flüsternd, ehe sich Aronell räuspernd von ihr löste. „Gratuliere dir...“, sagte er und sah nun erstmals zu dem Kind hinüber. Von dort aus wanderte sein Blick und blieb dann wieder an Lyonel hängen.
„Ich hörte vieles von euch. Ihr führtet die Armee an, die ins Beor-Gebirge marschierte. Gegen Lord Ethra. Eine stattliche Leistung, Lyonel... Auch meine Tochter zu beschützen ist mitnichten keine leichte Aufgabe... ich danke euch. Sehr“, sagte er und reichte diesem seine Hand.
„Aronell Ryuka“, stellte er sich nun persönlich vor und verneigte knapp seinen Kopf.

Lyonel hatte den Neuankömmling im ersten Moment etwas argwöhnisch beäugt, so wie zwei wilde Eber, die im Wald aufeinandertrafen, sich erst einmal beäugten und beschnupperten.
Es war ein kurzes Abtasten, ein vorsichtiges Abklopfen, wo man stand.
Kräftig erwiderte Lyonel den Händedruck von Zerras Vater.
"Freut mich, Euch kennen zu lernen, Herr Ryuka.", sagte er freundlich und neigte leicht den Kopf.
Seine Blick sprang kurz zwischen Zerra und ihrem Vater hin und her, bevor er auch Aronells Blick fest begegnete.
"Übrigens war ich es nicht allein, der Ethras Truppen besiegte. Jeder einzelne unserer tapferen Krieger vollbrachte an diesem Tag eine stattliche Leistung."
Darin nahm Lyonel es sehr genau. Zu tief saßen noch die Erinnerungen an Hilflosigkeit und Dankbarkeit, als die dunkle Flut der Urgal ihn wegzuspülen gedroht hatte, als nur mutige Kameraden, die fest wie Felsen an seiner Seite gestanden hatten, ihm das Leben gerettet hatten.
Zu tief saß die Erinnerung an das Opfer seines Vaters, der mit seinem Leben für den blutigen Sieg an diesem Tag bezahlt hatte. Und mit seinem Vater all die anderen, die in den fernen Gipfeln des Beorgebirges dafür gefallen waren, den Lebenden ein Leben in Frieden zu ermöglichen. Kaum einer war unter den Menschen, der nicht einen Vater, Bruder, Sohn oder Schwester und Tochter verloren hatte.
"Jeder von uns tut schließlich das, was er kann. Für..."
Sein Blick schweifte über Zerra zu seiner kleinen Tochter und er lächelte sanft.
"...uns."

Zerra schwirrte ein wenig der Kopf, so viele Informationen prasselten in diesem kurzen Augenblick auf sie ein, dass sie ein wenig brauchte, um das Gehörte auch zu begreifen. Ihr tot geglaubter Vater stand auf einmal vor ihr, wovon Halibel all die Zeit gewusst hatte.
Wieso hatte sie nichts gesagt? Ihre blauen Augen huschten zu Lyonel hinüber und musste unweigerlich lächeln.
Es war, als wäre er eine Art persönlicher Ruhepol, der ihr Halt gab. Und vieles mehr.
Ihre kleine Familie war um ein Mitglied gewachsen. Ihr Vater war Großvater geworden...
Die Fürstin hätte sich gerne länger ihren warmen Gedanken hingegeben, doch gewisse Frage kamen in ihr auf.
Stumm sah sie zu dem jungen Mann hinüber, Phineas, wie er sich vorgestellt hatte und musterte ihn genaustens. Sein Blick gefiel der jungen Frau nicht. Er verriet, dass das, was er zu berichten hatte, keinenfalls zu jener Sorte von Nachrichten gehört, über die man sich freute.
Zerra begab sich an Lyonels Seite und sah flüchtig zur Türe hinüber, die zu ihrer Erleichterung geschlossen war. „Nun gut... wenn Ihr das Vertrauen meines Vaters habt... dann habt Ihr auch das meine. Von welchen Informationen spracht Ihr? Und inwiefern ist Halibel darin verwickelt?“

„Nun... Ihr wisst vermutlich nicht, doch Halibel... hat eine Art Organisation gegründet, zu der ich und euer Vater gehören. Wir arbeiten bislang eher im Untergrund und versuchen... verschiedensten Machenschaften auf die Schliche zu kommen und diese zu vereiteln... Ich weiß nicht, ob Euch der Namen 'Arash' bereits untergekommen ist, aber mit diesem Mann beschäftigen wir uns aktuell.
Er ist im Grunde der Fadenzieher einiger Geschehnisse, die sich zurzeit ereignet haben. Unter anderem wissen wir von einer Frau, Azula, die in seinen Diensten steht. Halibel hat jemand nach Teirm geschickt, der sich darum kümmert. Und auch um Königin Runa. Es wird Euch vermutlich überraschen, aber... Dunas hat sich dieser Aufgabe angenommen. Er ist seit kurzem ebenfalls ein Mitglied unserer Organisation... wobei wir uns selbst als Gilde bezeichnen“, erklärte Phineas und verschränkte seine Arme hinter seinem Rücken.
„Dunas wird Runa in Sicherheit bringen. Wovor ich euch allerdings warnen sollte, euch beide, ist die Gefahr, die von ihnen ausgeht. Arash hat einen Mann unter seinen Gefolgsleuten, der scheinbar kein Mensch ist... dafür aber sehr mächtig. Darüber hinaus hat Arash einen bestimmten, magischen Spiegel, durch den er, mittels anderer Spiegel Personen verzaubern oder gar angreifen und verletzen kann. Daher bitte ich euch, haltet euch von Spiegeln fern oder zerstört sie gar. Der Truchsess Kharas selbst ist jenen Spiegeln schon zum Opfer gefallen und sein Berater Lenegad schloss sich Arash an.
Alles in allem, seht ihr, ist einiges... passiert. Umso mehr freut es mich natürlich, dass ihr hier sicher angekommen seid. Vermutlich... fragt ihr euch, wie wir an diese ganzen Informationen gelangen konnten... Nun, Halibel kennt Arash von früher. Sie waren einst zusammen... und nun hat sie sich ihm angeschlossen, um an jene Details zu gelangen. Nur zum Schein, versteht sich... In diesem Moment... hat sie ihren Kontakt zu uns abgebrochen, was bedeutet, dass sie den zweiten Teil ihres Plans erfüllt hat. Soweit so gut... habt ihr Fragen?“

Lyonel hatte leicht die Stirn in Falten gelegt, während Phineas erzählt hatte. Er wusste nicht warum, aber irgendwie beschlich in das Gefühl, dass dieser eitle, junge Mann gerade Botschaften gebracht hatte, die seine schöne, ruhige Zeit mit der Familie jetzt einmal vorerst beenden würde. Trotzdem... den Überbringer schlechter Nachrichten dafür zu bestrafen – das war wirklich eine Tradition monarchistischen Absolutismus.
„Wenn das, was Ihr dort sagt, Phineas, stimmt... dann haben wir ein Problem. Ein großes Problem.“
Und dabei waren sie dieses Scheusal von Ethra doch gerade erst losgeworden. Mal wieder eine Bedrohung, ein irrer Bösewicht, vor dem es die Welt zu retten galt. Fast schon so, als würde einer höheren Macht, die der Welt immer wieder diese Feinde vorwarf, nichts anderes mehr einfallen, wobei man zugeben musste, die Spiegel waren schon ziemlich innovativ.
Und vor allem effektiv, wenn sie schon Kharas geschlagen hatten.
„Diese Informationen sind, insofern sie stimmen, zu wichtig, als dass sie verloren gehen dürfen. Wir sollten sofort nach Ellésmera aufbrechen, um uns dort mit Ratsherrin Nyaralin zu treffen, sie zu informieren und ein weiteres Vorgehen mit den Elfen absprechen. Wenn Kharas diesem Feind schon unterlegen war, dann ist es Wahnsinn, sich ihm ohne das Wissen der Elfen entgegenzustellen.“
Wenn der Truchsess verschollen und die Königin zu ihrer eigenen Sicherheit entführt war, dann war er wohl als Heerführer jetzt höchster Anführer der Menschen. Seit der Schlacht im Beorgebirge war das Schicksal der Elfen untrennbar mit dem der Menschen verbunden.
Jetzt galt es zu schauen, ob die Elfen ihr Treueversprechen hielten, und selbst wenn nicht...
Ellémera bot zumindest Sicherheit.

„Genau das selbe dachten wir uns auch... Halibel hat dafür gesorgt, dass sie eben nicht nur ihre Freunde und engsten Vertraute benachrichtigen ließ, sondern eben auch die König der Elfen, oder um präziser zu sein, hat ein Mitglied von uns die Ratsherrin Nyarálin bereits benachrichtigt. Dennoch glaube ich, dass es keine schlechte Idee sich mit ihr in Verbindung zu setzen und nach Ellesmera zu reisen. Dort wird man zurzeit vor allem besonders vorsichtig sein und die Stadt dementsprechend sichern“, sagte Phineas und verschränkte dabei locker seine Arme vor der Brust. Nur kurz hatte er sich mit Caleb besprechen können, als dieser kurz mit Aeon in Osilon gehalten hatte, als er auf dem Weg nach Vroengard war. „Ich wollte euch beide wirklich nicht stören, aber... ich denke, die Zeit drängt. Wenn man vielleicht morgen aufbrechen könnte... das wäre vermutlich das beste. Wenn es sich denn einrichten ließe...“ Er sah fragend zwischen Lyonel und Zerra hin und her und bemerkte dabei, dass auch Aronell die beiden neugierig musterte.

Aufmerksam hatte Lyonel Phineas Worten zugehört. Halibel war wirklich klug vorgegangen. Einzelne Benachrichtigungen gingen oftmals verloren. Wenn er so darüber nachdachte, dann hatte er von dieser Geheimniskrämerei nichts mitbekommen, obwohl sie gemeinsam im Krieg gewesen waren. Erst als er genauer darüber nachdachte, fielen ihm einige, unscheinbare Situationen ein, die vielleicht einen Verdacht hätten erregen können.
Er beschloss von daher den beiden zu glauben.
"Das klingt vernünftig. Ich denke auch, dass wir dann so bald wie möglich aufbrechen sollten."
Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, tat es ihm auch schon wieder leid, denn sie bedeuteten unweigerlich das Ende der Ruhe und des kleinen, familiären Friedens. Glücklich das Land, das Helden hat, aber noch glücklicher jenes, welches keine braucht.
Konnte diese Welt denn niemals zur Ruhe kommen.
Fragend, fast schon entschuldigend sah er zu Zerra.
"Was meinst Du?"

Verschiedene Bilder huschten vor Zerras Augen umher, während sich Lyonel an den jungen Mann wandte. Es waren Bilder aus ihrer Vergangenheit, von Ereignissen, die lange zurück lagen, zumindest kam es ihr bei vielem so vor. Damals, als Rune entführt wurde und sie erstmals auf Lyonel und die Urgals traf. Die Verfolgung bis hinauf zum Helgrind, ihre Zuflucht im Herzen Surdas, in Aberon, das Baden... Die Rückkehr der Zar'roc in ihr Leben, die Arena in Dras-Leona und der Aufstand der Gladiatoren... der Tod des Schattens Vladimir. Die anschließende Rückkehr nach Aberon... das Fürstentum über Teirm und ihr dortiges Anwesen. Der Abschied von Lyonel... und die Hochzeit mit Malian... sein Tod, Lyonels Wiederkehr und die Geburt ihrer Tochter. Man durfte Gutes, wie Schlechtes im Leben nie aus den Augen verlieren. Jede Erfahrung, jedes Ereignis formte einen und zeigte auf, das sowohl das eine, als auch das andere von Nöten war. Und nun hatten sie lange genug ihre Ruhe gehabt. Es galt zu ihrem vorherigen Leben zurück zu kehren, die Waffen wieder aufzugreifen und zu kämpfen. Für sie, für ihre Kinder, die es einmal besser haben sollten. Elea.
„Was ich meine? Wir sollten uns heute ans Packen machen und Morgen früh aufbrechen“, sagte Zerra und lächelte auf jene Art, die man von ihr noch von früher kannte. Abenteuerlustig, ein wenig verwegen, zuversichtlich und selbstbewusst. Sie würden das zusammen schon schaffen, da war sie sich ganz sicher. Zerra nickte Lyonel lächelnd zu und ergriff seine Hand, die sie sanft drückte.

Phineas war wirklich beeindruckt von dieser Frau und, auch wenn er es vermutlich nicht laut zugeben würde, er war irgendwie auch angetan von ihr. Sie hatte eine unglaubliche Ausstrahlung, das Lächeln allein, diese Entschlossenheit in ihren Augen – und nicht nur da, sie verkörperte im Grunde all das, wofür sie stand und was sie war. Eine beeindruckende Persönlichkeit, doch das konnte man auch durchaus erwarten, immerhin gehörte auch ihr Vater zu jener Sorte Menschen, die etwas an sich hatte, was einem zu ihnen auf sehen ließ. Eine Eigenschaft, die durchaus auch auf Lyonel Bolívar zu traf. Eine wirklich interessante, kleine Ansammlung... Phineas richtete seine Kragen geschäftig und lächelte die Anwesenden an. „Wunderbar, habt vielen Dank, dafür, dass ihr mich angehört habt. Ich hoffe, dass sich alles zum Guten wenden wird... Ich werde mich nun wieder zurück ziehen, da leider noch weitere Dinge zu erledigen sind... Aronell?“ Der junge Mann sah zu dem älteren Herren auf, welcher mit einem gütigen Lächeln nickte. „Wir empfehlen uns und... sehen uns spätestens morgen froh, beim Aufbruch... Vielen Dank nochmal“, sagte er, schüttelte zuerst Zerras Hand und hielt seine dann auch Lyonel hin, immerhin gehörte es zum guten Ton, dass man sich zuerst von den Damen verabhschiedete.

Lyonel kniff erst kurz die Augen zusammen, während er abwägte, was diese Entscheidung bedeutete. Auch wenn man es jetzt noch nicht genau sagen konnte und die Zukunft noch von dunklen Schatten verhüllt war - er konnte jetzt schon sagen, dass es ihm nicht schmeckte.
Dennoch ließ er gefasst Zerras Hand los, wobei sich ihre Fingerspitzen etwas länger als nötig berührten, und ergriff ergeben die von Phineas Ausgestreckte.
"Es war angenehm Euch kennen zu lernen, Phineas. Gemeinsam werden wir schon eine Lösung finden, lasst die Hoffnung nicht sinken."
Sein Griff war fest, sein Blick firm.
Es ließ sich nicht verhindern, denn die Welt drehte sich gnadenlos weiter und es war unmöglich, sich dem zu entziehen.
Nachdem er sich von Phineas, dem eindeutig weiblicheren der beiden verabschiedet hatte, wandte er sich Aronell Ryuka zu und bot ihm ebenfalls seine Hand an.
"Es war mir eine Ehre."

Der junge Mann verabschiedete sich und verließ anschließend gemeinsam mit Aronell Ryuka das Zimmer.
Der letzte Tag in Osilon war gekommen und es wurde Vorbereitung für den Aufbruch am nächsten Morgen genommen.
Die Elfen halfen ihnen beim Verstauen ihrer Sachen, bereiteten die Pferde vor und überließen den Reisenden Proviant für die Reise.
Ein letztes Mal wurde das Gefühl von Freiheit und Ruhe genossen, ehe der neue Tag schließlich heran brach und vier Reisende sich auf dem Weg nach Ellesmera machten...